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Das gibt es nur in Duisburg! Bürgerlich bis liberal

Liebe Nation! Männer und MännInnen! Hallo Duisburg! Heute gedenken wir aller Heiligen und, soweit nicht mehr vorhanden, unserer Angehörigen. Denn all Jene sind, um dies gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit zu sagen, tot. Wir aber, liebe Trauergemeinde, und das ist die andere Seite der Medaille, leben. Leben – das heißt: frei sein. Freiheit – das heißt: man kann seine Meinung nicht nur vertreten, wie man gerade lustig ist, man kann und darf sich zuvor sogar eine selbige bilden. Dabei sollten Sie jedoch unbedingt beachten: halten Sie nicht allzu lange an dieser, Ihrer Meinung fest! Denn das ist ja klar: Leute, die gottweißwie lange ihre Meinung nicht upgraden, sind verbohrt, stur, unbelehrbar, usw. usf. – jedenfalls nicht liberal.

Nehmen Sie mich zum Beispiel! Dereinst hatte ich Sie wissen lassen: „Ich bin kein Liberaler“. Doch das ist lange, lange her. Schon mehr als zwei Jahre! Es wäre nicht fair, mir diese Jugendsünde heute noch unter die Nase zu reiben. Wenn ich das heute so lese, „Ich bin kein Liberaler“, ehrlich: mir ist das selbst peinlich. Wie sich das schon anhört! Liberal, das sollte man schon sein, gerade hier in Duisburg, gerade als Duisburger. So wie Chatzi zum Beispiel, ein waschechter Duisburger – jedenfalls zur Hälfte. Zur anderen Hälfte ist er ein Grieche, der ehemalige Dr. Chatzimarkakis. Also: diesen Namen trägt er noch immer, der Chatzi, nur halt nicht mehr den Doktortitel. Da bitte ich aber um Verständnis: halb Grieche, halb Duisburger…

… da ist – wollen wir es mal so sagen – so ein bisschen Schummelei sozusagen genetisch bedingt. Und dann noch in der FDP! Januar 2012 – da kann aber der Chatzi nichts für. FDP Duisburg aktuell: Sauerland Abwählen – Ja oder Nein? Denn das ist ja klar: Leute, die immer ganz genau zu glauben wissen, wie man abzustimmen habe, sind verbohrt, stur, unbelehrbar, usw. usf. – jedenfalls nicht liberal. Ich erinnere an die großen Worte des großen Liberalen Claus-Hinrich Wöllner, der für die F.D.P. (damals noch nur echt mit den drei Pünktchen) verbindlich erklärte: „Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal.“ In Amerika zum Beispiel bedeutet „liberal“ schwer links, in Russland nennen sich die Faschisten so, in Japan die paternalistische Staatspartei usw. usf.

In Europa dagegen gibt es in aller Regel zwei Strömungen des Liberalismus, richtig: rechts- und linksliberal. Angefangen damit hat das in Deutschland; doch nach dem Krieg hatte man sich gesagt: eine Partei muss reichen. Genau: die FDP. Gestartet ist sie vielerorts als Sammelbecken übriggebliebener alter Nazis. Unvergessen der schöne Erich, der als Bundesminister und FDP-Vorsitzender stolz sein Eisernes Kreuz auf der Brust trug. Ich selbst bin in Mülheim groß geworden; dort war Kurt Meyer FDP-Kreisvorsitzender. Der „Nationalliberale“ trug in den politischen Kreisen dort den Spitznamen SS-Meyer, was insofern etwas verwirrend war, als dass sich dieser Name auf einen anderen beziehen sollte. Nun ja, alte Geschichten… Die Stahlhelm-Fraktion spielt heute in der FDP so gut wie keine Rolle mehr.

Zurück nach Duisburg: hier kam es vor knapp sechs Jahren zu einer „Spaltung der Duisburger FDP in zwei Lager“, an deren Ende die Gründung der kommunalen Wählerliste namens „Bürgerlich Liberale“ (BL) stand, zu der eine Reihe von FDP-Funktionären gehörten, darunter der Vorsitzende der FDP-Stadtratsfraktion. Dieser sitzt jetzt als einziger Ratsherr dieser Gruppierung im Duisburger Stadtrat und hat sich, ohne seine Listenzugehörigkeit aufzugeben, der SPD-Fraktion angeschlossen. „Das passt nicht nur politisch, sondern auch menschlich“, befand der SPD-Fraktionschef, so dass sich der Eindruck aufdrängen könnte, bei der BL habe man es mit so einer Art Tarnliste der SPD zu tun. Oder auch „Sozial-Liberale“, ein Wort, das immerhin unterstellt, die FDP sei damals in der Koalition mit der SPD ganz besonders sozial gewesen.

Die „Bürgerlich Liberalen“ freilich können keinerlei Interesse daran haben, mit solch einem profillosen bzw. SPD-nahen Image in Verbindung gebracht zu werden. Schließlich sind in zwei Jahren wieder Kommunalwahlen, und da will die BL schon genug Stimmen zusammenbekommen, um weiter im Rat und in den Bezirksvertretungen präsent zu sein. Voll okay. Und so lassen die BL-Dorfhäuptlinge kaum eine Gelegenheit aus, ihren Senf zu den Fragen, die die Menschen bedrängen, in der Presse oder im Netz dazuzugeben. Man muss anerkennen: in dieser Hinsicht sind die „Bürgerlich Liberalen“ deutlich aktiver als die Kollegen aus ihrer Ursprungspartei, die freilich auf den Rückenwind der Bundes-FDP bauen können.

Wer oder was ist aber die BL? Das Problem beginnt schon beim Vereinsna

Deutsch: Aktuelles Stadtwappen der Stadt Duisburg. (Photo credit: Wikipedia)

men: bürgerlich-liberal. Ja, gibt es denn auch proletarisch-liberal? Oder gar feudal-liberal? – Ich meine: das kann doch nicht sein. Bei Hofe war man doch auf die Liberalen überhaupt nicht gut zu sprechen; schließlich wollten diese dem Adel einfach so seine Privilegien entreißen. Und in der Arbeiterklasse: „Liberal? Geh mir fort! Du kriegst gleich links und rechts eine; dann hast Du liberal!“ Ende der Durchsage. Liberal ist bürgerlich, bürgerlich-liberal also ein Pleonasmus, was nicht weiter tragisch wäre, wüsste man bei einem der beiden Begriffe wenigstens so in etwa, was er wohl so bedeuten könnte. Zum Beispiel bei der runden Kugel: „rund“ ist klar definiert, Kugel auch.

Oder bei der weiblichen Bundeskanzlerin oder beim alten Greis: Pleonasmen, keine Frage. Doch immerhin weiß man, wer gemeint sein könnte.

Aber „bürgerlich-liberal“? Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal, sagte Kollege Wöllner. Es konnte gezeigt werden: von links bis nach rechtsaußen ist unter dem Firmenschild „liberal“ so ziemlich alles vertreten. Und „bürgerlich“? Was mag das wohl sein? Die Linkspartei spricht häufig von den bürgerlichen Medien. Das sind im Zweifel alle Zeitungen, die nicht der Partei gehören. Hilft also auch nicht weiter; und „bürgerliche Küche“? Da würde ich aufpassen? Selbst dann, wenn an der Eckkneipe „gut bürgerliche Küche“ dran steht. „Bürgerlich“ – das muss vom Hauptwort „Bürgertum“ kommen. Nun gut, ich habe da so meine Vorstellungen. Im Marxismus ist das die Bourgeoisie; aber das wissen die von der BL doch nicht.

Ich kenne nämlich den Ein oder Anderen von denen. Und da würde ich sagen: so bürgerlich wie die bin ich schon lange. Ehrlich gesagt: ich bin sogar noch ein ganzes Stück bürgerlicher. Und weil das so ist, bin ich auch liberaler als die. Okay: liberaler zu sein als die Bürgerlichen Liberalen, das ist nicht unbedingt ein Kunststück. Insofern habe ich meine politische Position bei Vollbesitz meiner Sinne geändert: ich bin doch ein Liberaler. Ein bisschen jedenfalls. Und ein bisschen mehr als die Bürgerlich Liberalen in Duisburg, ganz bestimmt. So in puncto Weltoffenheit, Menschenrechte und so. Alle Menschen sind gleich – nur vor dem Gesetz, logisch. Aber immerhin da. Das ist bzw. wäre doch schon mal viel wert. „Ich bin kein Liberaler“ – so etwas Dummes! Wie konnte ich nur?!

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