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„In den Peschen“: Problemimmobilie, Problembewohner, Problem Antiziganismus

„Wie bitte? Das ist doch nicht Ihr Ernst!“ Die Mutter ist empört. Aufgebracht! Nichts, aber auch rein gar Nichts gedenken die Behörden zu unternehmen, um die Sicherheit ihrer Kinder, überhaupt aller Kinder zu gewährleisten. Jedenfalls nichts zusätzlich: keine höheren Zäune, nicht mehr Zäune, nicht mehr Streifenpolizisten – wie gesagt: gar nichts. Die Mutter tobt. Es ist eine türkische Mutter, genauer gesagt: eine türkischstämmige Mutter, will sagen: ihre Eltern stammen aus der Türkei. Sie ist – beim Fluchen hört man so etwas sehr genau – in Duisburg geboren, genauer gesagt: in Duisburg-Rheinhausen. Vielleicht bilde ich mir das ja nur ein, aber ich meine, aus ihrem perfekten Duisburgerisch so eine niederrheinische Einfärbung herauszuhören. Ich würde sagen: sie spricht Rheinhauserisch. Schon klar: das wird wohl mehr provinzieller Wunsch als Wirklichkeit sein. Egal: sie ist optimal integriert, diese Mutter mit den türkischen Wurzeln. Aber sie hat Angst. Angst um ihre Kinder.

Seitdem die Zigeuner da sind, wie sie sie nennt, die Roma, die seit einiger Zeit hier sind. Hier in Rheinhausen, „In den Peschen“, in dieser „Problem-Immobilie“, wie man hier so sagt. Das mehrstöckige Wohngebäude wird mittlerweile mehrheitlich von neu zugezogenen Wirtschaftsflüchtlingen aus Südosteuropa bewohnt. Sie hat Angst davor, dass „die Zigeuner“ ihre Kinder klauen bzw. überhaupt türkische Kinder, wie die Mutter sie ganz selbstverständlich nennt. Denn wahrscheinlich, glaubt jedenfalls diese Mutter, werden die Roma eher türkische Kinder entführen als deutsche – wegen der größeren äußerlichen Ähnlichkeit. Zwar ist, wie sie auf Rückfrage zugeben muss, auch ihr kein Fall bekannt, dass Roma ein Kind gestohlen hätten. Aber dass sie es tun könnten, sagen Alle. Sagt sie, die türkischstämmige Mutter, und dies zumindest darf man ihr glauben. Sie kann sich nicht beruhigen; für sie steht fest: abermals muss sie mit systematischer rassistischer Diskriminierung leben: die Zigeuner sind da, und der deutsche Staat tut nichts. Gar nichts.

Dabei ist auch die deutsche, also die seit Jahrzehnten angestammte, Bevölkerung ob der neuen Zuwanderer in hellster Aufregung. “Bis vor einigen Monaten haben wir hier, zum Teil seit Jahrzehnten, in Ruhe und Frieden leben können“, zitiert der Lokalkompass die Klage einer Anwohnerin. „Diese Menschen, die nicht ansatzweise sozialisiert sind, machen uns den Lebensabend kaputt.” Und in der Tat, man kann die ältere Dame verstehen, dass sie ihren Lebensabend in der Nachbarschaft dieser neuen Zuwanderer nicht so recht genießen kann. Ein flüchtiger Blick aus dem Auto genügt, und man glaubt sofort, dass sie einen „täglichen Kampf gegen Lärm, Müll und Belästigungen“ zu bestehen hat. Doch es ist nicht nur so, dass Neuankömmlinge, die im alten Zuhause überhaupt keine Müllabfuhr hatten, naheliegenderweise Probleme mit der peniblen deutschen Entsorgungskultur hätten. Es ist auch nicht nur so, dass sich deutsche Spießer über „südländisches Temperament“ (samt entsprechender Lautstärke) am späten Abend mokierten.

 

Nein, keine Frage: die Roma, die dieses sog. „Problemhaus“ bewohnen, sind wirklich von der härtesten Sorte. Unter ihnen gibt es, um es zurückhaltend auszudrücken, offenbar auch eine kriminelle Bande, die sich auf Diebstahl- und Einbruchsdelikte etc. in der weiteren, aber auch in der näheren Umgebung konzentriert. Der Unmut der Anwohner ist allein schon deshalb verständlich. Hinzu kommt das Gefühl, von der Politik und den Behörden allein gelassen zu werden. Die zuständige Bundestagsabgeordnete beißt beim Bundesinnenminister auf Granit, weil der die Lesart nicht gefährden möchte, dass Sinti und Roma gut integriert seien. Und ja, „deutsche Sinti und Roma“, wie das Bundesinnenministerium schreibt, sind auch wirklich Teil unserer Gesellschaft. Die Probleme mit den Armutsflüchtlingen aus Südosteuropa werden jedoch auf diese Art und Weise systematisch und absichtlich ausgeblendet.

Die Stadt Duisburg bspw. hat aus Anlass der Zuwanderung von Roma in Hochfeld ein recht ordentliches Konzept erarbeitet, das umfassend und präzise auflistet, welche Maßnahmen die Verwaltung ergreifen müsste; allein: er fehlt vorn und hinten das Geld, um all die ambitionierten Pläne auch umzusetzen. Jetzt auch noch Rheinhausen – quantitativ nicht so drängend wie in Hochfeld, dafür qualitativ eine Gruppe mit besonderer Aggressivität und krimineller Energie. Die Polizei ist freilich mit einer Streife bzw. zwei Beamten im Dauereinsatz für ganz Rheinhausen hoffnungslos überfordert. Die Justiz hat Kinder unter 14 Jahren, die für das Abgrasen der näheren Umgebung zuständig sind, ohnehin den Eltern zuzuführen – inkl. Eintrag beim Jugendamt -, muss aber auch erwachsene Straftäter laufen lassen, wenn sie einen festen Wohnsitz in einem EU-Land nachweisen können. Das können sie, und die Rede ist ja nicht von schweren Straftaten – wie etwa Kindesentführung.

Deshalb hatten etliche Anwohner vor der letzten Sitzung der Rheinhauser Bezirksvertretung für ihre Anliegen demonstriert. Darüber hinaus haben sie sich in einem ausführlichen Brief an alle Ratsfraktionen und an die Duisburger Mandatsträger im Land- und Bundestag sowie an das Europäische Parlament gewandt. Der Unmut der Demonstranten ist verständlich; dass sie sich an die Politiker wenden, ist richtig. Gleichzeitig ist leider in Rheinhausen ein besorgniserregender Anstieg antiziganistischer Stimmungen zu vernehmen, die zudem durch hanebüchene Gerüchte – wie etwa der eingangs zitierten Kindesentführungsmär – aufgeheizt werden. Aus dem Protestschreiben an die Politik wird der Hinweis zitiert, dass „nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge aus Südosteuropa, sondern auch deutsche Staatsbürger Rechte haben“. Was unbestreitbar richtig ist, aber auch recht patzig – an Politiker geschrieben, könnte diese Opfergeste auf eine Bereitschaft zur Radikalisierung hindeuten.

 

Die Anwohner haben – nochmal! – nicht nur jedes Recht, sondern auch allen Grund, gegen die Zustände „in den Peschen“ und gegen die vermeintliche wie tatsächliche, oft notgedungene Untätigkeit von Staat und Stadt zu protestieren und zu demonstrieren. Und sie wissen auch, dass sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem zwar die Bevölkerungsmehrheit der Minderheit der Sinti und Roma ablehnend und feindlich gegenüber steht, in dem sich aber dennoch offener Antiziganismus einfach nicht gehört. Sie haben davon gehört, dass während der Nazizeit nicht „nur“ die Juden, sondern auch die „Zigeuner“ einem Völkermord zum Opfer fielen. Deshalb sprechen sie, wenn es offiziell wird, auch nicht von „Zigeunern“, sondern höchstens von Sinti und Roma, oder noch besser: von Menschen. Das zeugt zwar von gutem Benehmen, nicht aber unbedingt davon, mit der langen Tradition des Antiziganismus gebrochen zu haben. Diese Roma-Idioten „in den Peschen“ haben das tief sitzende Vorurteil wieder an die Oberfläche gespült.

Die Verfolgungsgeschichte gibt keinem Roma das Recht, sich hier nach Strich und Faden daneben zu benehmen, und Menschen, die ihnen nichts getan haben, zu belästigen, zu bedrohen oder um ihr Eigentum zu bringen. Wer in eine neue Umgebung zieht, hat sich an die geltenden Gesetze und Regeln zu halten und sich zumindest zu bemühen, mit seinen neuen Nachbarn einigermaßen zurechtzukommen. Dass die Roma, etwa die „in den Peschen“ in Rheinhausen, jedenfalls die prägende Mehrheit von ihnen, ein asoziales Verhalten an den Tag legt, gibt keinem Deutschen das Recht, so zu tun, als gingen ihn die Verbrechen, die Deutsche den Roma angetan haben, nichts an, weil er/sie sich ja nicht persönlich schuldig gemacht hat. Jeder Deutsche hat bei all seinem berechtigten Protest gegen das Verhalten der „neuen Zuwanderer“ in Rechnung zu stellen, dass seine Vorfahren die „Zigeuner“, wie sie die Sinti und Roma nannten, ins Gas geschickt hatten, weil die „so komisch“, nämlich anders waren.

Und viele galten als „komisch“, selbst wenn sie gar nichts geklaut hatten. Sie wurden trotzdem „sicherheitshalber“ ermordet. Vergesst das nicht!

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