Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Das Wort zum Sommertag: „Das Recht auf Faulheit“

Lass uns faul in allen Sachen,
Nur nicht faul zu Lieb‘ und Wein,
Nur nicht faul zur Faulheit sein.
Lessing

A portrait of Karl Marx. (Photo credit: Wikipedia)

Warum ich nichts mehr schreibe?! Wieso?! Ich schreibe doch. Jetzt zum Beispiel. Aber hin und wieder lese ich auch etwas. Natürlich nichts in französischer Sprache. Weil meine schulischen Leistungen in diesem Fach… – ich war wohl einfach zu faul. Warum noch Vokabeln lernen, wo man schon ein Alter erreicht hatte, das die Sinne auf ganz andere Aspekte des Lebens gelenkt hatte.

Heute, wo diese Aspekte allmählich wieder an Bedeutung verlieren, lese ich. Deutschsprachiges, versteht sich. Gegebenfalls eine Übersetzung. Le droit à la paresse. «Le droit» – das ist Französisch und heißt auf Deutsch „das Recht“. Und «la paresse» – ich verrate es Ihnen – ist „die Faulheit“. Also: Le droit à la paresse meint das Recht auf Faulheit. Und, wie Sie sehen, kann man darüber auch ein ganzes Buch schreiben. Warum auch nicht?

Sie mögen sagen, das Recht auf Arbeit sei Ihnen im Grunde genommen wichtiger als das Recht auf Faulheit. Geschmacksache, würde ich sagen. Zumal: diese beiden Rechte schließen einander nicht aus. Will sagen: man kann das Recht auf Arbeit besitzen bzw. gewähren, ohne beim Recht auf Faulheit unnötig Abstriche vornehmen zu müssen.

Wie man ja auch arbeiten und faul sein kann – nur eben nicht gleichzeitig. Alles zu seiner Zeit! Wenn zum Beispiel der Autor des Plädoyers für das Recht auf Faulheit stets und ständig immer nur faul gewesen wäre, wie hätte er dann das Verfassen eines ganzen Buches hinkriegen sollen? Sehen Sie!

Leider liegen die Dinge ganz so einfach nicht. Zumal wenn es sich bei dem Autor des Buches um einen Sozialisten und Theoretiker der Arbeiterbewegung handelt – in diesem Fall: gehandelt hat. Denn die Arbeiterbewegung hat – sozusagen schon traditionell – eher so eine gewisse Vorliebe für das Recht auf Arbeit.

Hätte sie sie für das Recht auf Faulheit, hieße sie womöglich nicht Arbeiter-, sondern Faulenzerbewegung. Und wer möchte sich schon gern einen Faulenzer nennen lassen?! Aha. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, zitierte Franz Müntefering einen antiken Autoren namens Paulus.

Der hatte zwar nicht die SPD, dafür aber das Christentum gegründet. Und Lenin zitierte im 5. Teil von „Staat und Revolution“ diesen hübschen Satz – allerdings nicht von Müntefering (zeitlich unmöglich) oder Paulus (ideologisch unpassend), sondern von Karl Marx. Das passt, zeitlich wie ideologisch.

Das Recht auf Arbeit oder auch fast – „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ – so eine Art Pflicht zur Arbeit. Denn bekanntlich leben vom Essen die meisten Menschen, weshalb in Deutschland 800.000 Tonnen Lebensmittel für den Notfall gelagert werden. Für Krisenzeiten. Schließlich weiß man ja nie!

Eine zivile Notfallreserve. 800.000 Tonnen Lebensmittel lagern so in ganz Deutschland, macht pro Nase in etwa zehn Kilo. So dass man es – meine persönliche Meinung – mit dem Recht auf Faulheit zumindest ja einmal probieren könnte! Wenn außer Essen noch irgendetwas Anderes ganz dringend anliegen sollte…

… was könnte das schon groß sein?! Haareschneiden zum Beispiel ließe sich ausnahmsweise mal im Familienkreis unter der Hand erledigen, ohne sogleich als Schwarzarbeit denunziert zu werden. Zurück zu Karl Marx: ist dem eigentlich der Frisör gestorben? Oder fiel für ihn Schwarzarbeit nicht unter das Recht auf Arbeit?

Wie auch immer: vom «droit à la paresse», vom Recht auf Faulheit hielt der jedenfalls so ganz und gar nichts, der olle Marx. Und, als wenn das Alles nicht schon schlimm genug wäre, hat den Alten in diesem Zusammenhang auch noch ein ganz persönliches Drama ereilt. Seine schöne Tochter Laura hatte er doch tatsächlich…

… an keinen Anderen verloren als an den Autoren dieses oben abgebildeten Buches. Paul Lafargue, Erfinder dieses sog. «droit à la paresse», dieses vermeintlichen Rechts auf Faulheit. Untertitel: „Widerlegung des ‚Rechts auf Arbeit‘ von 1848“. Von Paul Lafargue – eine Frechheit! Kein Wunder, dass Marx selbst von seinem Schwiegersohn abfällig als dem `Neger´ oder dem `Kreolen`“ sprach (Wikipedia).

Nun ja, es gibt ja überall mal was. In jeder Familie. Lenin hat dann im Auftrag der russischen Sozialdemokraten die Grabrede für Paul und Laura gehalten. Damit ist dieser Fall eigentlich für mich erledigt. Insofern können Sie m.E. dieses Elaborat von Paul Lafargue guten Gewissens lesen. Auf Deutsch, versteht sich. Hier. Es sei denn, sie sind zu faul dazu.

Das verstehe bzw. verstünde ich sehr gut. Deshalb nur ganz kurz: nach dem Vorwort stellt Lafargue die eingangs zitierten Zeilen aus dem Lessing-Gedicht voran, und dann geht´s los: „Ein verderbliches Dogma: Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen die kapitalistische Zivilisation herrscht.“ Dreimal dürfen Sie raten, welche „seltsame Sucht“ Marx´ Schwiegersohn hier im Auge hatte! – Na klar, ich zitiere:

„Diese Sucht, die Einzel- und Massenelend zur Folge hat, quält die traurige Menschheit seit zwei Jahrhunderten. Diese Sucht ist die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht. Statt gegen diese geistige Verirrung anzukämpfen, haben die Priester, die Ökonomen und die Moralisten die Arbeit heiliggesprochen.“

Wie lautete nochmal Ihre Frage. Ach ja, warum ich nichts mehr schreibe. Erstens: wieso?! Ich schreibe doch. Zweitens: es ist Sommerpause. Sommerferien. Sommerloch. Und: sogar ich habe Rechte. Stellen Sie sich vor! Zum Beispiel das Recht auf Faulheit. Suchtprophylaxe, wenn Sie so wollen. Wie stehen Sie eigentlich zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Die mobile Version verlassen