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OB-Wahlergebnis in Duisburg: Warum nur, warum?

Duisburg hat gewählt. Besser gesagt: Duisburg hat nicht gewählt. Jedenfalls noch keinen neuen Oberbürgermeister. Der SPD-Kandidat Sören Link konnte rund die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen. Allerdings nicht ein paar mehr, sondern ein paar weniger als die Hälfte. Und das heißt: in zwei Wochen müssen die Duisburger noch einmal ran. Das gebietet die Demokratie: bei einer Direktwahl nach französischem Vorbild muss die Mehrheit her, steht im anderen Fall also eine Stichwahl an. Regel ist Regel, auch wenn dies im vorliegenden Fall geradezu grotesk ist. Link hat fast jede zweite Stimme, Lensdorf gerade einmal jede fünfte. Nun ja, Lensdorf freut sich auf zwei weitere Wochen Wahlkampf. Sagt er.

Immerhin ein Duisburger, der sich nach dem ersten OB-Wahlgang freut. Rubinstein kann seine Enttäuschung nicht verhehlen, nicht in die Stichwahl gekommen zu sein. Link dagegen hatte schon fast damit gerechnet, dass es so kommen würde. Duisburg in seinem Modus. Leicht enttäuscht, aber nicht wirklich entsetzt. Das Leben geht weiter. Was soll es auch sonst machen?! In dieser stadttypischen Stimmungslage – etwas unernst bis leicht depressiv – löst sich der letzte Pulverdampf der Wahlkampfschlacht schneller auf. Allein: es gab halt keine. Keine Schlacht, kein Kampf, dafür mehr als zehn sachlich geführte Podiumsdiskussionen. Nur auf einigen Facebook-Foren konnten die Hardcore-Fans von Link und Rubinstein ihre Vorliebe für die etwas rustikalere Spielweise pflegen.

Wenn man nur wüsste, warum die Wahlbeteiligung gestern so niedrig war! Zwei Drittel der Wahlberechtigten gingen erst gar nicht hin. Warum nur, warum? Hatten die keinen Facebook-Account? Man kann es sich gar nicht erklären. Mit nicht sensationell, aber doch deutlich höherer Quote hatten die Duisburger ihren unter die Loveparade-Räder gekommenen Ex-OB Sauerland in die Wüste geschickt. Wie kann man nur?! Wie kann man nur erst einen OB abwählen und danach keine Lust mehr haben, einen neuen zu wählen?! Normal sei das nicht, bemerken die aristokratischen Freunde gepflegten demokratischen Empfindens. Man spürt, wie sie dabei am liebsten ihre Duisburger Seite raushängen ließen und riefen: „Was erlaubt Ihr Euch, Ihr Idioten?!“

Aber man hat demokratischen Stil, bedauert die niedrige Wahlbeteiligung, die einen mit Sorgen erfülle, und hofft eine höhere – okay, sagen wir mal: nicht eine katastrophal niedrige Beteiligung bei der Stichwahl. Häuptlinge wie Indianer. Und diesmal erscheint diese Sorge nicht einmal gespielt. Denn irgendetwas stimmt da doch nicht. Da können Parteienforscher den Reportern noch so oft in die Notizblöcke diktieren, dass mit dieser Wahl die Duisburger ihre Bindung an die Volksparteien, vornehmlich natürlich an die SPD, wiederentdeckt hätten. Da kann die Fernsehkamera das Schaubild auf Fullscreen nehmen und zeigen: 70 % für SPD und CDU zusammen. Da können die Genossen sich dann doch über die 50 % freuen, obwohl ein paar Krümel fehlen …

Irgendetwas stimmt da nicht. Ach ja: die Wahlbeteiligung. Macht nix, sagt der Forscher. Schließlich müsse man bedenken, dass die Duisburger dieses Jahr schon wiederholt an die Urne mussten. Nirgendwo sonst im Land sei gewählt worden, was bei der Sauerland-Abwahl zwar nicht wesentlich anders war, aber doch eine plausible Erklärung für die Duisburger Wahlverweigerung darstellen könne. – Nein, so ist das nun auch wieder nicht gemeint. Ein Aspekt. Vor allem aber: die Kandidaten. Landtagsabgeordneter oder amtierender Bürgermeister oder Manager der jüdischen Gemeinde. Schön und gut; aber so Leute kennt doch letztlich kein Mensch.

Deshalb – hatten wir gerade – entdecken die Duisburger gerade wieder ihre Bindung an die Volksparteien, vornehmlich natürlich an die SPD. So wird es wohl sein, die Genossen könnten sich freuen, Andere dagegen sind „eher besorgt“. Grünen-Chef Schneider sieht die Zeit der absoluten SPD-Mehrheiten in Duisburg zurückkehren. „Das wäre für ihn zu viel des Guten“, berichtet die WAZ. Das kann man wohl verstehen. Wenn man darüber hinaus auch noch verstehen könnte, warum die Grünen, die bundesweit bei rund 14% liegen, in Duisburg mit einer Kandidatin, die zweifelsfrei besser beleumundet ist als ihr Kreisverband, nicht über 5,6% hinauskommen … – ach so: weil „die SPD wieder auf absolute Mehrheiten steuere“. Klar.

Wenn sich die Abwahlbewegung auf einen gemeinsamen unabhängigen OB-Kandidaten geeinigt hätte, meinen die Anhänger Rubinsteins, dann … – ja dann hätte die Chance bestanden, dass nicht Lensdorf, sondern Rubinstein in die Stichwahl eingezogen wäre. Das leuchtet unmittelbar ein, sieht aber von einem Umstand ab, von dem überhaupt nicht abgesehen werden kann. Zur Abwahlbewegung gehörten eben – aus welchen Motiven heraus auch immer, ob man es gern hört oder nicht – auch Parteien. Sie wollten, wenn sie einen gemeinsamen Kandidaten wollten, Rubinstein nicht. Jedenfalls die SPD nicht. Lamentieren darüber, ob die SPDüberhaupt ernstlich wollte oder nicht, ist müßig.

Der ewige Junggeselle kann stets darauf verweisen, sich um eine Prinzessin bemüht zu haben. Und die alte Jungfer hatte es dereinst auf Prinz Charles abgesehen. Das sind alles nur Geschichten, und die Duisburger haben Sehnsucht. Aber gewiss keine Sehnsucht nach königlichem Glanz. Sie haben Sehnsucht nach einem „Stadtoberhaupt“, das eine ehrliche Haut ist. Nach einem (könnte natürlich auch eine sein), dem sie einfach nur insoweit vertrauen können, dass er ziemlich vernünftig seinen Job macht. Jahrzehntelang haben sie deshalb in ihrer Stadt die SPD gewählt. Was auch sonst?! Nichts Anderes hätte auch nur in Betracht gezogen werden können.

Irgendwann hieß es, wer was werden will, muss in der SPD sein. Später wusste man, wer etwas geworden ist, war in der SPD. Und so vor acht Jahren beschlich die Leute so ein Gefühl: da stimmt doch irgendetwas nicht. Hinzu kam, dass sich über die Jahrzehnte auch die Leute geändert hatten. Jedenfalls geschah das Unfassbare: sie wählten einen von der CDU. So einen Kumpel-Typ, diesmal eben einen schwarzen, weil mit den roten ja etwas nicht stimmte. Das Abenteuer ging ganz hübsch los und endete schlimmer, als man in den schlimmsten Albträumen erwartet hätte. Im Urlaub hat man schon gelogen, dass man aus Moers komme. Oder aus Mülheim. Nur nicht aus Duisburg! Logisch: dieser Schwarze musste weg! Eine Schande, dass der nicht selbst gegangen ist.

Die Frage lautete, warum die Duisburger, die ihren OB abgewählt hatten, wenig Lust verspüren, einen neuen zu wählen. Ganz richtig ist diese Frage so nicht gestellt. Die Duisburger oder jedenfalls: viele Duisburger haben die Erfahrung gemacht, dass sie für den, den sie gewählt haben, in gewisser Hinsicht auch den Kopf hinhalten. Zum Beispiel, wenn etwas völlig aus dem Ruder läuft. Jetzt sollten sie diesen jungen Mann von der SPD wählen, von dem sie nicht viel mehr wussten, als dass er Berufspolitiker ist. Der ältere Herr von der CDU – ein enger Gefährte und Nachlassverwalter dieses Sauerlands. Ein sympathischer Jude – aber wirklich kennen tut man den doch auch nicht.

Betrachten wir unter diesen Umständen die Wahlverweigerung der meisten Duisburger nicht allein als Verantwortungslosigkeit! Betrachten wir sie als Vorsicht, als Scheu gebrannter Kinder vor dem Feuer! Das Verhalten der Duisburger zeugt vom Missmut mit den Verhältnissen in ihrer Stadt, nicht mit der Demokratie an sich. Bei Landtags- und Bundestagswahlen machen sie ja genauso schlecht und recht mit wie ihre Nachbarn auch. Doch keine Frage: was sich in den letzten (beiden) Jahren in Duisburg abgespielt hat, ist keine Werbung für die Demokratie. Es gibt tolle Leute innerhalb und außerhalb der Parteien, die sich in Duisburg für die Interessen der Bürger abstrampeln. Und doch: irgendetwas stimmt nicht. So systemisch und strukturell und so.

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