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Facebook-Affäre Ariane Friedrich: Wenn das Internet zum Pranger wird

Image by Wikipedia/Urheber Daniel Beyer

 

Ruhe wollte sie. Ruhe, um sich in Pretoria auf ihr Training vorzubereiten. Auf den Jahreshöhepunkt: Olympiade in London 2012. Ruhe hätte sie auch auch gebraucht nach ihrer schweren Verletzung, um den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren. Aber nun ist es aus mit der Ruhe. Sie selbst sorgt dafür. So viel Medienrummel hatte die als exzentrisch geltende Hochspringerin wohl noch nie. Und irgendein T.D. aus A. mitsamt Familie wohl auch nicht.

Mit ihrer Pranger-Aktion auf ihrer Facebook-Fanseite hat Ariane Friedrich ein neues, unrühmliches Kapitel ihrer Sportlerkarriere aufgeschlagen. Naivität ist es wohl nicht gewesen, als sie einen Mann namentlich und mit Wohnortsangabe als Belästiger outete. Spontan erntete sie von vielen – zu vielen! – Applaus dafür, einen vermeintlichen „Stalker“, wie es nun landauf-landab fälschlicherweise behauptet wird, dem Mob vor die Füße geworfen zu haben. Sie selbst bezeichnet ihn in ihrer umstrittenen Aktion nicht als Stalker.

Aber das brauchte sie auch nicht. Das besorgten viele andere freiwillig und oftmals völlig undifferenziert für sie. Auch Teile der bundesdeutschen Presse haben sich dieses Jargons angenommen. Zunächst einmal schreibt Friedrich, dass sie „schon mal einen Stalker“ hatte. Sich gegen solche Menschen zu wehren, auch mal mit unkonventionellen Mitteln, kann durchaus menschlich nachvollzogen werden.  Aber in diesem konkreten Fall, hat sie von dieser Person EINE  belästigende Mail mit Anhang bekommen. Den Anhang hat sie, wie sie schreibt, noch nicht einmal geöffnet. Und der Mob macht aus diesem Mann, und nach dieser Facebook-Steilvorlage, einen triebgelenkten Stalker!

Schlimmer noch: Dieser Mensch sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, die unbeschreiblich sind. Nicht nur auf der offiziellen Gästebuchseite des Wohnortes des Beschuldigten wird er bereits auf eine Stufe mit pädophilen Straftätern gesetzt. Und das unter Nennung seines vollständigen Namens. Und wenn bedacht wird, dass es diesen Namen in der von Friedrich genannten Region gleich zwei Mal gibt, wird die Tat der Sportlerin doppelt verachtenswert. Sie, eine ausgebildete Kriminalkommissarin, misstraut offenbar ihrem eigenen Dienstgeber,  der eigenen Ausbildung als auch dem deutschen Rechtssystem und spielt sich zur Richterin in eigener Sache auf. Ohne auch nur im entferntesten an die Konsequenzen für die Menschen zu denken, deren Nachnamen sie öffentlich an den medialen Pranger stellte.

Es fragt sich doch, warum eine Kriminalkommissarin so verfährt. Sie hatte, wie sie schreibt, Namen und Wohnort des Beschuldigten. Was hat dagegen gesprochen, diesen Mann direkt anzuschreiben, sich das zu verbieten, auch unter Hinweis, dies sonst notfalls öffentlich zu machen oder einfacher noch: das einem Anwalt zur weiteren Behandlung zu übergeben? Stattdessen hat nun halb Deutschland den Namen, die Anschrift und sogar das Foto eines Mannes, der einer „Sexualstraftat“ bezichtigt wird und mit diesem Stempel klar kommen muss, obgleich noch nicht einmal verurteilt. Das Familienangehörige gleich mit in diesen Strudel geraten scheint Frau Friedrich wohl nicht bewusst gewesen zu sein.

Der Mob auf ihrer Facebookseite darf seit vielen Stunden ungehindert wettern, zetern und geifern. Man fühlt sich bei vielen Kommentaren an Gedankengut erinnert, welches sonst auf einschlägigen Rechts-Portalen zuhaus ist. Sie selbst mischt sich da nicht mehr ein. Sie braucht nun wieder Ruhe fürs Training. Nach erledigter Selbstjustiz heisst es nun wieder Angriff auf die Hochsprunglatte.  Der heutige Kommentar in der Frankfurter Rundschau beschreibt es treffend.

Ihre Beliebtheit als Sportlerin weicht der Skepsis an einer Frau, die ohne größere Überlegung und Recherche Menschen an den Internet-Pranger stellt und den Rechtsweg umgeht. Einen Begriff wie Unschuldsvermutung hat sie vermutlich vergessen. Aber diesen gibt es, und dass hat auch einen Sinn.

Die Tat eines sexuell fehlgesteuerten – (in diesem konkreten Fall überhaupt nicht bewiesen!)- Mannes aufzuklären und abzuhandeln obliegt nun einmal den Staatsanwaltschaften und den Gerichten. Manchmal auch den forensischen Medizinern. Es auf eigene Wild-West-Mentalität glauben erledigen zu können unter billigender Zuhilfenahme eines willfährigen Mobs, zeugt nicht von großer Kenntnis. Ariane Friedrich, die Sportlerin und die Kriminalkommissarin, hätte das wissen müssen. Aber nun schweigt sie. Sie lässt zu, dass der Name eines Mannes, von dem das Rechtssystem in Deutschland als zunächst einmal potentiell nicht schuldig spricht, solang nicht das Urteil gefällt wurde, auf lange Zeit im Internet zu finden ist. Als perverser Triebtäter, als Stalker oder auch als Pädophiler.

Frau Friedrich, bei allem Verständnis für Sie, aber damit haben Sie der Internetkultur einen schweren Schaden zugefügt. Denn Ihre „Selbsthilfeaktion“ wird nun Nachahmer finden. Die vielen Stammtisch-Kommentatoren auf Ihrer Facebook-Seite sprechen bereits eine sehr beredte Sprache. Aber nun ist sie geöffnet, die Büchse der Internet-Pandora!

*Bewusst lasse ich hier wieder entsprechende weiterführende Links mit Hinweis auf den Beschuldigten aus. 

 

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