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In the summertime … Vorsicht! Zeitumstellung

Eine kleine Bitte: passen Sie auf sich auf! Gut auf sich auf! Denn abermals kommt eine Herausforderung auf uns zu, und damit auch auf Sie, die es in sich hat. Okay: bisher haben Sie sie stets gemeistert. Aber einmal ist immer das erste Mal: „sie kann den Hormonhaushalt von Mensch und Tier durcheinanderbringen“. Das ist ein Zitat; deshalb die Anführzeichen. Also, das steht in der Zeitung, kann also etwas dran sein, möglicherweise sogar stimmen: dass sie den Hormonhaushalt von Mensch und Tier durcheinanderbringen kann. Muss nicht, aber kann – und dann?!

Die Rede ist von der Zeitumstellung, und jetzt ist es wieder so weit: In der Nacht zum Sonntag wird uns eine Stunde „gestohlen“. So steht es in der Zeitung. Jedes Jahr – so oder so ähnlich. Jedes Frühjahr, um genau zu sein. Im Herbst liest man nicht so furchtbar viel über die Zeitumstellung. Logisch: denn „gestohlen“ kann man dann ja auch schlecht schreiben. Irgendwie so etwas wie „zurückgegeben“ müsste es im Oktober heißen. Kann man aber auch schlecht schreiben, weil wenn die Stunde im Herbst „zurückgegeben“ wird, dann ist sie ja womöglich im Frühling gar nicht „gestohlen“, sondern nur geliehen worden.

Egal. Es ist auch so schon schlimm genug; d.h. nicht es, sondern sie ist schlimm. Sie, diese Umstellung. Diebstahl – also Zeitdiebstahl – oder nicht, sie kann – wie gesagt – den Hormonhaushalt von Mensch und Tier durcheinanderbringen. Keine Kleinigkeit. Besonders schlimm sollen Kühe betroffen sein, hört man. Was insofern ein wenig überraschen mag, weil Kühe sprichwörtlich keine Ahnung vom Sonntag haben sollen. Sie wissen doch: wird Ihnen in einer Diskussion vorgehalten, sie hätten vom Thema etwa so viel Ahnung wie eine Kuh vom Sonntag, handelt es sich substanziell um einen Angriff auf die intellektuelle Basis Ihrer Argumentation.

 

Damit stellt sich allerdings unvermeidlich die Frage, wie es sein kann, dass es einen breiten Konsens über die tatsächliche oder vermeintliche Ahnungslosigkeit von Kühen hinsichtlich des christlich-abendländischen Kalenders gibt, gleichzeitig jedoch denselben Wiederkäuern ein geradezu außergewöhnlich hohes Maß an (Tages-) Zeitsensibilität unterstellt wird. Kalender völlig piepe, Uhrzeit geradezu neurotisch wichtig – komische Kühe! Wenn Sie hinter dieses Geheimnis kommen wollen, bleibt Ihnen nur der Weg eines – zugegebenermaßen etwas aufwändigen – Tierexperiments.

Schritt 1: entnehmen Sie einer Kuh eine Blutprobe und messen Sie die Hormonwerte! Schritt 2: zeigen Sie der Kuh jetzt, wie Sie die Uhrzeit eine Stunde zurück- oder noch besser: vorstellen. Stellen Sie aber sicher, dass das liebe Tier auch wirklich hinsieht! Am besten ist es, Sie bringen an allen Ecken und Kanten des Stalles Uhren an! Es scheint mir nicht unbedingt erforderlich zu sein, alle Uhren haargenau gleichzeitig umzustellen. Nur keine Hektik! Stellen Sie ruhig ein Zeitmessgerät nach dem anderen um. Damit dürfte auch sichergestellt sein, dass Ihnen die Kuh genau zusieht.

Jetzt fehlt nur noch Schritt 3: entnehmen Sie der Kuh drei oder vier Tage später noch einmal eine Blutprobe und checken ihre Hormonwerte erneut! Von täglichen oder gar noch häufigeren Blutentnahmen ist abzuraten, da dies das Tier unnötig unter Stress setzen, die Hormonwerte beeinträchtigen und so das Forschungsergebnis verfälschen könnte. Schon fertig. Irgendwelche Leute müssen dies jedenfalls schon einmal – oder mehrere Male (?) – gemacht haben; denn immer wieder wird in den Medien darauf verwiesen, dass gerade Kühen dieses ständige Zeitumstellen schwer zu schaffen mache.

Es liegt auf der Hand, dass das erschütternde Resultat dieses Tierexperiments umstandslos auf den Menschen zu übertragen ist. Schließlich ist auch der Mensch – religiöse Fundamentalisten mögen mir diesen Schlenk nachsehen – ein Tier. Rein biologisch betrachtet. Ein Säugetier, genau wie die Kuh, worauf schon allein der Euter in aller Deutlichkeit hinweist. Aus Euter folgt Säuger, und umgekehrt: kein Säuger ohne Euter irgendwo. Und Säugetieren schlägt die Zeitumstellung – das ist wissenschaftlich erwiesen! – auf den Hormonhaushalt.

 

Genau dies passiert heute Nacht ein weiteres Mal. Am frühen Sonntagmorgen um zwei Uhr werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Anders ausgedrückt: uns wird wieder einmal eine Stunde gestohlen oder zumindest ungefragt weggeliehen. Uns Menschen in Europa und auch – nein, nicht anderswo, sondern – allen anderen Säugetieren. Okay, auch Insekten, Fischen, Vögeln und Reptilien – allerdings: Studien über die Zeitsensibilität dieser Tierarten stehen meines Wissens noch weitgehend aus. Interessante Forschungsgebiete für ambitionierte Zoologen.

Sicher ist jedoch, dass Menschen, Kühen und Schweinen etc. in Europa die kürzeste Nacht des Jahres bevorsteht. Und das ein paar Tage nach dem Frühlingsanfang, der Tag-Nacht-Gleiche! Das kann doch gar nicht gesund sein. Es droht ein „Mini-Jetlag mit Müdigkeit, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit“, so die Verhaltensbiologin Sylvia Kaiser von der Uni Münster. Sogar der „Hund merkt, wenn er eine Stunde früher raus muss“. Da braucht so ein Hund gar nicht erst groß auf die Uhr zu gucken. Machen die Kühe doch auch nicht; so etwas haben Tiere im Gefühl. Alles wissenschaftlich erwiesen.

 

Allein für diejenigen Zeitgenossen, die lieber Milch als Bier trinken, könnte die Umstellung auf die Sommerzeit einen marginalen gesundheitlichen Vorteil bieten. Der Umstand, dass es im Biergarten abends, wie etwas irreführend gesagt wird, eine Stunde länger hell ist, könnte die Produktion diverser körpereigener Glückshormone anregen, wenn sich der Besucher in geselliger Runde das ein oder andere Gläschen genehmigt. Aber Vorsicht! Der scheinbare gesundheitliche Nutzen besserer Hormonwerte könnte durch die proportional ansteigenden Leberwerte schnell kompensiert werden. Letztlich auch eine Frage der Zeit.

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