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Bevor der Orkus sich weit öffnet: „Gerhard was here!“

Vergils Underworld – Image via Wikipedia

Es könnten die letzten Duisburger Akzente  sein, die derzeit stattfinden. Noch bis zum 18. März. Niemand weiß, niemand kann wissen, ob im nächsten Jahr (2013) noch Gelder für das spartenübergreifende Festival bereitgestellt werden. So ließ denn auch eine der Bildenden Künstlerinnen auf der gestrigen Künstler-Party, die während der Ausstellung „Gerhard was here!“  gefeiert wurde, mit ironischem Ton verlauten: „Ich war dabei!“

Überhaupt ist Ironie zu einer der wichtigsten Kreativkräfte in Duisburg geworden. Die von der Akzente-Koordination anvisierte Egalität von sogenannter Hoch- und Szenekultur sorgte auf der Party für Grinsen und Gelächter, zumindest bei den Künstlern, die sich nicht in wichtig machender Funktion, als Kuratoren, haben einbinden lassen. Nicht wenigen gezeigten Werken sieht man an, dass es keine Materialgelder für zu erstellende Installationen gab, geschweige denn Honorare für die Auftragsarbeiten, ebenso dass die Themenbindung „Gerhard Mercator – vom Suchen und Finden“ zunächst wenig reizvoll und inspirierend gewesen sein muss.

Die Party stieg im Mercatorquartier, dessen online präsentiertes Profil- und Leitbild ein Kostümfest samt Lauten- und Flötenmusik der Renaissance erwarten lässt. Eine ehemalige Berufsschule dient als Räumlichkeit, die in zwei Trakte an verschiedenen Treppenschächten aufgeteilt ist: für Schauspiel und für Bildende Kunst. Den Bildenden Künstlern wurde die Möglichkeit offeriert, in ihrem Trakt die Klassenzimmer für Installationen und die Flurwände zu nutzen.

Sonderbar war, dass es trotz der getrennten Trakte und Sparten nur einen Eingang gab, Türen für separate Zugänge wären vorhanden gewesen. Am möglichen Kunstportal harrten Ordner, die eine Nutzung verweigerten – und sich maßlos langweilten. So war der Theatereingang zu nehmen und – nach erläuternder Information der dortigen Ordner – blauen Bodenmarkierungen zu folgen. „Suchen und finden“ erinnerte ich und fühlte mich in Kinderzeiten, in Schnitzeljagdspiele zurückversetzt. Auch für ein Pfadfinderfest war ich nicht angemessen gekleidet.

Ich folgte den gelegten Spuren bis in den lichtlosen dritten Stock. Dort hätte man sogar mittels einer Mercator-Projektion aufgeben müssen. Zum Glück begegneten mir dort zwei Menschen, von denen einer auf die Frage, wo die versteckte Kunst zu finden sei, eine Antwort geben konnte. Ich wäre auf der richtigen Etage, bräuchte bloß noch dem schmalen Flur in den Kunsttrakt zu folgen. Nun denn, dachte ich, besser kann man einen Teil der Szene kaum ins Abseits stellen.

Ja, Fantasie, ich weiß, das ist die übliche Ausrede, sobald die Umstände kindisch werden. Nutzt man sie am geeigneten Ort, begegnen einem an die Wände getackerte Sitzkissen, die mit Kartenausschnitten bedruckt sind: Eine Kritik der kleinbürgerlichen Reminiszenz an ein erkorenes städtisches Idol. Oder leere Blätter aus einem Skizzenblock, die zu Landkarten zusammengerollt und in eine hölzerne Tragevorrichtung gesteckt wurden, leere Skizzenblätter, an Wände gepappt: Herrliche Kommentare zur Ausstellungssituation!

Und die Party? Im Flur- bzw. Treppenbereich des zweiten Stocks gabs Rockgetöse und Freibier. Es war noch früh. Gäste waren kaum anwesend. Ich traf auf einen befreundeten Künstler, der nicht an der Ausstellung teilnahm. Seiner Ansicht nach müsse man für so ein Projekt etwas parat haben. Dafür extra etwas anzufertigen, lohne sich nicht. Wie würdest du hier etwas verkaufen, fragte er mich.

Ich beschloss, mir ein Freibier zu holen und noch etwas durch die Flure zu schlendern. Mir begegnete ein aus abgestorbenen Zweigen geflochtener Mercatorwald, sah einen roh aufgehauenen Wanddurchbruch, der es auch bei verschlossener Tür erlaubt hätte, zu flüchten, ein kreischend rosa Kinderzimmer, das mit anarchischen Pinselstrichen und Klecksen an Wänden, auf dem Boden und an der Decke jedes brave Pfandfindergefühl zu tilgen wusste.

Zu späterer Stunde, inzwischen war es voller geworden, kaum in den ‚Ateliers‘, nur begrenzt auf dem Partystand, vor allem im und am ehemaligen Lehrerzimmer, das die Szenekneipe Goldengrün hergerichtet und bezogen hatte, hörte ich außer dem ironischen Ausruf: „Ich war dabei!“ noch einige weitere Details.

Die Künstler könnten – nach Ansicht der Festivalleitung – doch froh sein, ihre Arbeiten überhaupt zu zeigen, was wolle man denn noch mehr? Die Frage nach Freikarten für die Theaterstücke im Quartier, der reguläre Preis betrage 8 Euro, sei zurückgewiesen worden: Immerhin gebe es, wenn man über eine Kreditkarte der Sponsoren verfüge, eine Ermäßigung. „Kreditkarte!“ tönte es im Flur sarkastisch schrill. Erst später, durch den netten Akzente-Koordinator, sei man an einige Karten herangekommen. Wo der die hat drucken lassen, wisse man allerdings nicht.

Bei genauerem Hinsehen muss man nicht an den Künstlern verzweifeln, vielmehr an der Konzeption, mit der um den schwachen Abglanz einer historischen Figur gerungen wird, um wenigstens den antreibenden Anspruch durch alle Marketing-Kanäle zu pressen, die Geltung, die Geltung Duisburgs, bevor der Orkus sich weit öffnet.

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