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Die vier Evangelisten und die laizistischen Sozialdemokraten Auf Facebook über Gott und Christopher Hitchens

Gestern hatte mich über Facebook das Posting eines laizistischen Sozialdemokraten erreicht, was sich daraus erklärt, dass unter meinen Facebookfreunden einige dieser ungläubigen Genossen vertreten sind, was sich seinerseits wiederum daraus erklärt, dass ich ihren Verein vor gut einem Jahr gegen die Parteiführung in Schutz genommen hatte. Im Oktober 2010 gingen die Laizisten an die Öffentlichkeit und bekamen vom Parteivorstand prompt den Segen vom Papst, in diesem Fall den Bescheid, dass sie nicht befugt seien, sich als Arbeitskreis innerhalb der SPD zu konstituieren.   An dieser Haltung hat sich, wie Generalsekretärin Andrea Nahles jetzt bekräftigte, im Grunde nichts geändert. Sigmar Gabriel, der Parteivorsitzende, hatte zwar der Gruppe kürzlich angeboten, sich als „Arbeitskreis der Atheisten und Freidenker in der SPD“ konstituieren zu dürfen. Laizismus, also die (Forderung nach) strikte(r) Trennung von Staat und Kirche, bleibe jedoch unter dem Banner der SPD unzulässig. Wie „vergiftet“ Gabriels Angebot war, stellte sich sogleich heraus; denn die Gruppe spaltete sich unversehens. Während die einen geneigt waren, auf Gabriels Forderung einzugehen, sahen die anderen keinen Sinn darin, sich als Atheist bekennen zu dürfen, jedoch auf ihre politischenForderungen, die stets auf die – zumindest schrittweise – Trennung von Staat und Kirche hinauslaufen, verzichten zu müssen.   Fotoquelle: http://www.laizistische-sozis.eu/   Diese ablehnende Haltung scheint sich inzwischen innerhalb dieser Gruppierung durchgesetzt zu haben. Das ist recht plausibel. Vielleicht mag es ja ganz hübsch sein, sich zu treffen und sich darüber zu freuen, dass es keinen Gott gibt und dass man ob dieser Erkenntnis jetzt derart emanzipiert so richtig frei denken kann. Aber das braucht man ja nun wirklich nicht im Rahmen einer politischen Partei zu tun! So einfach sich vor sich hin freuen, das könnte man genauso gut – ja: besser – in einer Kirche oder sagen wir eher: in einer Weltanschauungsgemeinde tun. Logisch.   Ich hatte mich im Oktober 2010 in einem Beitrag für die Parteizeitung „Vorwärts“ für die Einrichtung eines „Arbeitskreises Laizisten in der SPD“ ausgesprochen und will meine Argumente dafür hier jetzt nicht wiederholen. Allerdings ist es ganz nützlich, an dieser Stelle den letzten Satz aus dem Text zu zitieren. Ich schrieb zum Abschluss: „Und außerdem freue ich mich schon darauf, mich mit den Laizisten, Atheisten und Agnostikern auch innerparteilich fetzen zu dürfen.“ Nun gut, ich darf es nicht; in der SPD geht es nun einmal nicht hoppla hopp zu. Das macht aber – jedenfalls in diesem Fall – nichts; denn es gibt ja Facebook. Und dort hatte, wie ich eingangs erwähnte, gestern einer der führenden Sozi-Laizisten eine Textpassage von Christopher Hitchens gepostet. Und die geht so:

Gehen wir mal von folgendem Konsens aus: wir Menschen als höhere Primatenspezies existieren seit mindestens 100.000 Jahren auf diesem Planeten. (…)

Um Christ zu sein, muss man glauben, dass unsere Spezies 98.000 Jahre lang litt und starb – die meisten von ihnen starben bereits kurz nach ihrer Geburt, der Rest hatte eine Lebenserwartung von vielleicht 25, um dann an faulen Zähnen, Hunger und so weiter zu sterben – während man im Himmel 98.000 Jahre lang völlig unbeteiligt zusah.

Plötzlich, vor 2000 Jahren, dachte man da oben dann: „Okay, damit ist es genug, wir sollten irgendwie eingreifen. Und der beste Weg, das zu tun, wäre jemanden dazu zu verurteilen, als menschliches Opfer zu sterben, irgendwo in einem uninteressanten Teil des Nahen Ostens – nicht beispielsweise in China, wo die Menschen lesen können oder sich um Fragen der Evidenz sorgen könnten. Nein, lasst uns die Sache in der Wüste erledigen und uns dort offenbaren.“

Das ist Nonsens! Das kann von keinem denkenden Menschen geglaubt werden.

Christopher Hitchens

  Nonsens hin, Nonsens her: die Textpassage / das Zitat liest sich so, als seinach Christi Geburt ganz schön was passiert. Okay, dies lässt sich nicht gänzlich abstreiten; allerdings: Es wird immer noch gestorben, nicht mehr ganz so jung, jedenfalls: in den meisten Fällen nicht. Das Leben ist noch immer ein Jammertal, jedenfalls im einen oder anderen Fall. Zumal wenn man sich von klugen Menschen anhören muss, selbst zur Spezies nicht-denkender Menschen zu gehören. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Also schrieb ich einen Kommentar zu dem Hitchens-Zitat. Und das will ich Ihnen nicht vorenthalten. Hier ist es:

Bei allem Respekt gegenüber dem leider viel zu früh verstorbenen Christopher Hitchens: hier hat er geirrt. „Um Christ zu sein muss man glauben“, stellte er, „dass…“ – womit er eine bedenkliche Ähnlichkeit zu Oberklerikern an den Tag legt, die ich nicht für zufällig halte. Der Papst erklärt, was ein Christ glauben muss, und Hitchens eben auch.

Allein, dass er zu noch absurderen „Geboten“ kommt, einem Zeug, das in der Tat „von keinem denkenden Menschen geglaubt werden“ kann. Woraus nur zu schließen ist, dass Christen allesamt keine denkenden Menschen seien. Oder dass Hitchens – obgleich denkend – der Zugang zum Christentum versperrt geblieben ist.

Sein (vermeintlicher) Nicht-Glauben ist dabei so leidenschaftlich, dass auch die Gedanken getrübt scheinen. Nehmen wir die Evangelisten, die Autoren der Jesus-Berichte des Neuen Testaments. Über die zigtausende Jahre währende Existenz unserer Spezies dürften sie sich vermutlich nicht im Klaren gewesen sein. Dass sie jedoch schon einige Tausend Jahre vor ihnen begonnen hatte, wird ihnen präsent gewesen sein. Und seien es auch nur ein paar Hundert Jahre gewesen, die sie vorausgesetzt haben dürften.

Egal, das von Hitchens konstruierte „Grundproblem“ hätte sich jedenfalls auch ihnen gestellt. Ihnen war klar, dass unzählige Menschen gelebt hatten und gestorben sind, bevor sich Gott als Mensch den Menschen offenbarte. Sie selbst kamen übrigens irgendwo aus einem „uninteressanten Teil des mittleren Ostens“; die Ereignisse sind also nicht von einer höheren Macht (Gott?) eben dorthin aus taktischen Erwägungen „verlegt“ worden.

Taktischen Erwägungen geschuldet ist der Umstand, dass die vier Evangelisten (und auch die anderen, nicht in die Bibel aufgenommenen) ziemlich unterschiedliche Berichte von den Ereignissen geliefert hatten – offensichtlich bezogen auf die Bedürfnisstruktur ihrer jeweiligen Zielgruppe. So unterschiedlich diese Adressaten auch waren: ihnen war gemein, dass es lebende bzw. künftige Menschen waren. Die Verkünder der frohen Botschaft wären ja auch ziemlich blöde gewesen, hätten sie die Toten als ihre potenziellen Leser im Auge gehabt.

Punkt Eins. Punkt Zwei: Sinn und Zweck dieser – wie gesagt: recht unterschiedlich ausgestalteten – frohen Botschaften bestand nicht darin, einen erkenntnistheoretischen Beitrag zu liefern, der wissenschaftlichen Relevanzkriterien gerecht wird. Ihnen ging es darum, einen Glauben, eine Religion zu verbreiten. Heute würden wir sagen: es ging ihnen um Ideologieproduktion.

Weil die Bindung dieser – in der Tat relativ neuen – „Leitideen“ an die monotheistische Religion, also an das Judentum, historisch so notwendig war wie dessen „Überwindung“, war (und ist) der Messias notwendiger Dreh- und Angelpunkt dieser neu erwachsenen Religion. Notwendig, aber nicht hinreichend. Auf dieser Basis konnte (und musste) dieser „neue“ Glaube namens Christentum starten und seinen – relativ zügig verlaufenen – Siegeszug um die Welt antreten.

Sehen wir vom Fernen Osten ab (wo das Christentum inzwischen jedoch ebenfalls beginnt, Fuß zu fassen), trifft dieser Glaube im Grunde nur genau in dem „uninteressanten Teil“ der Welt auf schier unüberwindbare Schwierigkeiten, in dem er entstanden ist. Kurioserweise etwa genau dort ist – nur wenige Jahrhunderte später eine – noch jüngere – freilich ebenfalls monotheistische Religion entstanden, die weitaus besser auf die dortigen Verhältnisse zugeschnitten war (und ist).

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