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Rausgehen statt abwarten: Klassik und Museen für neue Zielgruppen öffnen

„Klassik interessiert an sich eigentlich nur eine kleine Mehrheit der Bevölkerung und diese schwindet, denn die Zuschauer im klassischen Hochkulturbetrieb altern viermal schneller als die normale Bevölkerung.“ Als Steven Walter, der künstlerische Leiter von PODIUM – Junges Europäisches Musikfestival Esslingen umreißt damit das Thema der Diskussionsrunde im Unperfekthaus sehr genau. Wie gelingt es den Bereich der Hochkultur für jugendliche Zuschauerschichten zu öffnen? Zusammen mit dem Direktor des Wallraf-Richartz-Museums (Köln), Andreas Blühm, wurden Lösungsansätze diskutiert.

Seitdem das Wallraf-Richartz-Museum die Texte zu den Bildern nach journalistischen Prinzipien formulierte – eine interessante Überschrift und ein Text, der eher die Geschichte des Bildes erzählt als nur reine Fakten – bleiben die Besucher länger. Für Andreas Blühm ist dies schon ein Erfolg, auch wenn er sich natürlich wünschen würde dass mehr Besucher ins Museum kommen würden. Nach dem Maßstab gefragt, nachdem ein Museum seinen Erfolg messen sollte, findet er eine sehr originelle Tatsache: „Ein Erfolg ist, wenn es ein Murmel im Haus gibt.“ Wenn also Besucher sich über die Bilder unterhalten und nicht andächtig still durch die Ausstellung gehen. Um Kinder und Jugendliche fürs Museum zu begeistern bleibt bis jetzt für Blühm erstmal der Weg über die Schulen – „mit sanftem Zwang“. Ein kostenloser Shuttleservice bringt die Schulklassen sicher ins Museum und wieder nach Hause, im Bus wird ein Krimi gezeigt in dem ein Rubens-Bild eine Rolle spielt. Einen entsprechenden Shuttleservice gibt es auch für Senioren. Daneben hat das Museum auch eine Jugendgruppe, die sich mit dem Museum beschäftigt. Geplant ist in Zukunft das Taggen der Bilder zuzuassen. Eine interessante Erfahrung war für Blühm das Event in dessem Rahmen Zuschauer der aktuellen Ausstellung, die Bilder aus dem Depot zeigte, für ihr Lieblingsbild stimmen konnten. Dieses hängt dann ein Jahr in der Daueraustellung. Ob es dann auch ein „Rausvoten“ von Bildern aus der Daueraustellung geben wird verriet Blühm nicht.

Das PODIUM-Festival Esslingen, das seit drei Jahren existiert, ist eine Organisation, die einen ganz besonderen Luxus hat: „Wir können eigentlich machen was wir wollen, weil wir autark sind.“ Was einerseits Möglichkeiten zum Ausprobieren beinhaltet, andererseits muss das Festival auch finanziert werden – eine Gradwanderung, die viele Freie Künstler machen müssen. Das PODIUM-Festival stellt dabei fest, dass um junge Zuschauer zu erreichen der klassische Vorgang eines Konzerts sich ändern muss. Das heißt nicht, dass die Form an sich vollkommen verschwindet, aber es muss ein neuer Zugang geschaffen werden. Unter anderem fehlt Jugendlichen oft der Bezug zu den Musikern, die unpersönlich, abstrakt und nicht greifbar erscheinen. Auch der Rahmen des Konzerts, der Ort an sich, ist für viele abschreckend. Daher experimentiert das PODIUM-Festival mit ungewöhnlichen und neuen Formaten. „Musiker selbst sollten eigentlich auch wieder mehr in die vermittelnde Rolle gehen“, so Lisa Unterberg, Konzertpädagogin des Festivals. „Wichtig ist auch, dass man einen Anküpfungspunkt findet. Bei den meisten Kinderkonzerten wird nur eine Geschichte erzählt und die Musik spielt so nebenbei.“ Der Blick hinter die Kulissen ist wichtig, so Unterberg. „Museen und Orchester müssen eine Relevanz für den Besucher bekommen – und wenn ich weiß, warum das Bild an diesem Ort hängt, wer das gemalt hat, warum die Beleuchtung genau so ist wie sie ist, dann interessiert es mich auch mehr.“ Die Kunst ist dabei, so Steven Walter, die Community des Festivals das ganze Jahr über bei der Stange zu halten. Hier spielen Soziale Netzwerke, Croudsourcing und auch Newsletter eine Rolle.

Angebote wie das der Kulturloge Ruhr, die Restkontingente von Kulturveranstaltungen an Bedürftige weitervermittelt – 50% der Empfänger waren laut wissenschaftlichen Studien vorher noch nie in einem Konzert – rücken dabei meistens nicht in die Blickrichtung der Kulturinstitutionen. Ebenfalls sind Zusammenarbeiten mit gewerblichen Schulen nicht die Regel. Dabei können durch das Interesse für den Kulissenbau, die Lichtgestaltung ebenfalls Zielgruppen erreicht werden die sonst nicht in die Institutionen zu bekommen wären. Auch wenn Museen mehr an das Gebäude gebunden sind – die Restauratoren würden die Hände über den Kopf zusammenschlagen würde man die Bilder an anderen Orten präsentieren, so Blühm – könnte man mit den bisherigen Mitteln der Kooperation, des Croudsourcing, der Ideenwerkstätten, die dann jenseits des normalen Betriebs ihren Platz haben müssen, auch für Museen viel erreichen. „Ich gehe aus dieser Veranstaltung sehr gestärkt hervor,“ war das Fazit von Andreas Blühm. Und das gilt wohl auch für das diskussionsfreudige Publikum.

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