Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Mainzer OB-Rücktritt wegen unbezahlter Getränkerechnung im Hotel! – Und Duisburg?

IMG_0008.jpg

Image by xtranews.de via Flickr

Rücktritt wegen unbezahlter Getränkerechnung im Hotel!

OB scheidet zum Jahresende aus dem Amt

CDU-Landesvorsitzende: 

Ansehen der Stadt und die Würde des Amtes haben Schaden genommen.  Ein Gastkommentar von Reiner Siebert

Dem geneigten Beobachter der Duisburger Provinzposse Sauerland mag diese Überschrift als absurder, ja blöder Witz vorkommen und natürlich hätte er damit genauso Recht wie die staunende Leserin, bezöge sich die Schlagzeile auf Duisburg.

Doch die Nachricht ist auch keine schlechte Satire zum Jahreswechsel, sondern echt und schon zwei Monate alt, nur stammt sie aus der Karnevalshochburg 280km rheinaufwärts von Duisburg. Dort ist tatsachlich noch vor Beginn der Session der langjährige Oberbürgermeister von Mainz, Jens Beutel, zurückgetreten, weil er während einer Afrikareise seine Getränke an der Hotelbar nicht bezahlt hatte.

"Mit Rücksicht auf seine Familie und die politische Gestaltungsfähigkeit in der Stadt sei er zum Schluss gekommen, dass ihm eine weitere Arbeit an der Spitze der Stadt nicht länger möglich sei", zitiert der SWR aus einer schriftlichen Erklärung des Ex-OB und ergänzt, Beutel sei "auch wegen anderer Affären" in der Kritik: "Als Aufsichtsratsmitglied der Überlandwerke Groß-Gerau GmbH (ÜWG) reiste er 2004 zusammen mit der Firmenspitze für vier Tage auf die italienische Insel Capri. Das Amtsgericht Mainz erließ deshalb vor etwa einem Jahr einen Strafbefehl wegen Untreue über 9600 [in Worten: Neuntausendsechshundert] Euro. Weitere Ermittlungen gegen Beutel als ehemaligen Aufsichtsratschef der in finanzielle Schieflage geratenen Mainzer Wohnbau GmbH wegen Vorteilsannahme und Untreue wurden im vergangenen Jahr eingestellt."

Der Rücktritt wird nun zum Jahresende wirksam und die Mainzer dürfen 2012 einen neuen OB wählen. Nun hätte man diese winzige Gemeinsamkeit zwischen Mainz und Duisburg getrost irgendwo auf dem Grunde der 280 Rheinkilometer zwischen den Städten versinken lassen können, hätte nicht die Landesvorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner, den Rücktritt mit einem Satz in die SWR-Mikrofone kommentiert, der, eigentlich banal, nicht aus dem Kopf gehen will: "Das Ansehen der Landeshauptstadt und die Würde des Amtes haben Schaden genommen." 

Da ist sie wieder, die Würde, derer sich so gern bedient wird, wenn es ins politische Konzept passt. Und der ganzen Heiligkeit dumpfer Schein der selbsternannten christlichen Demokraten wabert in diesem Satz über die Rheinwellen Richtung Duisburg und man wünscht sich, die Flaschenpost aus Mainz hätte in Düsseldorf einer aus dem Rhein gezogen und dem Quasi-Amtsbruder von Frau Klöckner mal vorgelesen. Denn die Erklärungen des dortigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Laumann zum Fall Sauerland wollen so gar nicht in das politische Nest passen, das rheinaufwärts die "Würde des Amtes" bemüht. Dort geht es zwar nicht um einen Parteifreund und bei politischen Gegnern holt man sicher lieber die Moralkeule raus. Auch ist Scheinheiligkeit sicher keine Erfindung der Christdemokraten, das können die Sozis auch, aber die haben immerhin das Christliche nicht als ‚Markenkern‘, wie das im neoliberalen Neudeutsch so gern heißt,  im Namen stehen. 

Aber Nomen ist eben doch nicht immer Omen, nicht mal bei den Grünen, die ja zumindest im Untertitel Basisdemokraten sein wollen und das gehört dort zum Markenkern wie bei den Roten die Solidarität. Das Basisdemokratische klappt ja auch in Stuttgart und Gorleben und anderswo, aber in Duisburg…,

naja in Duisburg ist eben doch manches anders. Bloß da kommt am Ende kein Schimanski und sagt dem Arschloch, dass er eins ist, weil er eins ist, nicht weil er zum anderen Lager gehört. Nee alles echt in Duisburg, traurige Realität. 

Da sind eben diese Duisburger Grünen, die nach monatelangen Grabenkämpfen, Schiedsgerichts- und parteiinternen Abwahlverfahren, Amtsanmaßungen und Ignorieren von Basisentscheidungen der Mitglieder bis heute nicht in der Lage sind, das Verhalten des OB Sauerland einvernehmlich zu missbilligen, von der unrühmlichen Rolle des Grünen Stadtdirektors ganz zu schweigen. Und diese Niebelungentreue kommt nicht etwa nur von Hinterbänklern, sondern  von der aktuellen und ehemaligen Fraktionsspitze.

Beim Abwahlbündnis gegen Sauerland fehlen mochten sie dennoch nicht, die Basisdemokraten. Als Vertreterin ist dann auch die vermeintlich über den Lagern stehende Ingrid Fitzek  entsandt worden, die sich auch brav mit den Worten zitieren ließ, das beschlossene Gesetz zur Abwahlmöglichkeit liege auf der Linie der Grünen für eine stärkere Bürgerbeteiligung. Donnerwetter, da haben sie sich ja mal aus dem Fenster gelehnt, die Grünen, für ein Gesetz das sie im Landtag selbst beschlossen haben. Kritik an Sauerland ist weiter Fehlanzeige, im Gegenteil: Es dürfe keine Hetzkampagne gegen den OB geben. Da ist sie wieder, die Opferrolle, in der Sauerland schon eineinhalb Jahre ausharrt und die Stadt in Geiselhaft seiner Ignoranz hält.

In der Tat war es aber schon wenige Tage nach der Loveparade der bereits erwähnte  Grüne Stadtdirektor Greulich, der (noch aus dem Urlaub in Spanien trotz reiseunfähiger Erkrankung) fortan parteiinterne und öffentliche Kritik an Sauerland und dessen Verhalten als Hetzkampagne und Hexenjagd diffamierte und zur Hetze erklärte, was immer auch gegen die vorgegebene Linie verstieß und die hieß und heißt bekanntlich: Lediglich die juristisch nachgewiesene Schuld an der Katastrophe sei ein Rücktrittsgrund. Dagegen sei jeder Appell an politische, moralische oder Amtsverantwortung und jede Kritik am Verhalten des Amtsträgers nach der Katastrophe ein persönlicher Angriff, politisch motiviert. Das hat mit politischer Kultur und Basisdemokratie nichts, aber auch gar nichts zu tun und würde so manchem Funktionär auf der vermutlich ganz anderen Seite des politischen Spektrums durchaus zur Ehre gereichen, ficht aber einen Peter Greulich nicht an, der es bis heute mit Unterstützung der Grünen geschafft hat, seine eigene Rolle und sein Fehlverhalten nach der Loveparade weithin der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entziehen und im Windschatten des angeblich getriebenen OB seinen Einfluss und seine Machtbasis zu erweitern.

Doch zurück zum gebeutelten Mainzer OB, der noch nicht mal als Getriebener gelten darf, sondern höchstselbst mit Rücksicht auf Familie und Amt aus dem selbigen getreten ist. Vielleicht hätte ihm jemand sagen sollen, dass man wegen solcher Lappalien natürlich keine andere Wahl hat als den Rücktritt. Wenn er hätte im Amt bleiben wollen, wären andere Schritte nötig gewesen: 

Er hätte beispielsweise den Mainzer Rosenmontagszug durch einen Tunnel führen lassen können und den Totgetrampelten hinterher öffentlich sagen, sie hätten besser aufpassen sollen; er hätte sagen können, er habe ja nicht unterschrieben, wo der Zug herginge; er hätte der Trauerfeier fern bleiben und im Fernsehen erklären können, eine Beileidsbekundung an die Hinterbliebenen sei nicht möglich gewesen, weil er die Adressen der Opfer nicht kenne, obwohl sie natürlich im Standesamt bekannt waren; er hätte die Rücktrittsempfehlungen der höchsten Repräsentanten des Staates und seiner Partei ignorieren und in die öffentlich-rechtlichen Kameras behaupten können, der Bundespräsident habe ihm geschrieben und den Rücken gestärkt, auch wenn das Bundespräsidialamt dies umgehend dementiert hat; der Mainzer OB hätte ferner eine halbe Million für ein Gefälligkeitsgutachten ausgeben können, das seiner Verwaltung bescheinigt, alles richtig gemacht zu haben, während die Staatsanwaltschaft zur Auffassung kommt, die Veranstaltung hätte so nicht genehmigt werden dürfen. Die Kosten des Gutachtens hätte er außerdem am Rat der Stadt vorbei in einer ungerechtfertigten Eilentscheidung in den Nothaushalt lavieren können, während ein Prozent des Betrages als Zuschuss für einen Jugendaustausch nicht finanzierbar waren.

Und wenn all das respektlose Herumtrampeln auf den Gefühlen von Opfern, Angehörigen und Bürgern nichts geholfen hätte, einen Rücktritt zu vermeiden, wäre auch eine unbezahlte Hotelrechnung viel zu billig. Stattdessen hätte der Mainzer rechtzeitig dafür gesorgt, dass sich das Aussitzen auch lohnt. Von wegen ein bisschen Strafe wegen vier Tagen Capri, die als Dienstreise abgerechnet waren. Er hätte mit seinem Parteifreund Kurt Beck ausgeküngelt, dass ein neues Landesgebäude, z.B. ein Archiv, in ein altes Lagerhaus am Hafen gebaut würde. Nach der Zustimmung von Kurt hätte ein der Stadt wohl gesonnenes Immobilienunternehmen das Grundstück gekauft, damit Kurts Liegenschaftsbetrieb es diesem für den zehnfachen Preis abkaufen muss. 

Das hätte aber vielleicht immer noch nicht gereicht und das städtische Wohnungsbauunternehmen wäre nicht einfach so in "Schieflage" geraten, wie das Mainzer. Nein, das städtische Wohnungsbauunternehmen hätte ein Jahrhundertprojekt geschultert, dessen Kosten sich vervielfachen, das als Schrotthaufen endet und mit Verträgen ausgestattet wäre, die das komplette Baurisiko bei der städtischen Gesellschaft ließe. Das wäre erst mal eine Hausnummer gewesen. 

Unnötig zu erwähnen, dass besagte Verträge von den gleichen Gutachtern verfasst worden wären, die auch das Gutachten…

Nein, das ist jetzt wirklich übertrieben. Was da wohl Frau Klöckner gesagt hätte (die wird doch nicht aus Duisburg stammen, bei dem Namen?).

Aber der arme Herr Beutel hat alles das nicht getan, er hat halt seine Getränkerechnung nicht bezahlt und Zeche prellen ist schließlich kein Kavaliersdelikt, das weiß man auch in Duisburg. Er ist eben einfach zurück getreten aus Rücksicht auf seine Familie und das Amt und daher war er auch nicht gezwungen durchzuhalten wegen der vielen Leichen im Keller. 

Ein Frohes Neues Jahr, liebe Mainzer und Duisburger, und eine gute Wahl!

Die mobile Version verlassen