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Zur Situation bei “Neuanfang für Duisburg” – Der Zweck und die Mittel

Deutsch: Adolf Sauerland, Duisburg, CDU, Oberb...

Image via Wikipedia

Nun ist es bei “Neuanfang für Duisburg” also zu offenen Konflikten gekommen, die den Berichten in der Presse zufolge soweit gingen, dass einer der drei Sprecher zurück getreten ist, andere das Treffen verlassen haben. Das gemeinsame Ziel reichte nicht mehr, um den Korken in der Flasche zu halten. Die Informationslage ist unübersichtlich, bislang gibt es keine offizielle Pressemeldung von “Neuanfang für Duisburg”. Nun rächt sich, dass Konflikte immer unter den Teppich gekehrt wurden. Wer Kritik übte, gefährdete das gemeinsame Ziel, ohne dass jemals diskutiert werden durfte, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden kann. Ein Kommentar von Dirk Weil

Seit Juni 2011 besteht nun die Möglichkeit, dass Bürger ein Abwahlverfahren für ihren Oberbürgermeister einleiten können. Ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz: angefangen von der Bezeichnung “Anschrift” statt “Straße und Hausnr.” über die nicht klar definierte rechtliche Stellung und Verantwortlichkeit der Sprecher bis hin dazu, dass die Stimmen von städtischen Mitarbeitern geprüft werden, die demjenigen weisungsgebunden sind, um dessen Abwahl es geht. Trotzdem: Es ist ein wichtiger Schritt nach vorne.

Diejenigen, die die Arbeit gemacht und stundenlang an Ständen gestanden haben, mit den Bürgern sprachen und nicht müde wurden, Unterschrift um Unterschrift zu sammeln – darunter auch viele Bürger, die gleichzeitig Mitglied einer Partei sind – berichten von den Motiven derjenigen, die sich für das Bürgerbegehren eingetragen haben.

Sie haben unterschrieben, erstens weil sie Adolf Sauerland seine Unverantwortlichkeit nicht durchgehen lassen wollten.
Zweitens weil in dem Bürgerbegehren etwas von einem anderen Politikstil erkennbar wurde. Hier konnten Bürger als Bürger plötzlich Einfluss nehmen. Endlich ging es nicht nach dem Muster: Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Was im Rat an Parteipolitik scheiterte konnte durch die Bürger durchgesetzt werden. Ich nenne das neue Politik.

Von Anfang an hätte es also um zwei Ziele gehen müssen: Erstens einen Politiker, der seiner Verantwortung in keiner Weise gerecht wird, aus dem Amt zu entfernen; zweitens den Bürgern direktdemokratische Mittel zu geben, mit denen Sie ihrem politischen Willen Ausdruck verleihen können. Das kann aber nur gelingen, wenn das Bürgerbegehren vollkommen transparent und basisdemokratisch durchgeführt wird.

Den etablierten Parteien traut eigentlich niemand mehr ernst gemeinte Bürgernähe und Demokratie zu, von Transparenz ganz zu schweigen. Die Unterschiede zwischen den Parteien erscheinen den Bürgern nur noch als marginale Differenzen, die zu Wahlkampfzwecken zu hohlen Phrasen aufgeblasen und auf Luftballons gedruckt zur Volksverdummung unter die Leute gebracht werden. Das nenne ich alte Politik.

Man kann auch mit den Mitteln der alten Politik das Ziel Rücktritt erreichen, damit wäre aber das Bürgerbegehren als *BÜRGER*begehren trotzdem gescheitert. Es kommt also darauf an, die Einflussmöglichkeiten der Bürger, wie sie im Bürgerbegehren aufblinken, möglichst zu fördern und zu erhalten.

Das zweite Ziel “mehr Demokratie” drohte allerdings schon von Beginn an unter die Räder zu kommen. Deshalb bin ich bereits am 19. Juni 2011, vor Beginn der Unterschriftensammelaktion, aus dem Leitungskreis von “Neuanfang für Duisburg” ausgeschieden.

Andere haben sich anders entschieden als ich, haben das Ziel “den OB abzuwählen” höher bewertet und dafür am Ziel “mehr direkte Demokratie” zahlreiche Einschränkungen hingenommen. Das ist ihr gutes Recht, das ich nie in Zweifel gezogen habe. Ich habe ihre Entscheidung immer akzeptiert, nie versucht Einfluss auszuüben.

“Neuanfang für Duisburg” arbeitet – in der Führung – ganz nach den Methoden der alten Politik.

Aus einem Gespräch zwischen einem Sprecher von “Neuanfang” und einem Pressevertreter im Juli 2011 konnte ich entnehmen, dass nur die drei Sprecher der Initiative wussten, wie viele Unterschriften tatsächlich gesammelt waren. Auch für die Sammler an den Ständen gab es keine Information darüber, wie erfolgreich sie insgesamt waren.

In der Presse ist zu lesen, dass auf der Sitzung am 6. Dezember 2011 darüber diskutiert wurde, “bis zu welchem Punkt Transparenz möglich und ab wann sie für eine effektive Organisation hinderlich sei” (http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/richtungsstreit-bei-neuanfang-1.2631640) Es ist eine seltsame Vorstellung von Demokratie, dass Transparenz hinderlich sein kann. Ein Bürgerbegehren gehört nicht einigen wenigen und muss zwingend in aller Öffentlichkeit durchgeführt werden, weil es alle Bürger betrifft.

Aus einem Leserkommentar geht hervor, dass das Ausscheiden von Harald Jochums als Sprecher gar nicht im Bericht über die aktuelle Situation von Theo Steegmann vorkam und erst von einem Anwesenden öffentlich gemacht wurde. (http://xtranews.de/2011/12/07/kuhls-kolumne-extra-wahrheit-statt-wirklichkeit/comment-page-1/#comment-11416) Ist auch das bereits zielgefährdende Transparenz? Jochums selber sagt, er sei nicht im Streit gegangen, sondern einfach, weil er andere Vorstellungen habe. (http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/grabenkaempfe-unter-gegnern-von-duisburgs-ob-sauerland-id6143833.html siehe Kommentar #13)

Die Frage ist nur, wovon ist Jochums zurück getreten? Die Unterschriften sind gesammelt, übergeben und gezählt. Damit ist das Bürgerbegehren beendet. Alle drei Sprecher haben also keine Funktion und keine demokratische Legitimation mehr. Ein Rücktritt ist für alle drei nicht erforderlich.

Weiter heißt es in dem Pressebericht über das Treffen von “Neuanfang”: “Einlenkend wurden einende Argumente ins Feld geführt: Alle Unterstützer der BI sollten sich auf das gemeinsame Ziel der Sauerland-Abwahl konzentrieren.”

Hier werden wieder die beiden Ziele gegeneinander ausgespielt. Das Ziel “mehr Demokratie leben” wird geopfert für das Ziel “Sauerland los werden” und dient als Disziplinierungskeule gegen alle, die Kritik üben.

Über den geplanten Abwahlkampf berichtet derwesten.de:
“Außerdem hat die Initiative die bei Kommunalwahlen Wahlberechtigten ab 16 Jahren im Blick. In dem Kreis wüssten viele gar nicht mal, wer Sauerland ist.” (http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/grabenkaempfe-unter-gegnern-von-duisburgs-ob-sauerland-id6143833.html)

Eine Aussage, die viel mehr über die eigene Überheblichkeit sagt, als über die genannte Gruppe der Jugendlichen. Denn die will man mit neuem Logo und Aufklebern zur Wahl motivieren:
“An dem Samstag will das Abwahlbündnis weitere Aktionen vorstellen und unter anderem sein Logo präsentieren, das es zum Beispiel auch als Aufkleber geben soll.” (http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/initiative-stellt-buendnis-zur-abwahl-von-ob-sauerland-vor-id6141564.html) Was kommt da noch? Tische mit Schirmen und Luftballons? Weder zur Abwahl selbst noch zur Neuwahl sollte kein üblicher Wahlkampf mit Fähnchen und Feuerzeugen über Duisburg hereinbrechen. Hier wird neu gewählt, weil es 21 Tote gab, unangemessener als mit einem traditionellen Wahlkampf kann man darauf nicht reagieren.

Statt auf Kritik mit Nachdenken zu reagieren wird an Dolchstoßlegenden gestrickt: „Noch so ein paar Treffen und Sauerland gewinnt die Wahl“, erbosten sich die verbliebenen Initiativler. (http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/grabenkaempfe-unter-gegnern-von-duisburgs-ob-sauerland-id6143833.html) Ein Mitgleid des Orga-Teams schreibt auf facebook: “da haben sich ein paar wenige leute abgespalten, die ein insgesamt komplett anderes ziel verfolgen. solche diskussionen geschehen und richten schaden an […] sinn und zweck war nur die störung der veranstaltung.”

“Neuanfang für Duisburg” steht – ausgehend von der Führung – für das, was ich oben als alte Politik bezeichnet habe. Neue Politik wird abgelehnt, wer sie einfordert, wird diszipliniert, indem ihm unterstellt wird, er gefährde das gemeinsame Ziel.

Eine Bürgerinitiative, die nicht demokratisch handelt, kann keine Demokratie herstellen. Eine Bürgerinitiative, die Kritik an ihren Methoden als Gefährdung ihrer Ziele missversteht, hat selber nichts verstanden.

Mittlerweile denke ich, dass ein Bürgerbegehren, das auch als *BÜRGER*begehren durchgeführt würde, das wichtigere Ziel gewesen wäre, als eine konkrete Person aus dem Amt zu befördern. Den Bürgern das Gefühl wiederzugeben, dass sie der Souverän sind, wäre wichtiger, als einen Amtsinhaber durch einen austauschbaren anderen zu ersetzen. Ein politisches Erdbeben wäre gewesen, wenn Bürger sich organisiert hätten, demokratisch und transparent, so wie sie es von Politkern erwarten und damit klar ist: Bürger können das! Vielleicht hat es noch nicht gereicht, vielleicht waren wir noch nicht stark genug, aber es hat sich etwas bewegt in Richtung mehr Demokratie, selbst wenn es in diesem konkreten Fall nicht genug war. Seht Euch vor, Teilhabe muss auch geübt und gelernt werden. Wir sind dabei. Wir lassen Euch Eure Ego-Touren nicht mehr durchgehen. Dieses Ergebnis hätte viel weiter getragen, hätte viel mehr bewirkt, auch wenn die Abwahl gescheitert wäre, als Adolf Sauerland in die Wüste zu schicken. Ein gutes Gefühl, selber etwas bewegen zu können, hätte bei erfolgreicher Abwahl auch über den Abwahltermin hinaus getragen. Denn mit den Unterschriften verbunden war auch immer die Frage: Wie geht es weiter? Was passiert, wenn Sauerland weg ist? Kommt dann ein anderer Sauerland, wahrscheinlich von einer anderen Partei und das bürgerferne Selbstbedienen und Kungeln geht munter weiter?

So wie sich die Dinge im Moment entwickeln, stehen die Zeichen schlecht für Bürgerbeteiligung. Die CDU wird versuchen dafür zu sorgen, dass die Abwahl zu einer Richtungswahl wird unter dem Motto: “Sauerland oder Sozialismus”, die SPD hat die Kandidatensuchmaschine bereits vor Monaten angeworfen und “Neuanfang für Duisburg” verhält sich undemokratisch und intransparent.

Das gilt es zu verhindern, die Mittel der neuen Politik müssen weiter gefördert und erhalten werden. Das wird aber nicht gelingen, wenn die Bürger im Bürgerbegehren von Leuten vertreten werden, die auf die alte Politik vertrauen. Vielmehr gilt es, Anforderungen an den zukünftigen Oberbürgermeister festzulegen. Alle Bürger müssen eingeladen werden, ihre Beteiligung fortzusetzen und an der Formulierung dieser Anforderungen mitzuwirken.

Spätestens am 13.2.2012 wird die SPD einen Kandidaten präsentieren, und zwar denjenigen, der parteiintern am stromlinienförmigsten ist. Ich habe Zweifel, dass das der beste Kandidat für Duisburg sein wird. Die Art und Weise wie die Führungsriege von “Neuanfang für Duisburg” nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit (ohne demokratischen Legitimation) ein breites Abwahlbündnis schmieden will, damit Sauerland “der Wind ins Gesicht bläst”, lässt wenig Bürgernähe erwarten. Hier wird nach dem System der alten Politik gearbeitet.

Ein freier und unabhängiger Kandidat, wie ihn sich viel vorstellen, die unterschrieben haben, ist schwer zu finden. Wer kann das machen? Und von denen, die es können, ist bereit es zu tun? Wichtiger als die Herkunft des Kandidaten ist, dass die Bürger definieren können, was der Kandidat für ihre Stadt zu leisten hat.

Schon an der Auswahl des Kandidaten müssen die Bürger beteiligt werden. Es können Bürgerversammlungen stattfinden, auf denen die Kandidaten – warum nicht mehrere von einer Partei? – sich den Bürgern mit ihren Einstellungen und Vorstellungen präsentieren können. Am Ende dieser Veranstaltungen können Abstimmungen (= Vorwahlen) stattfinden.

Dies lehnt “Neuanfang für Duisburg” aber kategorisch ab. (http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sauerland-gegner-bereiten-mit-parteien-abwahlkampf-vor-id6053183.html)
Damit ist “Neuanfang” nicht mehr der Sachwalter der Bürgerinteressen (neue Politik) sondern befindet sich auf einer Linie mit den etablierten Parteien (alte Politik).

Wenn das erste Ziel “Sauerland abwählen” nun aber scheitern sollte, weil das zweite Ziel “mehr demokratische Einflussmöglichkeiten für die Bürger” missachtet wurde, weil die Bürger trotz Unterschrift die Hoffnung auf Veränderung verloren haben, wird darüber noch mit den Verantwortlichen von “Neuanfang für Duisburg” zu reden sein. Allerneuesten Entwicklungen nach dürfte Adolf Sauerland aber der beste Abwahlhelfer sein, der sich finden lässt.(http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/adolf-sauerland-steht-unter-korruptionsverdacht-id6145091.html)

Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Um eins ganz klarzustellen:

Demokratie lebt von den Bürgern, die mitmachen. Fordern Sie Transparenz und Mitbestimmung, wo immer sie verwehrt werden.

Ich rufe alle Duisburger Bürger auf, nicht der CDU zu folgen und sich am 12. Februar 2012 auf ihr Wahlrecht zu verzichten. Gehen Sie wählen!

Ich rufe alle Duisburger Bürger auf: Lassen Sie sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen. Zeigen Sie Politikern, die sich vor Ihrer Verantwortung drücken, die rote Karte.

Unterstützen Sie die Abwahl von Adolf Sauerland als Oberbürgermeister! Es ist ein Anfang!

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