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stART11 Tag Zwei: Zwischen Kunstform und Praxisbezug

Was eine gute transmediale Geschichte ausmacht? Wer beim zweiten Tag der stART11 Patrick Breitenbach zuhörte, bekam dieses Wissen vermittelt. Schlagworte wie Charisma, Musterbruch und das Herstellen von Netzwerken spielten dabei eine Rolle. Währenddessen beschäftigte man sich im Calvinistenhaus nach dem Einführungsvortrag von Christof Breidenich zur Entwicklung des nonlinearen Erzählens im Web mit der Frage, wie man für sich als Kulturinstitut die neuen Techniken nutzen kann. Abschließend dann wagte die stART11 die Frage: Ist Social Media tot?

„Bei einer echten Interaktion ist Kontrolle eine Illusion“, so Alexander Maximilian Otto Seranos, der Alternate Reality Games entwickelt. Und der ebenso feststellte, dass wir heute vierte Wand zwischen Fiktion und Realität schon längst durchbrochen haben. So wenn William Gibson seine Protagonistin aus „Pattern Recognition“ eine Jacke einer bestimmten Firma tragen lässt, diese Firma dann aber wiederum eine eigene Designreihe entwickelt weil sie im Roman erwähnt wurde. Ebenso wie es dann Modekollektionen zu diesem fiktivem Charakter in der realen Welt gibt. Seranos erzählte amüsant die Geschichte des Genres und erklärte den Reiz am transmedialen Erzählen auch damit, dass die Leute einfach zu schlau für die Werbung geworden sind. Dabei ist das ARG-Genre die Königsdisziplin des Transmedia Storytellings, das mit Live-Events arbeitet, mit Webseiten im Internet, mit Telefonanrufen – eigentlich mit jedem Kanal. Dabei sollte man auch Spielraum für Entwicklungen und Anregungen durch die Fans lassen. Interessant dabei: Das ARG endet immer im realen Raum und die Suche nach den Influentials ist Handarbeit.

Christian Henner-Fehr lieferte in seinem Vortrag theoretische Grundlagen zu Erklärung der Social-Media-Evolution. Oder Revolution? Beides. Anhand von Graves Levelmodell, die der Maslowschen Bedürfnispyramide zumindest ähnelt, erläuterte er die Entwicklung von Unternehmen. Von Einzelkämpfern über Netzwerken bis zu Think Tanks. Dabei können die einzelnen Level ähnlich wie bei Maslows Pyramide nicht komplett übersprungen werden sondern werden nach und nach erklommen – es gibt aber ein freies Spiel nach unten. Ein Unternehmen, das eher auf Netzwerkstrukturen baut wird sich bei Entlassungen auf einem unterem Level befinden, beim Recht des Stärkeren nämlich. Zum Enterprise 2.0 allerdings kann man nur werden, man kann es nicht einführen. Hier sieht Henner-Fehr auch eine Wechselwirkung zwischen dem Einsatz von Social Media und dem Unternehmen: Ein Tool kann die Unternehmensphilosophie ändern ebenso wie auch umgekehrt ein Wechsel im Personal des Unternehmens den Einsatz von Tools ermöglicht. „Der Kunst- und Kulturbereich sollte sich mehr zutrauen“, so Henner-Fehr, denn den Content für gute Geschichten haben diese schon.

„Bei Disney weiß man, was man kriegt“, so Patrick Breitenbach, der eine Art Leitfaden für das Erstellen einer guten Transmedia Story lieferte. Viele Videos und Beispiele machten seine Punkte deutlich. Charisma gehört zur Geschichte dazu, die Glaubhaftigkeit des Erzählers also, der Musterbruch – Chilly Gonzales Konzert mit dem RSO diente hier als Beispiel. Mashups. Wie bei jedem Vortrag wurde die Wichtigkeit der Fans betont, ebenso auch dass Transmedia Storytelling nun keine neuartige Erfindung sei. Das Christentum dafür als Beispiel anzuführen war etwas ungewöhnlich, passte aber dann doch. Im weiteren Verlauf des Vortrags wurde für die Fanpflege als Vorbild Lady Gaga genannt, die es versteht den Fans das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem größerem Ganzen, einem Erlebnis, zu vermitteln. Sein Vortragsende, die Worte „Gehet hin und werdet großartig“, wird man bestimmt auf dem ein oder anderem T-Shirt demnächst wiedersehen. Wobei ja auch T-Shirts transmediale Erzählmittel sein können.

In der Abschlussdiskussion mit Frank Tentler, Christian Henner-Fehr, Alexander Maximilian Otto Seramos, Patrick Breitenbach sowie Professor Axel Vogelsang wurde die Frage: „Ist Social Media tot“ lebhaft beantwortet. Professor Axel Vogelsang führte ins Feld, dass Künstler ein sehr romantisierendes Bild von der Kunst haben, das beinhaltet dass der Künstler doch bitte alles alleine von sich aus machen sollte. Alexander Maximilian Otto Serano fügte hinzu, dass eine Romantisierung immer dann stattfindet, wenn ein neues Medium allmählich zum Mainstream wird. Heutzutage sei Social Media selbstverständlich, so Serano: „Social Media wird einfach genutzt. Ich setzte mich früher ja auch nicht mit meiner Fernbedienung auseinander.“  Wo ist dann aber Transmedia Storytelling zu sehen? Transmedia Storytelling setzt seiner Meinung nach auf die Infrastruktur von Social Media auf. Patrick Breitenbach ergänzte: „Erschafft erst die spannenden Geschichten, dann kümmert euch um die Tools.“ Und wie schafft man es die Menschen in die Thematik einzuführen, die Hemmschwellen zu überwinden? „Ermöglicht den Leuten den Spieltrieb auszuleben,“ empfahl Frank Tentler. „Das beginnt schon damit, dass man WLAN in den Einrichtungen einführt.“ Die Leute fragen was sie wollen ist ein Weg, der andere wäre der, wie Steve Jobs einfach einer Vision zu folgen. Wenn man aber keine Vision habe, dann bleibe einem nichts anderes übrig als die Leute zu befragen, so Christian Henner-Fehr. Keiner der beiden Wege sei aber eigentlich gut oder schlecht. Transmedia Storytelling ist vielleicht als Kunstform an sich zu begreifen, so Olaf Reifegerste, der damit das Schlusswort sprach.

Ob die Teilnehmer der letzten Jahre die Mercatorhalle vermisst haben darf bezweifelt werden. Der Transfer nach Ruhrort, das Zusammenspiel zwischen der ehrwürdigen Calvinistenkirche und den Glasfassaden der Haniel Akademie hat funktioniert. Auch nach dem zweiten Tag ist die Frage, warum die stART11 im Gegensatz zu anderen Konferenzen so gut funkioniert wohl nicht beantwortbar. Aber man kann es nur unterstreichen: Duisburg-Ruhrort war eine gute Wahl für eine hochspannende Konferenz.

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