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stART11 Tag Eins: Von Identitäten, Realitäten und Netzwerken

Was ist eigentlich das Geheimnis der stART-Conference, die zum dritten Mal Kreative aus allen Sparten nach Duisburg zusammenführt, was ist das, was diese Konferenz so angenehm macht, dass sie sich von anderen Veranstaltungen abhebt? Vor allem: Hat die stART-Conference den Wechsel von der Mercatorhalle nach Ruhrort verkraftet? Statt nur einem zentralen Ort sind es in diesem Jahr zwei, die von den Vortragenden bespielt werden. Die Antwort auf die letzte Frage kann man zumindest jetzt schon geben: Der Transfer ist geglückt.

Hört man sich bisher unter den Teilnehmern der stART11 um, so hat die ehemalige Calvinistenkirche zweifellos den Status des coolsten Veranstaltungsortes des Jahres zu werden. Das liegt einerseits an der äußeren Architektur des Gebäudes, andererseits an dem Zusammenspiel von Kunstausstellung – „Hold the Line“ von Becker Schmitz – in Verbindung mit einer Weidenlounge und den Veranstaltungsräumen. Als am Abend das Epikur Theater im „Dom“ auftritt, würde man gerne mehr für den ehemaligen Gottesdienstraum fordern: Mehr Theater, mehr Kunst. Die Akustik jedenfalls trägt bei einem solch intimen Stück, wie das Epikur Theater es aufführt – ein Monolog eines egozentrischen, eitlen Stückeschreibers und Schauspielers, der gerade in der „tiefsten Provinz“ Tournee-Station macht – sehr weit. Man sollte sich diesen Raum für Aufführungen merken, sofern sie nicht unbedingt einen Riesenapparat benötigen.

Auch in der Haniel Akademie fühlt man sich wohl – wenngleich der Raum doch eher mehr normalen Konferenzcharakter versprüht und nicht ganz so sexy ist wie die Calvinistenkirche. Dennoch: Hell und freundlich durch die Glasfront. Der Vormittag des ersten Tages fand mit den Eröffnungsvorträgen von Marcus Brown und Frank Tentler auch hier statt – nach der Mittagspause teilte sich das Programm dann. Wie immer stellte sich dann die Frage: Wohin soll man gehen? Zum Social Media Battle von Christoph Deeg, deren Teilnehmer offenbar viel Spaß hatten? Zum ARG selbst und der anschließenden Auswertung wie man so etwas macht? NLP oder Museum2.0? Es ist natürlich wie immer bei Konferenzen: Man kann sich nicht zweiteilen.

Mitbekommen haben sollte man auf jeden Fall den Vortrag von Marcus Brown, der über das Streamtelling berichtete – und sich humorvoll als eigentlicher Verursacher der Occupy Bewegung outete und später als „Transmedia Story Betrüger“ verhaftet werden wird. Der Vortrag wurde aus der Warte des Jahres 2020 gehalten – man darf also gespannt darauf sein ob Marcus Brown mit seiner Verhaftung rechnen darf. Das Erfinden von verschiedenen Identitäten stand bei seinem Vortrag im Mittelpunkt, teils per Hand – wie bei der Kunstfigur Jack The Twitter – teils durch das Einsetzen von Automatismen – wie bei GooglePlus. Vor allem eines sollten künstliche Charaktere tun: Sich so bewegen und verhalten wie reale, in das Geschehen eingreifen und dabei wird auch eine Menge Improvisation von Nöten sein. Verbündete und Gegner sind ebenfalls wichtig um einen fiktiven Charakter lebendig erscheinen zu lassen. Und was ist Streamtelling nun eigentlich? Sich in verschiedenen „Netzwerkströmen“ aufzuhalten, ein wenig mit diesem Strom zu schwimmen und dann aber auch wieder aus dem Strom heraus – vielleicht der Twittertimeline – Anregungen zum Reagieren zu bekommen.

„Man bat mich das Wort mit M nicht zu verwenden, aber ich tue es mal trotzdem“, so Myriam Vittinghoff, die in ihrem Vortrag auf die Grundlagen des Neuro Linguistischen Programmierens einging. Das böse Wort mit M: Manipulation – was beim NLP allerdings wertfrei verstanden werden sollte. „Dass NLP ist leider in den 80-gern und 90-gern in einen schlechten Ruf bekommen, weil die ganzen Techniken von Verkäufern genutzt wurden um Leuten Waren anzudrehen,“ so Vittinghoff. Dabei sind die Praktiken des NLP – Rapport und Spiegeln etwa – genauso gut oder schlecht anwendbar wie ein Messer. Damit kann man Brötchen schmieren oder es anderen Leuten in die Kehle rammen. Dass NLP aber mehr ist als nur der Wille irgendwas, irgendwen zu verkaufen konnte man im Vortrag dann erfahren. Vor allem auch: Geschichten werden auch in der Therapie vielfältig eingesetzt. Wer Geschichten entwickeln möchte, hat beim NLP die nötigen Werkzeuge dafür. Respekt und Anerkennung sind dabei erstmal der Grundstein, um überhaupt jemanden zu erreichen. Wenn sich zudem jemand genug Sympathie erworben hat, muss dieser sich kräftig anstrengen um diese Sympathie loszuwerden. Und: Künstliche Verknappung funktioniert, weil wir in der Regel noch immer Jäger und Sammler sind. Vielleicht sollte man sich doch mehr um NLP kümmern, wenn man Geschichten erfindet und weiterspinnt.

Das Netzwerken funktioniert übrigens auf der stART11 erstaunlich gut – manchmal so gut, dass man geneigt ist einige Vorträge einfach mal zu überspringen um stattdessen mit dem Gegenüber auf eine Tasse Kaffee zu verweilen. Vielleicht ist das ein Teil des Geheimnisses der stART11 – dass unkomplizierte Austauschen von Fachwissen, dass interessierte Verweilen beim Gegenüber. Während das bei anderen Konferenzen durchaus etwas steif und förmlich werden kann, schafft die stART11 es irgendwie gerade diesen Netzwerk-Faktor so angenehm wie möglich zu gestalten. Wie um alles in der Welt aber das Team das gelingt, das ist wohl eine Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Mag sein, dass es am Herzblut liegt, an dem Enthusiasmus der Helfer – die sich in diesem Jahr bei Facebook organisiert haben um Dinge voranzubewegen.

Transmediales Erzählen ist, lernt man, das Erzählen mit mehreren Ebenen. Ob es nun technische Tools sind – wie sie das Pergamon Museum demnächst gerne einführen möchte, mehrere Storylines sollen dann dem Besucher jeweils eine eigene spezifische Erfahrbarkeit des Museums gewährleisten können. Momentan hat man die Stufe der Retextualisierung erreicht: Per Code können Besucher mit einem Smartphone die aktuellen Exponate der Pergamon-Ausstellung im 360Grad-Panometer von Asisis direkt verorten. So kann eine einzelne Statue aus dem Museum genau auf dem Bild gefunden werden – auch wenn sie nur ein Detail ist. Von hier aus ausgehend wird aber, so Martin Adam von mCRUMB, im September 2012 nach und nach ein Gesamtkonzept erarbeitet. Eine spezielle Applikation, die auf Tablet-PCs laufen wird, ist schon programmiert und wird getestet. In Zukunft also könnte man als Besucher sogar die Statuen mit Punkten bewerten und sich dann seine Route für eine halbe Stunde nach den bestbewertetsten Exponaten zusammenstellen.

Das ist noch Zukunftsmusik, aber die stART11 zeigt am ersten Tag, dass Transmedia Storytelling für Kulturbetriebe eine Möglichkeit ist, den Kunden, den Besucher, den Menschen zu fesseln, zu unterhalten, zu gewinnen. Der morgige zweite Tag wird dann unter anderem die Frage erörtern, ob Social Media tot ist, noch mal die Möglichkeit bieten am Social Media Battle teilzunehmen oder zu überlegen, ob man tatsächlich nur mit Demut in diesem Medium weiterkommt. Schon jetzt aber ist klar: Die stART11 ist dort angekommen, wo sie hingehört. Im Kreativquartier Ruhrort.

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