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Neues vom Niederrhein: Eine Facebook-Gruppe im Nationalen Widerstand

Image via CrunchBase

Der rechte Arm in der Kette, in der Hand die Flagge des Deutschen Reichs, daneben in altdeutschen Lettern: „Nationaler Widerstand!“ Mit Ausrufezeichen. Einem Ausrufezeichen. Das ist das Logo bzw. Porträtbild einer Facebook-Gruppe mit dem programmatischen Namen: „Es gibt keinen Rechten Terror, wir nennen es Widerstand!!!“ Drei Ausrufezeichen. Vielleicht hätte man vor einer Woche noch über den martialischen Namen dieser Facebook-Gruppe geschmunzelt; heute ist einem nicht mehr so recht nach Schmunzeln zumute, weil man inzwischen weiß, dass es ihn sehr wohl gibt, den rechten Terror. Das wissen freilich auch die bis zur Stunde 40 Mitglieder dieses Netzwerks im sozialen Netzwerk; sie nennen den Terror nur eben nicht Terror, sondern „Widerstand“.

Was ich nicht weiß, ist, ob es diese Gruppe schon vor einer Woche auf Facebook gegeben hatte. Ich glaube es eher nicht; denn wer sprach vor einer Woche vom „rechten Terror“?! Wie auch immer: jede Gruppe braucht einen Gruppenführer. Bei Facebook heißen die Führer – so ist das halt in so einem Ami-Unternehmen – Administrator. Und bei der Gruppe „Es gibt keinen Rechten Terror, wir nennen es Widerstand!!!“ ist das der Michael. Sein Facebook-Name lautet „Michael Wieder Da“. Michael wird wohl eine Weile weg gewesen sein. Keine Ahnung, wo er war und was er gemacht hatte – egal: Hauptsache er ist „wieder da“. Michael ist Taxifahrer bei Taxi Matzerath, schon seit Juli 2011. Das Taxi Team Matzerath sitzt in Jülich auf der Teichstraße 17. Wenn Sie also mal in Jülich oder Umgebung ein Taxi brauchen, fragen Sie einfach, ob Michael Dienst hat.

Auf Michaels Facebook-Seite können Sie sich schon mal ein Bild von ihm machen. Ein kräftiger Bursche so um die 40. Er schreibt, er sei 1986 mit der Schule fertig gewesen. Es ist aber eine recht merkwürdige Schule. Egal. Dafür hat er einen klasse Rottweiler – auf seinem Profilbild. Und keine Haare auf dem Kopf. Vermutlich nie. Michael legt viel Wert auf Familie: seine Eltern und seine Kinder „inspirieren“ ihn, gibt er auf Facebook an. Okay, diese Formulierung haben die Knechte dieses Zuckerbergs vorgegeben. Auch egal; jedenfalls bedeutet ihm Familie viel. Und natürlich auch Kunst und Kultur, z.B. Musik und Film. Richard Wagner ist sein Lieblingskomponist und bei den Filmen findet er die von der Leni Riefenstahl am besten.

Facebook-Nutzer wissen, dass man da auch seine Lieblingszitate angeben kann. Der Michael, der wieder da ist, hat sich derer vier ausgesucht. Er beginnt mit: „Ein Volk, was nichts auf die Reinheit seiner Rasse hält, geht zugrunde.“ Das stammt vom Julius Streicher. Das war der Eigentümer und Herausgeber der 1923 gegründeten Wochenzeitung „Der Stürmer“. Von Richard Wagner, dem Komponisten, stammt Zitat Nummer Zwei: „Der J… ist der plastische Dämon des Verfalls der Menschheit.“ Die anderen beiden Zitate stammen von einem gewissen „A.H.“: „Deutsches Volk, gib uns vier Jahre Zeit, dann urteile und richte über uns!“ Blöd natürlich, dass der Michael nicht dabei geschrieben hat, wer nun dieser „A.H.“ sein soll. Und ich wüsste auch nur zu gern, wen er mit „der J…“ meint. Das vierte Zitat, auch von „A.H.“ lautet nämlich: „Indem ich mich des J… erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn!“

Aber von dieser A.H.- und dieser J…-Schwäche einmal abgesehen, und auch davon, dass ich diese vier Zitate erheblich orthografisch nachbehandeln musste, hat der Michael diese vier Sinnsprüche ja sehr schön ausgesucht. Das ist schon ein Pfundskerl, der Michael. Bestimmt hat deswegen auch seine Facebook-Gruppe schon jetzt 40 Mitglieder. Tolle Leute dabei: die „Susi Mausi“ richtig süß. Oder die „Lunigirl Zueck“ für diejenigen, die mehr so auf härtere Weiber stehen. Starke Typen: „Kresse Ist Zurück“ und vom Typ her so einer von der Sorte wie „Michael Wieder da“. Und auch Gruppen: die „Kategorie C Bremen“ beispielsweise, oder die „NPD Krefeld“. Na prima, Krefeld. Sozusagen bei mir direkt vor der Haustüre. Und dieser NPD-Kreisverband ist auch Mitglied bei „Es gibt keinen Rechten Terror, wir nennen es Widerstand!!!“

Eigentlich will die NPD weder etwas mit dem „nationalen Widerstand“ noch mit dem „nationalsozialistischen Widerstand“ zu tun haben, schon gar nicht mit dem „im Untergrund“. Uneigentlich hatte allerdings ein NPD-Politiker aus Zwickau auf Facebook als Profilbild genau den Paul Panther verwendet, den auch die Zwickauer Terrorzelle als Logo benutzte. Das sei allerdings „purer Zufall“ gewesen, sagt Peter Klose aus Zwickau, der von 2006 bis 2009 für die NPD im sächsischen Landtag saß. 19.468 rechte Straftaten gab es 2009, darunter 959 Gewalttaten, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, „der zweithöchste Wert seit 2001“. Und dies sei, so der Minister seinerzeit, „alles andere als erfreulich“. Die Zeit kommentierte: „Doch wenn die Behörden reihenweise selbst schlimmste Taten wie Mord und Totschlag nicht richtig einordnen, wie verlässlich sind dann erst die Statistiken über weniger schwere Delikte?“

Die „Dönermorde“, wie die Taten der NSU immer noch genannt werden, wird de Maizière ebenso in seine Statistik aufnehmen müssen wie die vielen anderen Morde, die schlicht nicht als „rechte Gewalttaten“ erfasst werden. Vor gut einem Jahr, zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung, zog die Zeit eine „furchtbare Bilanz“: 137 Schicksale, 137 Menschen, die „starben, weil sie anders waren“. Eine Wanderausstellung kommt auf 156 Menschen, die seit der Wiedervereinigung Opfer rechter Gewaltwurden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag, dessen Name auf der Liste des Zwickauer Nazi-Trios stand, sprach gestern Abend bei Beckmann von „mindestens 180“ von Rechtsextremisten im besagten Zeitraum Getöteten. Die neun Toten beim Wohnhausbrand in Ludwigshafen hat er dabei gar nicht mitgezählt.

„Es gibt keinen Rechten Terror, wir nennen es Widerstand!!!“ Die Leute, die sich unter dieser Parole sammeln, machen es nicht heimlich. Sie tun es bei Facebook. Sie zeigen sich mit Namen und Gesicht, meistens. Mal nur mit Namen, mal nur mit Gesicht, aber immer ohne weiteres identifizierbar. Jetzt nur einmal so angenommen, die Toten des „nationalen / nationalsozia-listischen Widerstands“ wären keine Türken oder Türkeistämmigen, sondern deutsche Wirtschaftsmanager und Politiker – das hatten wir ja schon mal, wenn auch bei weitem nicht in diesem Ausmaß – oder deutsche Reihenhausmütter und stellvertretende Abteilungsleiter, würde dieses Terror-Umfeld sich dann auch so verdammt sicher fühlen?! Würden sie dann auch Rockkonzerte mit Liedern und Spendensammlungen für die Mörder veranstalten?!

Ja sicher: rhetorische Fragen. Klar. Was passiert, wenn die Bosse abgeknallt werden, ist seit 1977 bekannt. Was passieren würde, wenn Lieschen Müller oder Jan Daddel dran glauben müssten, möchte man sich nicht ausmalen. Die Opfer sind aber „nur“ Türken bzw. in den anderen Fällen Asylbewerber, Obdachlose und andere „Volksschädlinge“, wie sie im Nazijargon seit eh und je liebevoll genannt werden. „Alles andere als erfreulich“, wie der Bundesinnenminister sagt. Natürlich. Aber wahrlich kein Grund zur Panik. Wenn man nicht gerade Türke oder Asylbewerber oder Obdachloser oder sowas ist. Aber wer ist das schon?! Wir sind es jedenfalls nicht. Wir sind normal. Wir sind das Volk. Um ganz genau zu sein: wir sind das deutsche Volk. Wir sind zu etwa 40 % mit einem rechtsradikalen Weltbild versehen, zu 5 bis 10 % mit einem geschlossen nationalsozia-listischen Weltbild.

Und warum finden Sie auch dies „alles andere als erfreulich“? Weil es so ist, oder weil es Leute gibt, „Wissenschaftler“, die es so bewerten? Die Verfassungsschutzämter sind von Kopf bis Fuß von Nazis durchsetzt. Sind Sie überrascht? Finden Sie dies etwa auch „alles andere als erfreulich“? Weil es so ist, oder weil es rausgekommen ist? Na egal, die ganze Geschichte ist „alles andere als erfreulich“. Schon wahr. Deshalb wird ja darüber auch so ausführlich berichtet. Nicht so ausführlich, wie wenn wirklich etwas Schlimmes passiert wäre. Aber ausführlich. Dennoch lässt sich das deutsche Volk nicht aus der Ruhe bringen. Keine Panik in deutschen Wohnzimmern, kein Gesprächsthema in der Kantine – es ist furchtbar, aber es geht.

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