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Kabinengespräche beim FCR 2001 Duisburg: Stefanie Weichelt

In einer Serie von Interviews wollen wir die Spielerinnen des FCR 2001 Duisburg der Reihe nach vorstellen. Den Anfang macht die erfolgreiche Stürmerin Stefanie Weichelt.

Stefanie Weichelt hat eine beachtliche Profi-Karriere in ihrer Vita aufzuweisen. Die Stürmerin begann bei der SG Marnitz-Suckow zu kicken, von wo aus sie später zum SG Grün-Weiß Mestlin wechselte. Von dort aus ging ihre Reise weiter Richtung Westen. Im Jahr 2000 zog es sie zum 1. FFC Turbine Potsdam, bevor sie 2002 zum 1. FFC Frankfurt wechselte und dort ihre erfolgreichste Zeit bis 2005 hatte. Mit dem Verein wurde sie zweimal Deutsche Meisterin. 2002 wurde sie mit der U-!9 Nationalmannschaft Europameisterin. Im Jahr 2005 nahm der SGS Essen-Schönebeck die heute 28-jährige unter Vertrag. Doch seit dem Sommer 2010 steht sie im Dienste der Löwinnen.

Wie bist zu zum Fußball gekommen und in welchem Alter hast du mit dem Sport angefangen?

Stefanie Weichelt: „Ich war circa 4 Jahre alt, als ich anfing, Fußball zu spielen. Man muss dabei sagen, ich komm aus einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatten wir nichts anderes außer Wiesen und Felder und Fußball. Das war das Einzige, was wir an Sport in der Freizeit machen konnten. Ich habe direkt mit vier Jahren bei den Bambinis mit den Jungs angefangen. Ich habe schon immer mit den Jungs gespielt und dann ging es immer weiter. Dann bin ich irgendwann nach Potsdam, Frankfurt und Essen gegangen und jetzt bin ich in Duisburg. Früher war es egal, ob man Mädchen war. Wenn einer gut war, dann war er dabei. „Hey, die Kleine ist gut, die nehmen wir“ – hieß es da.

Und ich glaube, dass es ein großer Vorteil ist, wenn man anfängt, mit und gegen Jungs Fußball zu spielen. Man merkt es vielen Spielerinnen an, wenn sie mit Jungs groß geworden sind oder sich auch mit diesen auf dem Platz gekloppt haben. Die Frauen gehen dann ganz anders im Fußball ran. Man sagt ja, Jungs haben nicht immer den besten Einfluss, aber, was jetzt prinzipiell Fußball angeht, tut es gut und es ist ein ganz anderer Zweikampf auf dem Platz. Es ist auch wichtig für junge Mädels, das sie dies direkt lernen. Ich glaube, wenn man erst zehn Jahre quasi „Ballett-Fußball“ gespielt hat, ist es schwer, sich diesem hinterher abzulegen.

Es ist nun mal ein großer Vorteil vorher gegen Jungs anzutreten. Es haben viele, die auf dem heutigen Niveau Profi-Fußball spielen gegen die Jungs angefangen. Das merkt man auch. Wir brauchen uns ja nur „Poppi“ anzusehen. Man kann nur erfolgreich sein, wenn man über den Kampf kommt. Das habe ich schnell für mich verinnerlicht. Denn schön spielen können viele.“

Wie finanzierst du dein Leben? Welche Ausbildung hast du, bzw. welchen Beruf übst du zeitgleich, neben deinem Profi-Fußball noch aus?

Stefanie Weichelt: „Ich selbst habe eine Ausbildung zur Reiseverkehrsfrau abgeschlossen. Ich war auch lange noch in dem Beruf tätig, doch es ging dann nachher nicht mehr. Die Dienstleistungen sind sehr schwierig mit dem Fußball zu kombinieren. Ich arbeite noch nebenbei auf 400-Euro-Basis in der Richtung meines derzeitigen Studiums. Ich studiere PR-Marketing. Und so, wie ich weiß, macht das jeder. Viele studieren oder gehen komplett nebenher einem Beruf nach. Es ist nicht einfach, den Fußball und den Job unter einen Hut zu bekommen.

Der Arbeitgeber muss sich schon mit den Fußballzeiten abfinden. Er muss schon sagen: „Okay, kann schon mal passieren.“ Sonst ist es nicht einfach. Ich habe, was das angeht, schon viele negative Erlebnisse gehabt, in denen alles vorher abgesprochen war und es trotzdem Ärger gab. Das alles zu kombinieren ist immer eine sehr anstrengende Sache. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Wenn man dann nur noch Stress hat, dann hat man immer ein schlechtes Gewissen dem einen und den anderen gegenüber. Das ist dann natürlich noch belastender. Von daher ist es halt nicht immer einfach, aber die meisten gehen schon arbeiten. Es wäre schon schön mit allen zusammen zweimal am Tag trainieren zu können, aber die Gegebenheiten lassen dies nicht zu. Da sind wir leider alle noch nicht angekommen. Das ist nun mal auch ein Punkt, den man so sehen muss und daran auch arbeiten muss. Meiner Meinung nach muss man das Gesamte sehen und nicht nur die Nationalspielerinnen. Man muss professioneller im Gesamten werden.

Einige von uns gehen halbtags arbeiten, haben nur unsere ausländischen Kolleginnen und unsere Nationalspielerinnen, die regelmäßig beim Training dabei sind. Man muss es halt so hinnehmen, wie es kommt. So ist es leider Gottes heute noch so.“

In wieweit schränkt dich der Profi-Fußball in deinem Privatleben ein?

Stefanie Weichelt: „Es wirkt sich auf eine ganze Menge aus. Aber ich glaube, dass man es nicht immer so wahrnimmt. Freunde und Familie haben mich nicht anders kennengelernt. Da ich ja auch viel herumgekommen bin, hat man immer wieder neue Leute kennengelernt. Sie haben mich so kennengelernt und kennen mich nicht anders. Sie haben damit gelernt, um zu gehen und meine Familie lebt eh nicht hier. Ich bin hier komplett auf mich alleine gestellt. Schon seit ewigen Jahren. Das merkt man in gewissen Dingen schon. Man muss auf vieles verzichten und viele Freunde müssen Rücksicht nehmen, müssen Geburtstagspartys verschieben von Samstag auf Freitag, um auch mal ein Bierchen trinken zu können. Man muss sich mal überlegen: Das sind Geschichten, die dann auch gemacht werden, aber nicht selbstverständlich sind. Man kann froh sein, dass man solche Freunde dann auch hat. Es ist aber nicht immer so.

Oft ist es auch so, dass man mal Lust auf einen Döner hat. Es ist jetzt nicht so, das sich nie jemand von uns mal eine Pizza, Pommes oder Döner isst. Es gehört nun mal dazu, sich und seinem Körper dieses Bedürfnis zu gönnen. Sich auch mal zu sagen: „So, jetzt machst du das mal“ – Man muss aber dann auch darauf achten, dass man dies nicht regelmäßig tut. Aber gerade im Privatleben muss man auf vieles verzichten. Spontanität fehlt. Mir fehlt dies am meisten. Man sitzt da, hat Lust heute Abend raus zu gehen. Alle gehen raus, nur ich kann nicht, weil wir am Samstag spielen. Das ist ein Punkt, auf den ich mich freue, wenn ich irgendwann mal aufhören sollte. Selbst die Urlaubsplanung auf vier Wochen im Jahr ist nicht mehr festzulegen. Ich kann lediglich sagen, im März habe ich ein langes Wochenende, hab Lust nach Barcelona zu fliegen. Das sind Dinge, die mir extrem fehlen. Ich reise leidenschaftlich gerne. Gerade wenn man den Kopf mal voll hat, dann sagt man schon: „Boah, ich muss raus!“ – Das ist einfach überhaupt nicht möglich. Wir haben im Sommer die vier Wochen und dann im Winter vielleicht nochmal zwei Wochen Zeit. Da sage ich mir: “Schön,wenn es wieder so ist.“ – Einfach nur mal wieder Spontanität an den Tag zu legen und regelmäßig mal wieder ein Bier zu trinken.

Ich spiele jetzt länger als 15 Jahre Fußball. Trotzdem ist nicht alles so einfach und man kann von den Freunden nicht verlangen, dass sie immer alles mitmachen. Man pendelt sich da ein. Das ist nun mal in vielen Dingen im Leben so. Ich kann bei vielen Sachen sagen: „Okay, bis hier hin, weiter nicht.“ – Es ist halt meine Arbeit und so muss man das halt auch sehen. Es war auch gerade am Anfang schwierig, genau das den Leuten beizubringen. Sie müssen verstehen, dass dies kein Hobby ist. Natürlich mache ich das gerne, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann. Es ist auch etwas, was ich nicht ewig machen kann. Aber es ist jetzt gerade meine Arbeit und das ist meist schwierig den Leuten zu vermitteln. Dann kommen schon mal so Diskussionen auf, wie: „Aber warum, ist doch morgen bloß ´nen Spiel.“. Diese Gespräche hatte ich gerade am Anfang sehr viel. Und für mich ist es eben nicht nur ein Spiel. Wenn ich dann am nächsten Tag nicht fit bin und mich sieht heute Abend einer, dass ich mir mein Bierchen zische, fröhlich auf der Box tanze, dann ist richtig was los. Das sind dann Dinge, die man den Leuten richtig beibringen muss. Es ist eben nicht nur „Spaß“. Heute, wenn ich sage, dass ich Sonntag ein Spiel habe, dann gehen wir höchstens in Kino. Aber gerade am Anfang, wenn man neue Leute kennenlernt und man lernt in dem Beruf viele neue Leute kennen, ist dies sehr extrem. Die Wahrnehmung ist meist eine andere und am Anfang immer ein Problem gewesen.“

Wer ist für dich im Frauenfußball eine wichtige Persönlichkeit?

Stefanie Weichelt: „Geprägt hat mich niemand, man kann mich nicht prägen. Ich bin eigentlich ein Eigenbrötler. In meiner wichtigen Phase, was den Fußball angeht, war meine Zeit in Frankfurt mit Birgit Prinz zusammen. Wir haben uns ein Zimmer geteilt. Birgit Prinz hat mir in vielen Dingen gezeigt, das es auch noch andere Dinge außerhalb des Fußballs gibt. Obwohl sie eine oder die bekannteste deutsche Fußballerin ist. Die Medien meinen immer, dass sie so kalt wirkt. Das ist sie aber nicht. Sie hat Fußball geliebt. Sie hat nicht gespielt, um Geld zu verdienen. Ihr ging es immer am Arsch vorbei. Sie hat mir gezeigt, dass ihr auch andere Dinge wichtig waren. Gerade als junge Spielerin muss man das auch lernen. Man muss alles in die Waagschale werfen, was man machen soll, muss schauen, was man investiert oder riskiert.

Gerade, wenn es um Verletzungen geht. Bis heute habe ich natürlich Kontakt zu ihr. Sie ist auf jeden Fall ein besonderer Mensch. Sie hat mir gezeigt, wie man mit gewissen Dingen umgeht, und mir auch gezeigt, dass es noch mehr außer Fußball gibt. Sie hat mir aufgezeigt, wie man mit Medien, Verletzungen und mit gewissen fußballerischen Situationen, wie Rückschläge umgeht. Das war für mich ein sehr wichtiges Zusammentreffen. Sie war ein völlig anderer Typ, als andere, die ich kennengelernt habe. Sie war anders als die anderen Nationalspielerinnen. Gerade die Nationalspielerinnen standen gerne in der Öffentlichkeit. Sie war da immer anders, sie mochte das nicht so gerne. Sie war immer sehr zurückhaltend. Das hat mir sehr imponiert.“

Dieses Jahr gab es einen Hype während der Frauen-Fußball-WM. Ein zweites Sommermärchen. Hat sich dadurch das Interesse am Frauenfußball verstärkt?

Stefanie Weichelt: „Wenn man nach den Zuschauerzahlen geht, was ich in den letzten Wochen mitbekommen habe, denke ich schon, dass es generell in den Stadien mehr geworden ist. Es ist nun mal abzuwarten, ob es an dem schönen Wetter lag oder wirklich an der WM. Ich denke, Mädels sind momentan geil drauf, Fußball zu spielen. Das ist aber schon seit ein paar Jahren so, dass sich immer mehr in Vereine anmelden. Aber ich denke, das man gerade dort nach mehr Möglichkeiten geschaffen werden müssen. Um den Frauenfußball in eine gewisse Richtung zu schieben, muss man noch mehr Fußballschulen und -internate aufbauen. Ich selbst war in Potsdam und das hat mich extrem weiter gebracht. Man lernt dort das Leben kennen, man ist das erste Mal auf sich alleine gestellt. Das braucht man auch auf dem Platz und auch irgendwann später im Leben. Ob das Ganze mit der Frauen-WM jetzt nachhaltig eine lange Wirkung hat, das wird sich zeigen.

Das größte Problem dabei ist, dass es in der Zeit, um die 22 Spielerinnen ging, die in dieser WM dabei waren. Die Bundesliga bekommt im Endeffekt viel zu wenig davon ab, von dem ganzen Hype. Alles hat sich in dem Sinne nur auf die Nationalmannschaft reduziert, was ich denen auf jeden Fall gönne. Die Öffentlichkeit, die man zu der Zeit hatte und viele bekamen, war zu viel. Man macht zu wenig daraus. Man macht einen riesigen Hype um die Nationalmannschaft, was ich auch gut finde, aber man schafft es seit drei Weltmeisterschaften nicht, das in irgendeiner Form positiv umzuwandeln. Man schafft es nicht das Positive für die einzelnen Vereine oder die Bundesliga da heraus zuholen. Seien wir mal ganz ehrlich: Was tut sich? Die Möglichkeiten der einzelnen Vereine haben sich nicht geändert. Die Finanzierungen und Trainingsmöglichkeiten wurden nicht besser. Und dort wären Ansatzpunkte. Da ist eine WM schon gut, aber der riesige Hype ist wesentlich abgeflacht. Das ist nun meine ganz persönliche Meinung. Da ist auch nicht mehr viel von geblieben. Wenn wir nächstes Jahr die Möglichkeit auf Olympia gehabt hätten, wäre dies was anderes gewesen. Nun müssen wir alle aufpassen, dass wir nicht in ein Loch fallen. Der Frauenfußball muss viel öffentlicher gemacht werden und ich weiß, dass das sehr schwierig ist, aber man hat ja gesehen, dass wenn man es richtig vermarktet, das die Leute auch hingehen.

Auch große Stadien hat man füllen können. Es kommt nun mal im wesentlichen auf die Vermarktung an. Ich glaube, dass diesbezüglich viel zu wenig gemacht wird. Da muss der DFB die kleinen Vereine auf viel mehr unterstützen. Und der DFB müsste dort auch viel mehr investieren, um die Vereine auch hoch zu bringen. Es würde dann auch einfacher laufen. Es bringt nun mal nichts, wie bei der WM, ganz oben anzusetzen. Man muss immer unten anfangen. Im Grundlinien-Bereich muss einfach vieles verändert werden. Solange die das nicht erkennen, meiner Meinung nach, lässt sich da auch nichts ändern. Die warten nur auf die Großveranstaltungen, die Bundesliga lebt ja von ganz alleine. Es muss viel mehr gemacht werden, viel mehr beworben werden, um den Leuten dies attraktiver zu machen. Man muss auch die Spielstätten attraktiver gestalten. Es ist schon ein ganz anderes Flair, ob ich in ein schönes Stadion gehe, wo 50.000 Zuschauer rein passen oder ein schnuckeliges Stadion gehe, in das 10.000 – 15.000 Zuschauer passen und ich mir meine Wurst da holen kann. Dieses Feeling ist schon was anderes und man hat auch eine gewisse Akustik darin. Wenn ich dann an irgendeinen Bolzplatz sitze, auf einer gammeligen alten Bank, das macht einen riesig Unterschied. Viele gehen ins Stadion, weil es einfach ein gutes Gefühl ist. Ich geh ins Stadion, weil es einfach geil mit den Leuten da zu stehen und sich zu freuen, dass man da ist.“

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