Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

#SPACETWEETUP: Wie Twitter das Marketing revolutioniert

; Title : Official portrait of STS-42 IML-1 Pa...

Image via Wikipedia

Am vergangenen Sonntag, 18. September 2011 fand in Köln der „Tag der deutschen Luft- und Raumfahrt“ (TdLR) statt, durchgeführt von DLR und ESA. Darunter stellt man sich am Besten einen Tag der offenen Türe vor.

Erwartet wurden ursprünglich wohl um die 100.000 Besucher. Da es morgens aber heftigen Regen gab und die meisten Besucher wohl erst später kamen, schätze ich die Zahl der Besucher letztlich auf ungefähr 80.000.

Diese 80.000 Menschen sind wichtig für die von Steuern finanzierten Raumfahrteinrichtungen. Denn machen wir uns nichts vor: Im Moment gibt es viele Top-Themen, aber Raumfahrt gehört nicht mehr dazu. Sicherlich trägt das Ende der US-Shuttle-Ära hier eine wichtige Rolle.

Während wir Millionen und Milliarden in die Forschung an neuen Waffensystemen ausgeben, müssen ESA und NASA unter erheblichen Einbußen leiden. Kaum eine von nationalen Interessen geleitete Regierung hat wirklich Interesse an internationalen Projekten und darunter leidet auch das Vorzeigeprojekt, die ISS.

Jetzt ist ein solcher Tag der offenen Türe eine Marketing-Aktion. Man will sich den Menschen zeigen, man will sagen: Das sind wir und das machen wir. Man möchte das wieder geredet wird. Das die Menschen das Thema wieder aufgreifen und mit ihrer Stimme in die Politik drücken.

Der Haken an der Sache ist offensichtlich: Die Menschen die zu Besuch kommen, bleiben unter sich. Vor allem vor und nach dem Besuch des Geländes ist die Multiplikatorenwirkung eher gering und es lässt sich berechtigt fragen, ob der Nutzen eines solchen Tages den Aufwand an Finanzen und Personal rechtfertigt. Wohlgemerkt lassen wir dabei für einen Moment den Aspekt bei Seite, dass ein solcher Tag auch dazu dient sehen zu können, was unsere Steuern eigentlich bewirken.

Doch zurück zu den unternehmerischen Überlegungen: Wenn wir davon ausgehen, dass der TdLR sich wie andere Marketingmaßnahmen ganz schnöden BWL-Kennzahlen unterordnen muss, suchen Verantwortliche nach Verbesserungen.

Dabei gilt es, mit möglichst geringem Aufwand einen maximalen Nutzen zu erzielen.

Ich will also mit möglichst wenig Geld und Personalaufwand maximal viele Menschen erreichen. Und als Nebeneffekt sollen die sich natürlich mit meinem „Produkt“ identifizieren und ich möchte meine Streuverluste minimieren.

Natürlich lädt man die Presse zu einem solchen Ereignis ein. Man bereitet Pressemitteilungen vor und hofft auf Berichte in den Zeitungen.

Pressematerial der ESA / DLR (c) Stefan Meiners

Man kann sich vorstellen, wie die geschrieben Artikel sind. Es wird ein paar nette Fotos geben, vielleicht sogar überregionale Berichterstattung. Die Langzeitwirkung dürfte jedoch gegen Null gehen – sind solche Veranstaltungen für die Presse doch deutlich weniger attraktiv als Unglücke.

2011 drängt sich da automatisch die Frage auf, in wie weit sich Social Media eignet, hier helfend und unterstützend zu wirken. Betrachtet man jedoch die beiden „Platzhirsche“ Google+ und Facebook so wird schnell klar, dass beide zu langsam, zu hölzern, zu reguliert sind, um den Anforderungen an ein ein schnelles und zielgerichtetes Marketing gerecht zu werden. Jedes Unternehmen schien eine Weile dem Wahn verfallen dort präsent sein zu müssen, doch zeigt gerade die jüngere Erfahrung das es den Nutzern der Plattformen eher weniger um die Kommunikation mit dem Unternehmen als um das Abstauben von Gutscheinen geht.

Ungeachtet der beiden großen sozialen Netzwerke konnte jedoch ein dritter im Bunde ausgemacht werden. Twitter.

Also soziales Netz verstanden fristet Twitter immer noch in Teilen ein Schattendasein, was sicherlich daran liegt, dass viele Menschen nicht wissen um was es sich dabei eigentlich handelt.

Kurz beschrieben dient Twitter dazu, Kurznachrichten ähnlich einer SMS zu versenden. Diese richten sich jedoch nicht an einen Empfänger, sondern an alle Kontakte mit denen man über Twitter verbunden ist. Diese wiederum können mit minimalem Aufwand die Nachrichten weiterleiten (retweeten). Dabei ist Twitter technik-konvergent. Das bedeutet es ist weder an ein spezielles Gerät, noch Land, noch irgendetwas anderes gebunden – sieht man vom Internet ab. Das Versenden und lesen der Nachrichten geht am PC, am Handy und so weiter. Und um zu Lesen ist es nicht notwendig, registriert zu sein.

Mutige Denker bei der DLR / ESA kamen jetzt auf die Idee, Twitter in den TdLR einzubinden. Dafür riefen sie das in Deutchland erste #spacetweetup ins Leben. Begriffe mit beginnend mit einem # gelten in Twitter als Schlagworte, mit denen man Informationen kategorisieren und suchen kann. Über den eben gesetzten Link kann nun jeder sich alle Twitter-Kurznachrichten (Tweets) zum Thema #spacetweetup durchlesen.

Um eine höhere Reichweite zu erzielen, lud man seitens der DLR / ESA nun 60 Twitter-Nutzer aus der ganzen Welt ein, die sich vorher (nach „Ausschreibung“ auf Twitter) beworben hatten. Deren einzige wirkliche Aufgabe war: Über das Ereignis zu twittern.

Angekommen wurden die 60 Twitter-Nutzer direkt „in Beschlag“ genommen. Sie erhielten nicht nur eine Tasche mit diversen nützlichen und unnützen Give-Aways und ein Poloshirt, viel mehr erhielten sie ein eigenes und eigenes Programm.

Twitter-Material der ESA / DLR (c) Stefan Meiners

Dieses Programm beinhaltete neben Führungen auch exklusive Elemente wie den Besuch von Astronauten. Nun dürfte eigentlich jeder sich irgendwann mal gewünscht haben oder wünschen ins All zu fliegen und schon das Gespräch mit einem Astronauten ist für viele ein unübertreffliches Highlight. Und auch hier erwies die DLR / ESA ein geschicktes Händchen:

Nicht nur hielten die Astronauten der ESA Vorträge über ihre Arbeit. Sie setzten sich vielmehr einfach mit an die Tische der Besucher und diskutierten mit diesen bei koffeinhaltigen Kaltgetränken über das All.

In der Folge setzten die 60 Menschen mehr als 8000 Tweets ab. Zählt man die Leute zusammen die die Nachrichten vermutlich direkt oder über retweet indirekt gelesen haben, kann man davon ausgehen, dass mehrere Millionen Lesezugriffe erfolgten. Praktisch ohne jeden Streuverlust.

Für alle Beteiligten entstand hier eine Win-Win-Situation: Die 60 Twitter-Nutzer aus der ganzen Welt bekamen exklusive Informationen, Präsentationen und Gelegenheiten von denen sie noch lange berichten werden. Die ESA hatte mit dem Catering und „umsorgen“ der geladenen Gäste einen verhältnismäßig kleinen Aufwand. Die Werbewirkung dagegen war enorm und schon heute entsteht zum Beispiel in England eine Bewegung, die ein #spacetweetup dort fordert.

Welche Schlußfolgerungen kann man jetzt daraus ziehen?

Zum Einen hat sich die Veranstaltung eines Tweetup als ein geeignetes Medium erwiesen, eine Botschaft an die Menschen zu bringen. Im Falle des Spacetweetup erklärte Beth Beck, Social-Media-Expertin der NASA, das so: In Zukunft werden Tweetups nicht  mehr auf Einladung statt finden – die Nutzer werden sich selbst verabreden und treffen. Und jeder Nutzer wird Botschafter. Botschafter für die einzige Zukunftsvision, die geeignet ist die Menschheit zu vereinen: Die Raumfahrt

Zum Anderen hat Twitter gezeigt, wer der wahre Herrscher im Ring der Social Media ist. Auf Google Plus und Facebook wurden zwar die Tweets oft zweitverwendet und führten dort auch zu Diskussionen – die Geschwindigkeit und Treffsicherheit von Twitter jedoch ist ungeschlagen.

Der Erfinder von Twitter hat mal erzählt, er wollte mit Twitter ein Fire & Forget-Medium schaffen. Anders als bei Isntant-Messengern sollte es möglich sein, eine Nachricht an bestimmte Adressaten abzusenden und sie dann zu vergessen. Es ist festzuhalten, dass ihm dies gelungen ist.

Wie man aber am #Spacetweetup in Köln gesehen hat ist Twitter inzwischen mehr als ein Medium zur schnellen unidirektionalen Kommunikation: Es ist DAS Kommunikationsmedium der Gegenwart und wird, so meine Prognose, noch helfen Nachrichten zu verbreiten, wenn über Facebook und Google+ schon niemand mehr redet.

Und weil das jetzt vielleicht etwas viel Text war, hier jetzt die Fotos. Ich war nämlich einer der glücklichen 60 😉 Und die DLR / ESA kann und muss glücklich sein Mitarbeiter zu haben wie die, die das #Spacetweetup organisiert und durchgeführt haben. Warum sieht man hoffentlich:

 

Die mobile Version verlassen