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Interview mit Frau Dr. Söke Dinkla, Leiterin des Kulturhauptstadtbüros Duisburg

xn: Von wem wurde das Duisburger Kulturhauptstadtbüro beauftragt, von der Ruhr.2010 GmbH, der Duisburg Marketing GmbH oder dem Großkonzern Stadt Duisburg und wann bitte nahmen Sie und Ihre Kolleg/innen die Arbeit auf?

Dr. Söke Dinkla: Das Kulturhauptstadtbüro Duisburg ist eine s.g. Stabstelle des Kulturdezernats und damit Teil der Duisburger Stadtverwaltung. Wir haben mit zwei Mitarbeiterinnen die Arbeit Ende des Jahres 2007 aufgenommen.

xn: Wie eng war die Zusammenarbeit in der Vorbereitungszeit der Love Parade zwischen den einzelnen o.g. Institutionen? Gab es eine Vernetzung mit dem Büro des Oberbürgermeisters, dem Rechts- und Sicherheitsdezernat und dem Dezernat für Jugend, Kultur und Bildung, wovon auszugehen ist, und wie dicht war (ist) dieses? Sie sitzen bzw. saßen ja „an der Quelle“, da auch Sie im Rathaus zu finden sind.

Dr. Söke Dinkla: Das Kulturhauptstadtbüro hat mit allen städtischen Kulturinstituten und  ämtern kooperiert. Besonders intensiv ist die Kooperation der Bereiche auch traditionell im Rahmen der Duisburger Akzente, die in diesem Jahr die Duisburger Local Hero waren.

Bei den s.g. TWINS- Projekten, den Projekten mit unseren Partnerstädten, arbeiteten wir mit den die Partnerstädte betreuenden Mitarbeiterinnen des Büros des Oberbürgermeisters zusammen. Das Kulturhauptstadtbüro wird wie alle Bereiche der Stadtverwaltung in juristischen Fragen, wie z.B. der Vertragsgestaltung, vom Rechtsamt beraten. Mit dem Rechtsdezernat ergaben sich keinerlei Schnittpunkte.

xn: Waren Sie im Falle der Veranstaltung Love Parade „der lange Arm“ von Dr. Fritz Pleitgen und Dr. Oliver Scheytt? Die RUHR 2010 GmbH hatte ja die Love Parade in ihren Programmpublikationen immer in dem Programmthema „Feste feiern“ hervorgehoben kommuniziert, sodass ja wohl eindeutig feststeht, dass die Love Parade eine Ruhr.2010-Veranstaltung war und Pleitgen das bestreiten kann wie er will.

Dr. Söke Dinkla: Nein. Wir haben aber sehr intensiv zusammengearbeitet bei allen ruhrgebietsübergreifenden Projekten, wie z.B. dem Still-Leben Ruhrschnellweg, den Schachtzeichen, Ruhrlights u.a.

xn: Mit welchem Geschäftsführer der Duisburg Marketing GmbH hatten Sie vor, während und nach der Love Parade zu tun? Konnten und durften Sie unabhängige Entscheidungen treffen oder waren Sie abhängig von dem, was die Ruhr.2010, die DU Marketing und/oder die Stadtverwaltung Ihnen vorgaben?

Dr. Söke Dinkla: Mein Vorgesetzter ist Kulturdezernent Janssen. Alle relevanten Entscheidungen wurden von ihm getroffen bzw. mit ihm abgestimmt.

xn: Inwiefern hatten Sie mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Metropole Ruhr dies bezüglich zu tun? Wie wurde diese Veranstaltung in wirtschaftsförderlicher Hinsicht bewertet, ist Ihnen das bekannt oder können Sie es sich denken?

Dr. Söke Dinkla: Mit ihr ergaben sich keine Schnittpunkte.

xn: Diese mahnten im Vorfeld der Love Parade zu deren Durchführung. War es Ihnen als Kulturhauptstadtbüro-Leiterin möglich, Bedenken zu äußern? Wenn ja, wem gegenüber oder hatten Sie keine? Wie war Ihr Eindruck vom politischen Klima in Duisburg im Vorfeld der Love Parade? Hatten auch Sie sich unter Druck gesetzt gefühlt? Gab es etwas, dass Ihnen als nicht günstig erschien?

Dr. Söke Dinkla: Das Kulturhauptstadtbüro war in die Planungen und die Durchführung der Love Parade nicht eingebunden.

xn: Lautet einer Ihrer Aufträge, die Städte des Ruhrgebietes mittels Kultur mittel- oder langfristig zu einer einzigen, nämlich der Ruhrstadt zu vernetzen? War die Kulturhauptstadt – Essen für das Ruhrgebiet nur der Beginn für mehr, was uns noch erwarten wird?

Dr. Söke Dinkla: Der Auftrag des Kulturhauptstadtbüros ist die Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Kulturhauptstadt sowie deren Nachbereitung.

Wir alle wünschen uns nachhaltige Effekte von diesem Jahr und haben die Möglichkeit, das Jahr 2011 zu nutzen, um die Nachhaltigkeit zu fördern.

xn: Was genau ist bitte damit gemeint?

Dr. Söke Dinkla: Wir möchten an erfolgreichen regionalen Veranstaltungsformaten, wie z.B. dem „Kulturkanal“, weiterarbeiten. Ganz konkret werden wir uns an dem für Juli dieses Jahres geplanten ruhrgebietsweiten Haldenfest mit unserer Landmarke „Tiger & Turtle“ beteiligen.

xn: Welche Pläne hat man mit dem Ruhrgebiet, für was, meint man, eignet es sich?

Dr. Söke Dinkla: Wir haben bei vielen ruhrgebietsweiten Projekten gemerkt, dass wir gemeinsam stärker sind als alleine. Vor allem erzielen wir gemeinsam eine größere Außenwirkung deutschlandweit. Das sollte gefestigt werden durch zukünftige Maßnahmen und Veranstaltungsformate.

xn: Was verstehen Sie unter Außenwirkung, bis wohin reicht die und wen meinen Sie mit „wir“?

Dr. Söke Dinkla: Außenwirkung bezieht sich auf die Wahrnehmung des Ruhrgebiets außerhalb der Region, in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens, Deutschlands und bei einigen Veranstaltungen sicherlich auch in Europa. „Wir“ bezieht sich zunächst auf die Mitarbeiter des Kulturhauptstadtbüros Duisburg, aber auch auf die vielen Kooperationspartner in den anderen Städten des Ruhrgebiets, mit denen wir im letzten Jahr zusammengearbeitet haben.

xn: Was soll und kann sich im Ruhrgebiet – hier in Duisburg – wandeln durch Kultur und wie lange wird das wohl noch brauchen?

Dr. Söke Dinkla: Sehr vieles hat sich schon verändert in den letzten Jahren zum Teil unmerklich und stetig. Das Ruhrgebiet ist zu einem Ziel vieler Kulturtouristen und auch von vielen Kunstinteressierten geworden. Die Kulturhauptstadt hat das Bewusstsein dafür geschaffen, dass der Besuch einer ganzen Region gilt. Davon profitiert jede Stadt. Duisburg konnte in diesem öffentlichkeitswirksamen Verbund seine Identität als internationale Hafenstadt deutlich spürbar stärken. Nun ist es wichtig, diese positiven Effekte zu erhalten. Das geht nicht von alleine. Dazu bedarf es zukünftiger regionaler Strategien und gemeinsamer Anstrengungen.

xn: Ja, Duisburg, bzw. „dessen Macher“ sind sich endlich darüber bewusst geworden, diese Stadt einen Hafen hat. Dabei hatte das Schimanski bereits Anfang der 80er wiederholt gezeigt und vor ihm andere, z.B. in verschiedenen Filmen. Setzt man also nun voll auf Hafen-Marketing? Ruhrort also auf dem besten Wege vereinnahmt und ausgeschlachtet zu werden.

Dr. Söke Dinkla: Die Local Hero-Woche, die mit den Duisburger Akzenten im letzen Jahr in Ruhrort stattgefunden hat, ist sehr positiv aufgenommen worden, sowohl im Stadtteil selbst als auch im Ruhrgebiet. Von Vereinnahmung und Ausschlachtung kann hier keine Rede sein.

xn: Noch einmal Ruhrort. Sie wissen vielleicht nicht, dass die meisten Menschen, die psychosozial in Duisburg betreut werden, in Ruhrort leben. Dort gibt es ja keineswegs nur Manager, die bei Haniel arbeiten, auch wenn man die in Zukunft auf der Mercatorinsel ansiedeln will.

Dr. Söke Dinkla: Ruhrort gehört auch zu den Stadtteilen, in denen es soziale Probleme gibt. Aber die Lösung kann ja nicht sein, diesen Stadtteil, der auch sehr viele Potenziale hat, aufzugeben.

xn: Zurück bitte zu Ruhr.2010 und einer Frage zur Abschlussveranstaltung am 18. Dezember im Innenhafen: Was hätten Sie gemacht, wenn über 5.000 Besucher gekommen wären? Es lag kein Sicherheitskonzept vor! Ab dieser Größenordnung aber muss es das ja jetzt. Da wollen die NRW Landesregierung und das Innenministerium ja zukünftig penibel drauf achten. Wer war verantwortlich für diese Feier, Sie, die Ruhr.2010, das Kulturdezernat, das Rechts- und Sicherheitsdezernat, das Ordnungsamt, die Duisburg Marketing, der Oberbürgermeister, einige von denen, andere mehr, alle zusammen, niemand?

Dr. Söke Dinkla: Veranstalter war die Duisburg Marketing GmbH, Bereich Festivalbüro, mit dem wir uns eng abgestimmt haben. Sie haben lange Jahre Erfahrung in der Durchführung von Kultur- und Großveranstaltungen und diese Erfahrungen haben sich dann ja auch bestätigt.

xn: Wer zählte im letzten Jahr die Besucher in Duisburg, wer meldete die Besucher dem Essener Büro und wer gab diese letztendlich weiter nach Brüssel, zur Europäischen Kommission, Bereich Europäisches Kulturhauptstadtjahr?

Dr. Söke Dinkla: Es gab im gesamten Kulturhauptstadtjahr unterschiedliche Veranstalter, die Museen, das Theater, die Philharmonie – um nur einige zu nennen. Jeder Veranstalter zählte seine Besucher.

xn: Ist Ihnen bekannt, ob es eine Instanz gibt, die das kontrolliert, z.B. seitens Brüssel?

Dr. Söke Dinkla: Nein.

xn: Wenn auf der diesjährigen Love Parade alles gut gegangen wäre, wie viele Besucher wären wohl angegeben worden, 485.000, mehr, vielleicht sogar 1,4 Millionen, da bis dato ja die kollektive Marketinglüge offiziell nicht bekannt gewesen war?

Dr. Söke Dinkla: Das Kulturhauptstadtbüro war in die Vorbereitung und Durchführung der Love Parade nicht eingebunden. Die Love Parade war kein Teil des Programms der Kulturhauptstadt 2010 in Duisburg.

xn: Glauben Sie wirklich, dass in diesem Jahr 10 Millionen Besucher im Ruhrgebiet zu den Veranstaltungen von Ruhr.2010 gekommen waren? Man konnte auch nach Istanbul oder nach Pèsc gehen. So viele Kulturtouristen, kann das denn sein?

Dr. Söke Dinkla:

xn: Halten Sie es für möglich, dass schon vor 2010 bekannt war, wer die Nummer Eins aller Kulturhauptstädte werden würde und zwar nicht etwa nur in diesem Jahr, sondern seitdem es dieses Voting gibt, also seit 25 Jahren à la „Brüssel sucht den Kulturhauptstadtstar“?

Dr. Söke Dinkla: Dass die Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet ein Erfolg werden würde, war sehr lange Zeit nicht ausgemacht. Es hat sehr viele Skeptiker gegeben und es war nicht klar, ob die Größe ein Vorteil oder ein Nachteil sein würde – es war ja zum ersten Mal eine ganze Region und nicht nur eine Stadt Kulturhauptstadt Europas.

xn: Heißt das, dass es erst ab einem bestimmten Zeitpunkt „ausgemacht war“, wer das Rennen gewinnen wird? Und stellt es einen Gewinn dar, der alle anderen Städte toppte? (Gemeint sind die Besucherzahlen, Anm.d.Red.)

Dr. Söke Dinkla:

xn: Wissen oder ahnen Sie, welches Interesse die Europäische Union daran haben könnte, dass das Ruhrgebiet nun DIE Top Kulturhauptstadt seit 25 Jahren ist? Könnte das etwas mit den Plänen von der erträumten Megacity Ruhrstadt zu tun haben?

Dr. Söke Dinkla: Es gibt sehr viel mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen Metropolen. Die Idee von der Megacity Ruhrstadt wird ja seit Jahren immer wieder in unterschiedlichen Intensitäten diskutiert. In sehr vielen Bereichen des alltäglichen Lebens wird die Region als Megacity ja schon lange gelebt. In anderen Bereichen, vor allem im öffentlichen Nahverkehr, gibt es erhebliche Defizite. Das hören wir von ortsunkundigen Besuchern immer wieder. Um die touristische Attraktivität zu erhöhen, müssten diese Defizite dringend beseitigt werden. Wenn die Europäische Union uns dabei helfen kann, wäre das großartig.

xn: Wirklich? In welchen Bereichen lebt man im Pott die Megacity, im Bereich Shopping Mals? Oder muss ich mich nun entschuldigen, wenn ich „Pott“ in den Mund nehme und nicht Ruhrstadt oder Megacity?

Dr. Söke Dinkla:

xn: Wurden eigentlich die Bewohner des Ruhrgebietes schon gefragt, was die von all dem halten?

Dr. Söke Dinkla: Wir haben ein sehr mobiles, begeisterungsfähiges und neugieriges Publikum erlebt, dass sich manche Metropole nur wünscht. Ich glaube, die Menschen fragen immer weniger nach abstrakten Verwaltungsgrenzen und identifizieren sich zugleich sehr stark mit der Ruhr.

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