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Duisburg: „Wer einen OB weiter stützt, der öffentlich lügt, Opfer und Angehörige brüskiert und Hunderttausende ausgibt, um die eigene Verantwortung zu verschleiern, ist nicht glaubwürdig.“

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Die Einladung des OB verletzt die politische
Neutralität der Schule, nicht der Protest dagegen
Image by xtranews.de via Flickr

Interview mit Reiner Siebert, Elternschaftsvertreter an der Gustav-Heinemann-Realschule in DU-Zentrum, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Arbeit, Soziales und Gesundheit, ehemaliges Mitglied der Partei Die Grünen, Pädagogischer Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung

 

xn: Herr Siebert, Sie zeigen, was ziviler Ungehorsam bewirken kann und haben für ziemlich viel Wirbel gesorgt in einer Realschule in der Duisburger Innenstadt. Erzählen Sie uns, was Sie Schlimmes angestellt haben?

Reiner Siebert: Nein, ziviler Ungehorsam ist etwas anderes. Ich habe lediglich mein Recht wahr genommen als gewählter Vertreter von Eltern dagegen zu protestieren, dass die Schule und damit die Kinder für die Imagekampagne des diskreditierten OB missbraucht werden.


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Schule habe politisch neutral zu sein, erinnern und fordern Sie zu Recht. Sie vermuten hinter dem Sauerland-Auftritt in Wahrheit eine Politshow?

Reiner Siebert: Der Verweis auf die politische Neutralität der Schule kam vom Schulleiter, der damit aber seine Mitverantwortung für die Einladung des OB abschieben wollte. Ich sage: Die Einladung des OB verletzt die politische Neutralität der Schule, nicht der Protest dagegen. Eine Show würde ich das nicht nennen, aber der OB sucht geschickt nach Gelegenheiten, politische Normalität zu demonstrieren.


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Sie haben von dieser „Realschulshow“, an der sich immerhin zehn Schulen beteiligten, nur per Zeitung erfahren? Vermuten Sie dahinter eine „pro-Sauerland-Aktion“?

Reiner Siebert: Nein, die Veranstaltung war schon lange angekündigt, ich hatte sogar eine Einladung, aber ich kannte keine Hintergründe und Inhalte. Von der Einladung des OB habe ich aus der Zeitung erfahren.


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Herr Sander, der Schulleiter, spricht von einem „Etikettenschwindel“. Fragten Sie sich, was dann das ist, was er betreibt?

Reiner Siebert: Er versucht mit formalen Gründen das Recht von Elternvertretern auf öffentliche Stellungnahmen zu unterbinden. Ich hätte nur als Privatperson sprechen dürfen wirft er mir vor. Bei den vielen Gelegenheiten vorher, bei denen ich im Sinne der Schule aufgetreten bin, war keine Rede davon. Eine antiquierte Vorstellung von Elternvertretung, die aber wahrscheinlich an vielen Schulen vorherrscht. Man freut sich, wenn Eltern bei Feiern Kaffee kochen und Kuchen mitbringen. Mitbestimmung und kritische Äußerungen sind nicht erwünscht.


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Nie zuvor gab es hier einen „Realschultag“. Stehen deren Schulleiter/innen Sauerland nah?

Reiner Siebert: Ich weiß nicht, wie die Realschulleiter politisch stehen. Wenn es um den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems geht, sind sie wahrscheinlich in der Regel auf

CDU-Linie. Auch die Einladung des OB zu dieser Veranstaltung soll auf die Initiative eines einzelnen zurück gehen. Ich kann auch nichts über die CDU-Wähler im Allgemeinen sagen. Ich finde es nur für die demokratische Kultur in dieser Stadt, ja in diesem Land, sehr bedauerlich, dass sich in der CDU-Fraktion niemand gefunden hat, der den Mut gehabt hätte zu sagen: Die Bürger müssen entscheiden. Aber das ist ja selbst bei der Grünen Fraktionsspitze nicht vorhanden.


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Sauerland und seine CDU-Mitstreiter auf der Suche nach Plattformen, die eine positive „Oberbürgermeister-Normalität“ suggerieren sollen?

Reiner Siebert: Ja, sicher. Jede Veranstaltung, die vermeintlich unpolitisch daher kommt und gute Bilder liefert ist ein Schritt für den OB sein Ziel zu erreichen: Alles soll wieder so sein wie früher, aber das wird nicht gehen.


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Sie ließen sich das nicht gefallen, fragten zu Recht: „Was soll der da?“

Reiner Siebert: Wäre es um das Thema Realschulen gegangen, hätten die Schulleiter wenigstens Aussagen zur Schulpolitik der Stadt Duisburg einfordern können, denn die hat sich bereits für ein zweigliedriges Schulsystem mit Gymnasien und Gemeinschaftsschulen positioniert. Aber meine Nachfrage hat gezeigt, dass Schulpolitik kein Thema sein sollte.


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Sie haben es klar und unmissverständlich formuliert: „Dieser OB ist kein Vorbild für Schülerinnen und Schüler und hat bei einer solchen Veranstaltung nichts zu suchen.“

Fragen Sie sich, wie sich die Duisburger Kinder und Jugendlichen entwickeln werden, wenn Sie lernen, dass einer an der Macht sein kann, der verantwortungslos ist und sich nicht um sie sorgt?

Reiner Siebert: Zum Glück sind junge Leute selbstbewusster und aufgeklärter als manche glauben, vielleicht auch wollen. Die werden sich von einem OB nicht abhalten lassen hier zu wohnen, da gibt es ganz andere Gründe wegzuziehen. Aber ich hoffe, dass kein Kind, das auf der Love Parade war, ohne es vorher zu wissen einer Begegnung mit dem OB ausgesetzt war.


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Der Schulleiter Gerhard Sander reagierte harsch, ermahnte Sie, dass Sie kein „Mandat“ dafür hätten, prangert Ihre mutige Aktion öffentlich als „unsäglich“ an. Was meint er wohl mit Mandat? (Was von dem lateinischen mandare abstammt und beauftragen, aus der Hand geben, befehlen bedeutet und als Nomen mit Ermächtigung erklärt wird.) Wer hätte das erteilen sollen oder können?

Reiner Siebert: Er meint, ich hätte vorher eine Elternversammlung einberufen müssen, die mir mit Mehrheit den Auftrag gibt zu protestieren, aber nur schulintern, denn „die Außenvertretung der Schule“ sei ausschließlich seine Aufgabe. Das ist das Wesen der Demokratie, dass gewählte Vertreter im Namen ihrer Wähler das Wort ergreifen. Und wenn die sich nicht vernünftig vertreten fühlen, dann wird man eben abgewählt, ob als OB oder als Pflegschaftsvorsitzender, nur dass der letztere Job nicht ganz so lukrativ ist… Das Erscheckende dabei ist, dass man solche demokratischen Grundsätze einem Schulleiter erklären muss.


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Warum hat A. Sau. bei Ihnen „verschissen“, Herr Siebert?

Reiner Siebert: Im Grunde kann er einem leid tun: Steht seit einem halben Jahr ständig wie ein begossener Pudel da und versucht verzweifelt sich vorzustellen, alles könne wieder werden wie früher. Schlimm finde ich, dass er offensichtlich die falschen Berater hat. Leute, die sich in seinem Schatten vor der eigenen Verantwortung drücken, aber so tun, als handelten die Kritiker verantwortungslos.

Wer, wie Sauerland nun schon mehrfach in aller Öffentlichkeit bloß gestellt wird, weil er im Fernsehen Dinge sagt, die sofort widerlegt werden, wie zuletzt seine Behauptung, der Bundespräsident habe ihm mehrere Briefe geschrieben, der ist entweder nicht mehr gesund oder gezwungen dort zu bleiben wo er ist.


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Mit Peter Greulich sind Sie auch nicht ganz „grün“. Verraten Sie uns den Grund?

Reiner Siebert: Greulich trägt die Arroganz der Macht vor sich her wie kein Zweiter in der Duisburger Verwaltung. Er bezichtigt Kritiker der Hexenjagd und qualifiziert Bürger ab, wie unmittelbar nach der Love Parade, als binnen Tagen fast zehn Tausend Duisburger für die Abwahl von Sauerland, Rabe und Dressler votierten. Er kommentierte das als „mäßig“. Wiederholt gab er Durchhalteparolen in der Partei aus, damit Sauerland bleibt. Er hat mich persönlich massiv angegriffen als ich schon kurz nach der Love Parade angesichts der katastrophalen Auftritte von Sauerland und Rabe personelle Konsequenzen forderte, während er noch in Spanien Urlaub machte… Er schaffte es gerade noch zur Trauerfeier…


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Politisch sind Sie durchaus „vorbelastet“, hatten Gelegenheit in die Duisburger Politik reinzuriechen. Mittlerweile stinkt die Ihnen gehörig. Ende letzten Jahres haben Sie nach zweijähriger Partei-Mitgliedschaft die Grünen verlassen, eine Partei, deren Politik Sie eigentlich überzeugt.

Reiner Siebert: Ich war mein politisches Leben lang parteilos, aber immer Sympathisant der Grünen. Vor knapp zwei Jahren sagte ich mir: „Du kannst nicht immer nur meckern. Du musst dich einmischen“. Nach der Kommunalwahl und erst recht nach der Love Parade und dem Kauf der STEAG Ende des Jahres bin ich mehr als ernüchtert, ja entsetzt über die Machspiele, die Intrigen, die Verstrickungen, die offenbar werden und schon bei der Besetzung von Ausschüssen anfangen, von wichtigen Posten nicht zu reden.

Wer einen OB weiter stützt, der öffentlich lügt, Opfer und Angehörige brüskiert und Hunderttausende ausgibt, um die eigene Verantwortung zu verschleiern, ist nicht glaubwürdig.

Wenn eine Partei zu Demonstrationen gegen Kohlekraftwerke aufruft und gleichzeitig in kommunalen Gremien den Kauf des größten Kohlestromproduzenten Deutschlands unterstützt, hat ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem.


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In Duisburg halten Sie einen besonders ausgeprägten Parteienfilz, Verstrickungen und „Pöstchenschiebereien“ für wahrscheinlich und auch, dass die parteilichen Grenzen fließend und übergreifend sind.

Reiner Siebert: Ich weiß nicht, ob Parteienfilz in Duisburg stärker ausgeprägt ist als in anderen Städten, wahrscheinlich läuft es fast überall so. Deshalb sind ja so viele Bürger von Politik und Parteien abgeschreckt. Nur dass die Grünen mittendrin stehen hätte ich nicht erwartet, wahrscheinlich naiv von mir, aber ich hatte immer die Illusion, dass bei den Grünen die basisdemokratischen Grundsätze besonders hochgehalten werden.


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Dr. Peter Greulich ist nicht nur (k)ein glaubhafter Grüner, sondern auch der Dezernent des Amtes Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, der Stadtdirektor, sowie der stellvertretende Bürgermeister für unseren OB . Geschickt?

Reiner Siebert: Greulich ist Umweltdezernent und Vertreter des Oberbürgermeisters als Verwaltungschef. Er hat sich sicherlich gut positioniert und dass er das nicht leichtfertig riskieren will kann man verstehen, nur dass so mancher Grüne Grundsatz dabei unter die Räder kommt.


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Wie reagierte er auf Ihren Brief, den Sie vor circa einem Jahr schrieben und öffentlich machten und was steht eigentlich drin?

Reiner Siebert: Nach einer (Greulichs, Anm.d.Red.) unsäglichen und beleidigenden Email aus Spanien direkt nach der Love Parade und seiner (Greulichs) Hetze gegen

Sauerland-Kritiker habe ich öffentlich seinen (Greulichs) Rücktritt gefordert. Ich bin für ihn (Greulich) zu unbedeutend, als dass er (Greulich) sich zu einer Reaktion genötigt gesehen hätte. Aber geärgert hat es ihn (Greulich) sicherlich, dass einer aus der Partei das offen ausspricht. Ich bin aber der Einzige geblieben, da ist die innerparteiliche Solidarität doch auch bei seinen (Greulichs) Kritikern stärker.

Ich halte Greulich für untragbar, weil er im Umgang mit Angehörigen und Bürgern genauso wenig Anstand bewiesen hat wie der OB.


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Erst nach dem Love Parade-Geschehen ist es Ihnen so richtig aufgegangen, was man mit den Duisburger Grünen hat. Wollen Sie uns das bitte erklären?

Reiner Siebert: Die Love Parade-Tragödie war und ist eine Extremsituation für eine Stadt, da kommt manches zum Vorschein, das im Politalltag verschwindet. Wie hier von den Unterstützern des OB innerhalb der Grünen mit Kritik und Kritikern umgegangen wurde, war und ist für mich unfassbar.


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: Wie bewerten Sie Ihre politische Zukunft, bzw. wo und wie werden Sie sich weiterhin aktiv einmischen?

Reiner Siebert: Ich werde mich bestimmt einmischen, wenn ich etwas zu sagen habe, wie jetzt bei der Schule, aber sicherlich nicht in einer Partei. Ich fühle mich übrigens auch einigen bei den Grünen noch sehr verbunden. Deswegen ist mir auch der Parteiaustritt schwer gefallen.

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