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Der Held von Rheinhausen – Rolf Karling: „Wir versorgen 5000 Duisburger Woche für Woche mit Lebensmitteln“

Vor einem Monat verübte der ehemalige Kriegsreporter das Kechup-Attentat auf Duisburgs unsäglichen OB Adolf Sauerland – seit Jahren managt er in Duisburg-Rheinhausen aus ganzem Herzen eine Lebensmittelausgabe und Armenküche – xtranews hat ihn einen Tag lang begleitet.

Wir treffen Rolf Karlin im „Todes-Tunnel“, wo die Gruppe Never Forget heute die „Reverse-Graffiti“ des Künstlers Lukas Loss herausbürstete.

Auf Nachfrage, ob sich denn der Kirchenvorstand bezüglich der Wohnungskündigung schon bei ihm gemeldet hätte, sagt er, dass weder der Pfarrer noch der Kirchenvorstand ihn angerufen hätten. Wir bitten Karling, uns die Immobile und den Pfarrsprengel in Rheinhausen zu zeigen. „St. Barbara soll geschlossen werden und an eine privatwirtschaftliche Urnenaufbewahrung werden“, erklärt er auf der Fahrt nach Rheinhausen. Er zeigt uns seine Wohnung, die Gemeinde und hat, Journalismus kann man nicht einfach abstreifen, viele Hintergrundinformationen und Dönekes. Im Grunde hat er aber gar keine Zeit, uns alles zu zeigen, da er jetzt in der Essensausgabe gebraucht wird. „Gleich haben wir einen richtigen Andrang im Verein“, sagt er in einer Mischung aus Stolz und Angewidertheit vor einer Gesellschaft, in dem Menschen in Essensausgaben stürmen.

Wir dürfen mit. Schon vor dem „Pater Rainer van Doorn Haus“, dem Vereinsheim von „Bürger für Bürger“ begrüßen ihn die Anwohner und auch Hilfsbedürftige mehr als freundlich, sie freuen sich Karling zu sehen. Eine etwa 45Jahre alte Frau fasst die Situation in einem einfachen Satz zusammen: „Für uns ist Rolf ein Held“.

Auf die Frage, wie er auf die Idee gekommen sei, den Verein „Bürger für Bürger“ zu gründen, sagt der kämpferische Hartz IV Empfänger süffisant: „Ich hatte die Schnauze von Barbara Salesch und Richter Holt einfach voll“. Am Anfang habe man noch mit den „Tafeln“ zusammengearbeitet, die dem Verein ihre Lebensmittel vor die Türe gefahren haben. Als aber der Bedarf zu groß wurde und Karling weitere Stadtteile mit Nahrungsmitteln versorgen wollte, stellten die Tafeln ihre Lieferungen ein. „Ich habe die Spenden dann mit einem Twingo bei den Geschäftsleuten abgeholt. Die haben an unseren Verein geglaubt und uns auch drei Monate Luft gelassen, damit wir von Amtswegen die „Mildtätigkeit“ für unseren Verein hatten“, so der Sozialarbeiter.

„Heute versorgen wir etwa 5000 Menschen in Bedarfsgemeinschaften wöchentlich mit Lebensmittel, das sind ein Prozent der Duisburger Einwohner“, Etwa 50 Bürger engagieren sich ehrenamtlich für den Verein. Ob als Fahrer, als Vorsortierer oder in der Kaffeeküche. Viele sind früher über einen Zwei-Euro-Job in den Verein gekommen, die mittlerweile gestrichen sind. Auch ohne die zwei Euros, ohne die gesellschaftliche Anerkennung, sind sie geblieben und stehen Tag ein Tag aus für die Bedürftigen in der Essenausgabe. „Der ein oder andere ist auch hier, weil er seine Sozialstunden ableisten muss, aber denen macht es richtig Spaß, was Sinnvolles zu tun“, erklärt Karling.

An die Essenausgabe angeschlossen ist ein großer warmer einladender Raum, mit Sesseln, Stühlen und Sofas. Hier sitzen Deutsche, Rumänen, Russen, Albaner, Türken, Christen, Moslems, Juden zusammen, reden, spielen Karten oder stricken Anziehsachen. Der Raum ist mehr als voll. Karling hat ein einfaches Credo: „Mir ist ganz egal, woher ein Mensch kommt, an was er glaubt. Er ist und bleibt Mensch“. Er weiß, wovon er spricht. Als Kriegsberichterstatter hat er im Kosovo alle „Niedertracht die Menschen, Menschen antun können“ tagtäglich erleben müssen.

Um 14Uhr bildet sich eine Schlange vor der Anmeldung. Hier sitzen jetzt Karling und ein Mitstreiter und vergeben gegen 1,50 Euro Ausgabemarken, die nummeriert die Reihenfolge bestimmen. Die meisten Bedürftigen sind schon im Computer registriert und müssen nur ihren Ausweis vorlegen, um in den Genuss der Lebensmittel zu kommen. Heute gibt es aber auch „Neuaufnahmen“, die erst einmal erfasst werden müssen. Neben dem Hartz IV – Bewilligungsbescheid, muss noch der Perso vorgezeigt werden. Aus dem Bescheid geht auch die Größe der Bedarfsgemeinschaft hervor, die auf den Ausgabemarken gekennzeichnet wird. „1P“steht für eine Person, „3P“ eben für drei hungrige Menschen. Je größer die Bedarfsgemeinschaft, desto mehr wird eingepackt. Während Karling die Marken an die Wartenden (deren Schlange sich mehrmals durch den Raum windet) ausgibt, bekommt er drei Anrufe auf sein Handy. Es melden sich Menschen, die gerne für den Verein ehrenamtlich arbeiten würden. Aber auch welche die Probleme mit der ARGE haben. Karling soll vermitteln, er ruft die ARGE an. Es sind Menschen, die ganz unten angekommen sind, die Probleme auch mit Drogenmissbrauch haben, um die sich Rolf Karling kümmert. Er begleitet sie zu Gerichtsverhandlungen, vermittel ihnen Jobs, macht Schriftverkehr. Aber auch die anderen Essenausgaben in Duisburg müssen koordiniert werden.

Um 15 Uhr beginnt der „run“. Immer drei Nummern werden aufgerufen, die sich hinten in der Essenausgabe bedienen dürfen. Heute darf sich jeder noch zwei Stück Apfelkuchen, eine Retoure aus dem „Friedensdorf“, mitnehmen. „Wir packen keine Tüten, hier kann jeder selbst sagen was er möchte“, so Karling, der den Bedürftigen Respekt und Achtung entgegenbringt, damit jene Würde und Selbstachtung wieder erlangen. Karling wärmt zum zweiten Mal seine Linsensuppe auf, die schon seit zwei Stunden vor ihm steht.

Manchmal sei er einfach froh, mit seinem Hund spazieren zu gehen.

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