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Loveparade: Interview mit dem Augenzeugen Uwe Grunwald

Foto0259Fragen an Uwe Grunwald, Augenzeuge Düsseldorfer Str. und Kreuzung Düsseldorfer Str./Karl-Lehr-Str., vor den westlichen Vereinzelungs-Schleusen (Einlass zum Tunnel = Beginn des Veranstaltungsgeländes)

Herr Grunwald, Sie waren am Tag der Loveparade von irgendwann morgens bis zum späten Nachmittag mit Ihrer Fotoausrüstung in der Stadt unterwegs. Sie hielten sich die meiste Zeit an der Kreuzung Düsseldorfer Str./Karl-Lehr-Str. auf, wollten aber eigentlich auf das Partygelände. Warum waren Sie nicht dort?

Uwe Grunwald: Ich empfand es im Kreuzungsbereich beängstigend voll. Die Trichter-Wirkung der Einlasskontrollen verstärkten bei mir den Eindruck von Gedränge. Letztendlich hat mich mein Fotorucksack davon abgehalten, mich in Richtung Tunnel zu begeben.

Seitens Polizeibeamten, die an dieser Kreuzung postiert waren, hieß es bereits am Vormittag, dass Menschen im Tunnel kollabiert seien, dass man daher nicht drängeln solle. Wie erklärten Sie sich das, vor allem so früh schon am Tag?

 

Uwe Grunwald: Der Zustrom über die Düsseldorfer Str. aus Richtung Hauptbahnhof war enorm. Die Menschenmassen drängten in Richtung Tunnel. Dort herrschte, so war mein Eindruck von außen, drangvolle Enge.

Wie voll war es da, wo Sie waren bzw. der Bereich, den Sie überblicken konnten?

 

Uwe Grunwald: Die Düsseldorfer Str. war bis weit hinter dem Polizeipräsidium prall mit Menschen gefüllt, die auf den Kreuzungsbereich drängten. Hier bildete sich immer wieder ein Pfropfen, da der Einlass ja reguliert wurde.

Ich habe einen jungen Mann mit Sonnenschirm beobachtet, der über die Düsseldorfer Str. kam. Den Schirm habe ich circa 1,5 Stunden im Kreuzungsbereich gesehen. Nur sehr langsam bewegte sich dieser Schirm in Richtung Einlass. Gegen 16.45 Uhr jubelte plötzlich die Masse. Was war da los? Sie kommentierten: „…die Kreuzung leerte sich zügig. Die Menschen strömten in den Tunnel. Das spricht dafür, dass die Schleusen vor dem Tunnel geöffnet wurden.“

 

Uwe Grunwald: Ja, das war seltsam. Die Kreuzung, die den ganzen Tag mit Menschen übervoll war, leerte sich fast schlagartig. Irgendwas hatte sich getan. Auf meinem Foto sieht man noch die Absperrgitter, wahrscheinlich hatte man "grünes Licht" für den Durchgang gegeben. Ist aber nur eine Vermutung. Der Blick in den Tunnel war wirklich beängstigend. Ich habe solche Menschenmassen auf so kleinem Raum noch nie gesehen. Auf der Kreuzung herrschte danach entspanntes Treiben.

 

Weiter schrieben Sie: „Sollte gleichzeitig der Zugang wirklich gesperrt gewesen sein, hat der hinten entstehende Druck das Problem sicher verschärft.“ Was meinten Sie damit?

Uwe Grunwald: Die große Menschenmenge, die plötzlich zügig in den Tunnel strömen konnte, muss vorne an der Rampe für zusätzlichen Druck gesorgt haben.

 

Sahen Sie, ob es einen speziellen Grund für eine Öffnung der Schleusen gab?

Uwe Grunwald: Es war schon später Nachmittag. Der Strom der Raver riss nicht wirklich ab. Viele Gäste waren schon lange unterwegs. Die Stimmung war zwar friedlich, aber viele waren wegen der chaotischen Zustände genervt. Möglicherweise wollte man Stress vermeiden.

Wie beurteilten Sie die Lage insgesamt?

 

Uwe Grunwald: Nach Öffnung der Schleusen und dem Zustrom in den Tunnel war der Tag für mich gelaufen. Ich habe mich auf den Heimweg gemacht. Diese Massen im Tunnel waren beängstigend.

 

Und die Organisation?

Uwe Grunwald: Die war für mich schon am Vormittag gescheitert. Schlechte bis keine Beschilderung, orientierungslose Menschen. Ich habe auf der Düsseldorfer Str. mit Leuten gesprochen, die vom Hauptbahnhof bis kurz vor besagter Kreuzung zwei Stunden und länger gebraucht haben. Teilweise wurde ja die Düsseldorfer Str. an der Kreuzung davor, dort wo das Hotel ist, gesperrt um den Zustrom der Menschen zu regulieren. Hatte sich die Düsseldorfer Str. halbwegs geleert, strömten die Massen wieder aufs Neue los. Nächster Halt für diese Menschen war dann der Einlass Karl-Lehr-Str., wo dann teilweise gar keine Partystimmung mehr herrschte.

 

Ein Anwohner, mit dem ich sprach, berichtete, dass die dortigen Polizisten offensichtlich sämtliche Ordner von circa 16.30 bis 16.45 Uhr kollektiv weg schickten (in Pause?), zumindest war kein Ordner mehr vor Ort. Können Sie diese Beobachtung bestätigen?

Uwe Grunwald: Würde die zügige Leerung der Kreuzung erklären.

 

Welche Strecke gingen Sie und wie lange brauchten Sie dafür?

Uwe Grunwald: Ich habe mich den ganzen Tag im Bereich Düsselddorfer Str. und der Kreuzung (Karl-Lehr-Str., Anm.d.Red.) aufgehalten. Ich wollte mit der Kamera die Stimmung in der Stadt einfangen. Den Entschluss nicht auf das Festivalgelände zu gehen, hatte ich früh gefasst. Es gab keinen Grund, diesen Entschluss zu revidieren. Die Situation war über den Tag gleichbleibend.

 

Sie sagen, dass die Leute völlig orientierungslos waren, dass Sie sehr häufig nach dem Weg gefragt wurden. Warum, glauben Sie, wurde gänzlich auf Beschilderungen verzichtet, nicht nur im Tunnel und vor den Rampen, wofür der Veranstalter Lopavent zuständig gewesen wäre, sondern ab Bahnhof bereits, wo die Stadt dies versäumte oder nicht gewollt hatte?

Uwe Grunwald: Für mich war das völlig unverständlich. Es gab auch für die Leute keinen "Lotsen“ oder Ansprechpartner. Die standen da auf der Straße und hatten keine Ahnung, wo es lang geht. Wie die Lemminge, immer der Masse hinterher.

 

Ich bin hier mit meiner Meinung drastisch(er): Für mich sieht es so aus, als hatte man mit Absicht die Menschen orientierunglos sein lassen, um Zeit zu schinden. Von wegen, ach, da kommen ja nur „die durchgeknallten Raver“…

Uwe Grunwald: Könnte natürlich sein. Mit dem Wissen um die Organisation, das man heute hat, will ich nichts ausschließen.

 

Wir haben heute den 12. Januar 2011. Sie sagen, noch immer beschäftigt Sie (und Ihre Familie, Freunde ?) diese Katastrophe täglich. Wie bewerten Sie das Ganze heute?

Uwe Grunwald: Obwohl ich nicht unmittelbar am Katastrophenort war, beschäftigt mich das Thema sehr. Ich habe einigen Leuten, die mich nach dem Weg fragten, den Weg Richtung Tunnel gezeigt. Das hinterlässt heute immer noch ein ganz mieses Gefühl. Ich habe viele fröhliche Menschen fotografiert. Der Gedanke, es könnte eines der Opfer auf den Bildern sein, empfinde ich als extrem bedrückend. Der Umgang ALLER für die Veranstaltung Verantwortlichen ist beschämend und muss für die Angehörigen der Opfer unerträglich sein. Es ist beschämend für diese Stadt. Zu glauben, man könne das aussitzen und irgendwann wieder zur Tagesordnung übergehen, wird auf Dauer nicht funktionieren.

 

Was denken Sie über das Nachspiel, das ja noch immer ein desaströses Trauerspiel ist, z.B. die „Mahnmalsache“ nebst all ihren Skandalen am Rande?

Uwe Grunwald: Das setzt meiner Meinung nach dem Ganzen noch die Krone auf und zeigt, wie provinziell diese Stadt doch in Wirklichkeit ist. Die "Diskussion" um den Standort ist unerträglich. Das Mahnmal gehört an die Rampe! Und alle, die hier eine Entscheidung treffen könnten, gehören in einen Raum gesperrt, bis das Thema vernünftig gelöst ist. Unerträglich! Über die peinliche Nummer mit dem "Siegervorschlag" möchte ich mich nicht weiter auslassen. So etwas hätte ich nie für möglich gehalten. Abgeschmackter geht es ja kaum noch.

 

Was möchten Sie noch ‚“loswerden“ bzw. anmerken, was ist Ihnen eventuell ein Anliegen?

Uwe Grunwald: Ich wünsche mir eine zügige Aufklärung um die Schuldfrage. Ich hätte mir gewünscht, dass die traurigen Gestalten auf der ominösen Pressekonferenz die Verantwortung übernommen und ihren Hut genommen hätten. Diese Veranstaltung wird immer einen schwarzen Fleck auf unsere Stadt werfen. Und das Verhalten der Verantwortlichen, vor allem des Oberbürgermeisters, haben diesen schlimmen Eindruck verstärkt. Sie haben mit ihrem feigen Verhalten der Stadt großen Schaden zugefügt.

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