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Supertalent? Ohne mich!

Image by Wikipedia

Gestern war mal wieder so ein Abend. Irgendwie nichts gescheites zur Prime-Time im Fernsehen. Also blieb ich diesmal bei RTL hängen. SUPERTALENT stand auf dem Programm. Ich sah mir das an. Zumindest teilweise, mehr ertrug ich nicht!

Deutschland hat das Fernsehprogramm, was es verdient, hat mal irgendjemand gesagt. Aber waren wir alle so schlecht, das wir DAS verdient haben? Würde eine kollektive Abbitte nutzen um Gnade seitens der privaten TV-Anstalten zu erfahren? Wohl kaum. RTL und sein Kind RTL 2 sind bekannt dafür, gnadenlos jede noch so vermeintlich interessante Sau durchs Dorf zu jagen, wenn sie nur Quote bringt.

Also versuche ich mich mal, als zugegebenermassen nicht ganz unvoreingenommener, Rezensent. Dem Widerspruch mannhaft ins Auge blickend.

Diese Show beginnt mit dem höchst peinlichen Einzug der Jury-Gladiatoren. Standesgemäß erscheinen sie hoch auf einem Elefanten sitzend. Entfesseltes und kreischendes Klatschvieh erwartete die drei Protagonisten bereits mit frenetischem Applaus und sinnlosem Jubel vor der Arena.

Die Gladiatoren im einzelnen sind: der omnipotente Dieter Bohlen vorne weg, gefolgt von der „charmanten und bezaubernden“ (diese Attribute werden stets bei ihrer Namensnennung in einem Atemzug mit gesagt) Sylvie van der Vaart und dem irgendwie dauernervigen Bruce Darnell. Diese drei stellen laut RTL die ultimative Jury dar, wenn es darum geht, Deutschlands Supertalent zu entdecken und zu küren. Nach diesem Opening wollte ich eigentlich schon nicht mehr weiter sehen, aber da ich mir vorgenommen hatte, auch mal mitreden zu wollen, blieb ich mutig vor der Glotze sitzen.

„Sicher wirds noch toll!“, dachte ich gestern Abend, mittlerweile aber erkennend, wie naiv ich war. Denn es kam noch schlimmer!

In fürchterlich nervenzerfetzenden Kameraschnitten wurden uns die Gesichter von Bohlen, Darnell und der „bezaubernden“ Sylvie immer und immer wieder vorgeführt. Mal in schneller Abfolge, mal quälend lang. Man las Erschrecken und Panik in ihren Gesichtsausdrücken und dem Zuschauer wurde suggeriert, das die drei da gerade etwas unheimlich spektakuläres zu sehen bekommen. Dazu aber später. Denn das etwas noch peinlicheres als diese drei Gladiatoren geboten wurde, habe ich kaum noch für möglich gehalten. Aber es steigerte sich noch dramatischer, und das mächtig:

Das enthusiasmierte Studiopublikum! Eine kreischende, gröhlende, pfeifende, wild gestikulierende Menge an Menschen jeden Alters und Geschlechts. Ich fragte mich, wer diese Ansammlung wohl sein könne. Alles typische Fans von Bohlen oder des Senders RTL? Da ich dies für nicht möglich hielt, entschied ich mich dafür, das es sich hier um die gesamte Belegschaft des Kölner Senders RTL handeln müsse, von der Reinigungskraft bis hin zur leitenden Redaktion zwangsverpflichtet per Arbeitsvertrag, dieser Show bei zu wohnen. Quasi bezahlte Überstunden. Der sendereigene Vorklatscher selbstverständlich mit inbegriffen. Denn irgendwie hatten alle immer die gleiche Meinung. Top oder Flop, Abstufungen scheints da nicht zu geben.

Um was gehts eigentlich in dieser Sendung? Klar, um das neue deutsche Supertalent! Und davon wurde einiges aufgeboten.

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Da war beispielsweise eine unscheinbare kleine Frau, tagsüber arbeitet sie sonst in einer Telefon-Sex-Hotline erklärte sie, und abends lässt sie die Celine Dion heraus. Und dieses Talent stellte sie der Jury und uns allen unbarmherzig vor. Eva, so heisst das bescheidene Wesen, piepste dann sofort los. „My heart will go on..“ interpretierte sie den Titanic-Klassiker auf eine eigene, höchst spezielle Art. Klar, dass das Studiopublikum vor Entsetzen kreischte und die Daumen im Kollektiv nach unten senkte, wie in alter Nero-Manier. Bruce Darnell, Bohlen und die „bezaubernde“ Sylvie erteilten ihr dann auch drei mal ein klares Nein! Ich fand sie gar nicht so schlecht, gemessen an dem, was sonst noch so kam. Man fährt ja seine Ansprüche bereitwillig nach unten, will man sich so einen TV-Genuss nicht selbst versalzen.

Allerdings, danach tat sich auch nicht viel aufregendes. Ein 6-jähriger Bauchtänzer, ein Trapezakrobat ( immerhin, er war ganz gut. Er sorgte für den Anfangs beschriebenen Aufschrei der Jury, als er einen freien Fall imitierte!), eine obligatorische Hundeshow, die die Herzen der Jury eroberte und schlussendlich ( für mich, danach klinkte ich mich aus dem laufenden Programm aus), eine viert-Klässlerin, die eine selbst komponierte Ballade mit dem Titel „Liebesschmerz“ vortrug. Diese 9-jährige, die bereits seit dem 4. Lebensjahr singt, wie sie sagt,und nun auch selbst geschriebene Lieder vorträgt, brachte Bohlen zu seiner ekstatischen Bewertung: „Ein Wunderkind!“. Dieses Lied hätte sie anlässlich einer einseitigen Liebe verfasst und damit ihren Liebesschmerz verarbeitet, wie ihre Mutter ergriffen erklärte. Armes Kind, dachte ich.

Mutter und Vater hockten in den Kulissen, den Tränen der Rührung nahe, ob der Leistung ihres Sprößlings. War das nun ein Wunderkind, so wie Bohlen befand? Für mich nicht. Für mich war dieses kleine Mädchen eines von vielen Kindern, welche in solchen Shows vorgeführt werden, getrieben von einer meist karrierewütigen Mutter, die in ihrem Leben selbst mal hätte Star sein wollen aber es nie schaffte. Wer diesem Mädchen, welches noch lange keine ausgereifte Stimme hat, empfohlen hat den Titel „Listen“ von Beyonce auch noch anzustimmen, ( einem Pop-Titel, der nun wirklich in die oberste Liga gehört, was gesangstechnischem Anspruch betrifft), vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ist ja auch nur meine eigene Meinung. Habe vielleicht den derzeitigen Mainstream verpasst.

In Erinnerung blieb mir der erst 6 Jahre alte Bauchtänzer, der in Tränen ausbrach, als die unerbittliche Jury ihm ein klares NEIN entgegen schleuderte. Aus der Traum-für einen kleinen Jungen.

Im Nachhinein habe ich mich dann im Internet belesen, was ich im Verlauf dieser Staffel von SUPERTALENT versäumt hatte. Unter anderem eine Dame aus Amerika, die mit ihren künstlichen Mega-Brüsten Melonen zerschlug oder ein „Maler“ aus Australien, der mit seinem Penis Gemälde erschuf. Wahrlich, gottgegebene Talente!

Die Auswahl an begnadeten Talenten wird schwer für diese Fachjury. Ich frag mich seit gestern, was würde passieren, mal so ganz rein hypothetisch gefragt, denen steht ein neuer, ein wiedergeborener Mozart, ein echtes Wunderkind, gegenüber? Würde Bohlen es erkennen, nebst Bruce und der stets „hinreissenden“ Sylvie?  Und vor allem: würde es dieses Publikum? Wäre es dann nicht vollends verwirrt?

Wie ich den weiteren Infos zu dieser Sendung entnommen habe, wurde eine koreanische Geigenvirtuosin ausgebuht, als sie die verdammt schwere Einleitung zu Bruchs Violinkonzert in g-moll spielte. Da waren die Jury und das Publikum am Ende ihres Lateins angekommen. RTL vermutlich auch.

Jeder soll gucken, was er will oder verdient. Ich muss das nicht. Mir hats gereicht. Komme ganz gut ohne deutsche Supertalente durchs Leben. Nur gut, das ich für so etwas keine Zwangsgebühren a la GEZ zahlen muss. Was aber ein anderes Thema wäre. Denn wofür wir da zur Kasse gebeten werden, ist sicher einen extra Artikel wert.

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