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Jurga im Urlaub, Teil 7: Zu Gast bei Joachim Meyer an der Ben-Gurion-Universität

Werner Jurga und Joachim Meyer (v.l.) - Foto: M. R. Jurga

Nachdem Joachim Meyer im Sommer 1973 das Gymnasium in Mülheim an der Ruhr, in dem wir beide in der gleiche Klasse und recht gut befreundet waren, verlassen hatte, weil er nach Israel emigrierte, hatten wir uns völlig aus den Augen verloren. Seit knapp vier Jahren haben wir wieder Kontakt zueinander und sehen uns hin und wieder – im Grunde gar nicht so selten. In Berlin, in der Negev Wüste, in Mülheim an der Ruhr und in diesen Tagen eben wieder in Israel. Am Montag trafen wir uns in Beer Sheva; dort arbeitet und lebt Joachim Meyer.

Dr. Joachim Meyer ist Professor an der Ben Gurion Universität des Negev (BGU) – im Department für Wirtschaftsingenieurwesen und Management. Er leitet das Labor für kognitive Technik und reist in dieser Funktion viel in Europa herum. Er macht „Human-Computer Studies“, die sich bspw. mit der Anwendung von Prinzipen der Kognitionspsychologie auf das Lernen von Robotern befassen. Ich sehe mich gegenwärtig nicht im Stande, ihnen diese Dinge näher erläutern zu können. Vielleicht würde es Sie nicht einmal sonderlich interessieren. Damit würde es Ihnen allerdings anders gehen als namhaften deutschen Konzernen, die sich Prof. Dr. Joachim Meyers Arbeit offenbar einiges kosten lassen.

Inzwischen gibt es mehr als 20000 Studierende an der BGU; damit prägt die Uni das Bild der 200000 Einwohner zählenden Wüstenstadt Beer Sheva. Ich hatte schon während meines ersten Israelbesuchs kurz die BGU besucht; diesmal jedoch blieb ich einige Stunden. Stunden, die sich gelohnt haben. Es ist zwar nicht weiter außergewöhnlich, dass eine Universität etwas besser in Schuss ist als die Hochschulen in Deutschland, wo man für Bildung zwar viele schöne Worte übrig hat, allerdings umso weniger Geld. Doch zweifellos ist die BGU selbst für israelische Verhältnisse eine ganz besonders schöne Universität.

Joachim Meyer hatte sich ins Zeug gelegt, dass wir eine Sondergenehmigung bekommen, mit unserem Auto auf dem Universitätsgelände parken zu können. Kein ganz einfaches Unterfangen; denn in Israel wird, wie Sie wissen, „Security“ allerorten ganz groß geschrieben. So schön wie die Architektur und die ganze Anordnung der Uni-Anlagen, so angenehm wie beeindruckend war auch die Atmosphäre auf dem Campus. Nicht ganz leicht zu beschreiben, zumal wenn man den deutschen Studierenden auf keinen Fall zu nahe treten möchte. Ich will es damit bewenden lassen zu sagen, dass das „Feeling“ von einer mir in dieser Form bislang unbekannten Mischung aus konzentrierter Tüchtigkeit und lässiger Lockerheit geprägt zu sein schien.

Besonders ins Auge fielen mir die zahlreichen muslimischen Studentinnen. Während ich ihr Treiben inmitten ihrer jüdischen Kommilitoninnen betrachtete, schoss mir das idiotische Gequatsche vom „Rassismus“ im „Apartheidstaat Israel“ durch den Kopf, das in der Heimat die als „Antizionisten“ getarnten Antisemiten anstimmen. Joachim machte mich darauf aufmerksam, dass ich ja nur die sehr traditionellen arabischen Studentinnen erkenne. Die Mehrheit der Palästinenserinnen, wie wir sie in Deutschland nennen würden, sind für mich nämlich gar nicht erkennbar. Richtig: für mich sichtbar waren Muslimas aus konservativen Familien – wegen ihres Outfits. Das war alles; ich sah auch unter den männlichen Studenten weder Muslime mit Vollbart noch Juden mit orthodoxer Aufmachung.

Wie es nach dem Studium für die Araberinnen beruflich aussieht, wollte ich von Joachim noch wissen. Hier war seine Antwort jedoch äußerst ernüchternd. Bei den zumindest mit Kopftuch, wenn nicht strenger islamischen gekleideten Studentinnen ist sicher davon auszugehen, dass sie – selbst bei gutem Hochschulabschluss – nicht beruflich tätig sein werden. Dies verbietet ihnen die Tradition; sie werden studierte Hausfrauen und Mütter, wobei jedoch auch unter den Palästinensern ein Uni-Diplom durchaus prestigeträchtig ist. Den etwas moderneren Glaubensschwestern, also den für mich auf dem Campus nicht erkennbaren, sei allenfalls ein Halbtagsjob in klassischen Frauenberufen erlaubt.

Nochmal: die Restriktionen für die arabische Frau gehen keineswegs von den „zionistischen Unterdrückern“ aus, sondern von den muslimischen Familien. Der Staat Israel – und hier besonders die BGU – unternimmt alles Menschenmögliche, um das Bildungsniveau seiner arabischen Bevölkerung anzuheben. So werden bspw. viele Seminare in arabischer Sprache angeboten, die nur von Frauen belegt werden dürfen. Gäbe es dieses Programm nicht, sagt Joachim, hätte ich nicht eine einzige Studentin mit Kopftuch gesehen. Ihre Familien hätten das Studium schlichtweg verboten.

Doch sie müssen schon ein wenig aufpassen. Trotz aller Schwierigkeiten, das Unigelände zu betreten – eine Universität mit zwanzigtausend Studenten lässt sich nicht hermetisch abriegeln. Ab und zu kommt doch einmal der Bruder oder der Cousin einer arabischen Studentin gucken. Und dann sollte sie sich nicht beim Flirt mit einem Kommilitonen erwischen lassen. Dennoch, sagt Joachim, käme es in abgelegenen Ecken einiger Gebäude zu solcherlei stundenlangen Plaudereien – natürlich ohne Knutscherei, aber trotzdem … ein unverkennbares Zeichen nicht-familiengesteuerter Partnersuche. Freilich ausschließlich unter arabischen Herren, denn sich mit einem jüdischen Studenten bei einem solchen Gespräch erwischen zu lassen, bedeutete höchste Lebensgefahr.

Nachmittags holten wir Joachims Kinder von der Kita und aus der Grundschule ab, um danach bei ihm zuhause auf der Terrasse zu Abend zu essen. Hier entstand auch das Foto zu diesem Artikel. Wir hatten darauf verzichtet, auf dem Campus zu fotografieren. Eine – wenn auch kleine – Auswahl von Fotos der BGU finden Sie bei Wikimedia. Hier.

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