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Magischer Steampunk: Bernd Perplies neuer Roman „Magierdämmerung“

Gastbeitrag von Christian Humberg

Jonathan Kentham ist nicht zu beneiden. Der junge Journalist aus dem viktorianischen London will eigentlich ein ganz normales Leben führen, alas, man lässt ihn nicht. „Man“ ist in diesem Zusammenhang die geheime Welt der Magie, in der – unbemerkt von den Normalos, die Jonathan gerade hinter sich lässt – dramatische Ereignisse das Schicksal des gesamten Erdballs zu prägen drohen.
Der brutale Mord an einem führenden Magier erschüttert die elitär-verschworene Londoner Zauberszene. Gleichzeitig stößt ein Forscherteam mit zwielichtigen Motiven auf dem Meeresgrund auf die Reste von Atlantis und setzt die legendäre Wahre Quelle der Magie frei, und der unwissende Kentham, unfreiwillig Zeuge des Mordes geworden, erhält Informationen, deren Besitz ihn zum Spielball sinistrer Mächte werden lässt und ihn vielleicht das junge Leben kostet …

Bernd Perplies’ neue Trilogie beginnt episch und macht schon nach wenigen Seiten deutlich, dass der Autor nach seiner gefeierten „Tarean“-Trilogie kein Interesse daran hat, eine Variation seines alten Erfolgrezeptes zu bieten. „Magierdämmerung“ scheint deutlich breiter aufgestellt und scheut sich nicht, diverse parallele Handlungsstränge zu verfolgen, deren Verknüpfung sich dem Leser erst nach und nach offenbart – aber dann richtig!

Wie kam es eigentlich zu dem neuen Projekt? „Schon kurz nach ‚Tarean – Sohn des Fluchbringers’“, erinnert sich der Autor im Gespräch mit dem Corona Magazine, „fragte mich meine Agentin, ob ich neben der klassischen Fantasy auch gerne andere Subgenres der Phantastik erforschen würde. ‚Ja, natürlich’, war meine Antwort. Tatsächlich hätte ich nach einer Fantasy-Trilogie ohnehin das Genre wechseln wollen, denn ich mag es nicht, mich in bestimmten Bahnen festzuschreiben. Ich liebe die Abwechslung. Als es an die Ausarbeitung eines Konzepts ging, wählte ich das viktorianische Zeitalter als Setting, denn ich bin ein großer Freund der Geschichten des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, von ‚Der Unsichtbare’ über ‚Robur der Eroberer’ bis ‚20.000 Meilen unter dem Meer’. Darüber hinaus wollte ich unbedingt mal mit diesen literarischen Stoffen spielen, etwa in der Art, wie es auch Alan Moore in ‚The League of Extraordinary Gentlemen’ gemacht hat.“

Nicht zuletzt letzteres Werk, Alan Moores Abenteuer-Meta-Comic, zeigt eindeutig steampunkige Einflüsse – eine Strömung, die auch die aktuelle deutsche Phantastikszene zu begeistern scheint. Ist „Magierdämmerung“ also Steampunk?
Perplies legt sich nicht fest. „Ob die Trilogie Steampunk ist, hängt davon ab, wie der Begriff definiert wird“, sagt er und lächelt entschuldigend. „Der engen, ursprünglichen Definition als Variante der Science-Fiction, in der es um fantastische Technik in einer pseudoviktorianischen Zeit geht, werden die Romane wohl nicht gerecht. Im Laufe der letzten Jahre wurde dieser Begriff jedoch meines Erachtens durchlässig und öffnete sich auch Dingen wie der Magie und wundersamen Wesen. In diesen modernen Steampunk ordnet sich die ‚Magierdämmerung’ recht gut ein, wobei Gaslight Fantasy vielleicht noch korrekter wäre, denn der Fokus der Geschichte liegt auf der Magie und nicht auf Technik.“

Diese Magie wird in den Romanen, von denen jüngst der erste Band als Klappbroschur bei Perplies’ Hausverlag Egmont-Lyx erschien, auf sehr innovative Weise realisiert und beweist abermals, wie filmisch der studierte Filmwissenschaftler Perplies an seine Szenen herangeht. „Grundlage hierfür war eine Erinnerung an meinen Physikunterricht in der Schule“, verrät er. „Ich fand den Gedanken damals faszinierend, dass wir nicht sehen können, weil unsere Augen aktiv etwas dazu beitragen würden, sondern weil Licht von der Sonne oder einer Lampe von Oberflächen reflektiert wird und in unsere Augen fällt. Es existiert also eine Verbindung zwischen den Dingen um mich herum und meinen Augen: in Form von Lichtstrahlen. Weitergedacht gibt es natürlich auch noch ‚Verbindungen’ in Form von Schallwellen, Infrarotstrahlen und einigem mehr. Phantastisch vereinfacht wurde daraus das Fadenwerk, das diese Verbindungen sichtbar macht und das der kundige Magier nicht nur sehen, sondern auch mehr oder minder gut manipulieren kann.“

Gaslight Magic


Auch das trägt zur besonderen Atmosphäre der von Perplies bewusst auf drei Bände angelegten Geschichte bei: Der Autor versteht es, aus dem viktorianischen Setting – in phantastischen Romanen keine Seltenheit – das Beste herauszuholen und den Leser wiederholt zu überraschen.
„Das ausgehende neunzehnte Jahrhundert war – gerade für die Abenteuerliteratur – eine wundervoll produktive Epoche. Bram Stoker, Arthur Conan Doyle, H. G. Wells und Jules Verne, um nur ein paar zu nennen, schufen Geschichten, die heute allesamt als Klassiker der Phantastik gelten. Es war auch gesellschaftlich und technologisch eine faszinierende Zeit: Auf der einen Seite ebneten Errungenschaften wie die Telegrafie, das Automobil oder Elektrizität den Weg in die Moderne. Auf der anderen Seite existierten überall noch weiße Flecken auf der Landkarte, die den Forscherdrang und die Fantasie der Menschen anregten. Auch wenn weder das eine noch das andere explizit Thema in der ‚Magierdämmerung’ ist, zieht sich dieses Aufeinanderprallen von Technik und Mysterium doch wie ein roter Faden durch die Romane.“

Ein weiterer Quasi-Faden besteht aus den literarischen und (pop)kulturellen Anspielungen, derer sich Perplies bewusst bedient, um sein eigenes London der Zeit noch facettenreicher zu gestalten. Figuren wie der dandyhafte Magier Jupiter Holmes – angeblich Inspiration eines gewissen Sir Arthur Conan Doyles für Geschichten über seinen Meisterdetektiv – bleiben im Gedächtnis, nicht weil, sondern obwohl sie mit den Manierismen und Attributen bekannter Vorlagen spielen. Wer Perplies’ Romane kennt, weiß, dass dies keine Seltenheit für den Autor darstellt. „Die ‚Tarean’-Trilogie war für mich eine Art Steven-Spielberg-80er-Jahre-Abenteuerfilm in Buchform“, gesteht er freimütig. „Entsprechend habe ich dort zahlreiche kleine Hommages an die Spaß-Blockbuster jener Zeit eingebaut, von ‚Terminator’ über ‚Gremlins’ bis ‚Star Wars’ und ‚Indiana Jones’. Die ‚Magierdämmerung’ dagegen ist für mich ganz eindeutig ein Kind der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts: Jules Verne, Arthur Conan Doyle, Bram Stoker etc. habe ich nicht nur gelesen, die Geschichten von Kapitän Nemo, Sherlock Holmes, Dracula und all den anderen ‚Helden’ jener Zeit bilden für mich auch die Mosaiksteinchen, aus denen wir uns heute das Bild der viktorianischen Epoche zusammensetzen. Mit diesen Steinchen wollte ich ein bisschen spielen.“

Neben aller literarischen Spielfreude merkt man dem Text auch den immensen Rechercheaufwand an, den Perplies in Figuren und Handlungsorte investiert haben muss. „Es war schon überraschend, wie viel Arbeit es ist, sich all die Fragen zu beantworten, die einem beim Schreiben in einem historischen Setting kommen mögen“, weiß Bernd Perplies zu berichten. „Vor allem, wenn man über diese Zeit bisher nicht viel mehr wusste, als das, was einem in Romanen oder Filmen präsentiert wurde. Ich bin praktisch ständig konkreten Detailfragen nachgegangen: Welche Autos waren 1897 modern? Wie konnte man von Glasgow nach London gelangen? Wie sah der Fleischmarkt am Smithfield in London eigentlich innen und außen aus? Und gab es in der Fünfzig-Seelen-Gemeinde Bridge of Orchy schon eine Bahnstation? All das waren Fragen, die mir beim Schreiben im Nacken saßen. Und so hätte ich sicher noch viel mehr Zeit mit Recherche verbringen können, als ich es bereits getan habe – aber die ‚Magierdämmerung’ ist letzten Endes kein Geschichtsbuch, sondern ein Abenteuer.“

Atlantis Reloaded


„Es ging mir gar nicht so sehr um Atlantis“, sagt der Autor, als wir ihn auf die packende Hintergrundgeschichte seiner neuen Trilogie ansprechen, „als vielmehr um das Eingangsbild einer im Meer versunkenen Zivilisation, durch deren Ruinen ein Mann in einem klobigen Taucheranzug stapft, während hinter ihm der Schatten eines bizarren Tauchboots im Wasser hängt. Das war der Ausgangspunkt. Darüber hinaus gefiel mir die Vorstellung, dass mit dem Verschließen der Quelle vor Tausenden von Jahren diese mitsamt der Insel, auf der sie lag, von den Fluten verschlungen worden sein könnte – auf dass kein Sterblicher sie jemals wieder fände. Konsequenterweise hat sich die Insel nun, nach dem Öffnen des Siegels, wieder aus dem Meer erhoben, was, ganz nebenbei gesagt, ein spektakulärer Moment auf der großen Leinwand wäre.“

Bernd Perplies’ „Magierdämmerung 1: Für die Krone“ ist ein verspielt-mitreißendes Abenteuer voller Tempo, Humor und faszinierender Charaktere. Es beweist eindrucksvoll, dass der Autor nach seiner „Tarean“-Trilogie auch neue Wege zu beschreiten bereit ist – mit Erfolg! Ungeduldige Leser mögen sich am offenen Ende des Romans stören, sollten aber bedenken, dass diese Geschichte, wenngleich sie in drei Büchern erscheinen wird, als Einheit zu verstehen ist. Und ein „filmischer Autor“ wie Perplies versteht es definitiv, mit Cliffhangern umzugehen …

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