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Duisburg: Sondersitzung des Stadtrates – Über Demonstranten, Gutachterinnen und Marginalien

Im hinteren Teil des Rathausparkplatzes sammelten sich gestern die ersten Anhänger von Adolf Sauerland, verteilen Transparente und T-Shirts mit dem Slogan „Unser OB muss bleiben“. Bei Transparenten war wohl Eile geboten, denn auf Rechtschreibung wurde keine Rücksicht genommen. Die Demonstranten waren zum größten Teil Senioren (CDU-Chef Mahlberg begrüßte viele per Handschlag) und türkische Mitbürger, vielleicht eine der letzten Bastionen von Adolf Sauerland. Unter den anwesenden Journalisten machte teilweise das Wort „Fremdschämen“ die Runde. 45 Minuten waren die Sauerland-Anhänger recht ruhig und genossen die September-Sonne. Erst als sich stadtrat-lopa-2243 eine kleine Gruppe  Demonstranten einfand, die die Absetzung von Sauerland forderten, begannen die Sauerland-Fans sofort diese „Gegendemonstration“ zu unterbinden. Besonders taten sich hier unsere ausländischen Mitbürger hervor, die stark gestikulierend jeden Gegenprotest verhindern wollten. Als dies nicht reichte versuchte man die Polizei hin zu zu ziehen. Die hinzugezogenen Beamten trennten beide Blöcke, so dass beide Gruppen ihr Anliegen vertreten konnten. Dies war der Sauerlandgruppe nicht recht und „Anti-Sauerland“ Plakate wurden mit Pro-Sauerland-Transparente verdeckt.

Dieses Spielchen wurde sogar peinlicher Weise auch vor den Ratsabgeordneten der LINKEN vollzogen, als diese mit T-Shirt „Duisburg kann es besser … ohne OB Adolf S.“ vor die Rathaustür zogen. Demokratie und Demokratieverständnis ist eben Auslegungssache.

Stadtdirektor Peter Greulich simst lieber

Die eigentliche Ratssitzung wurde, entgegen der Absprache mit dem Kommnikationsreferat, welches den Journalisten 15 Minuten Fotostreckenzeit zugesagt hatte, von Adolf Sauerland mit der Ansage, dass weder Ton- noch Filmaufnahmen gestattet seien, eröffnet. In einer kurzen Ansprache Sauerlands,in welcher er zur Verwunderung aller Anwesenden auf seinen Eid verwies, allen Schaden von der Stadt abzuwenden, schilderte er noch einmal seine Sicht auf die Loveparadetragödie.

Jürgen Hiltwein, der Sprecher der Opfervertreter, ein Vater der sein Kind auf der Loveparade verloren hatte, hielt eine eindringliche Rede über Verantwortung, Moral und Anstand und forderte den Oberbürgermeister auf, eben diese Verantwortung endlich zu übernhmen und den längst überfälligen Rücktitt zu verkünden.

Sauerland nahm dies, wie auch auch die anderen Reden starr, teils gelangweilt hin. In Punkto Gelangweiltheit wurde der Oberbürgermeister nur noch von seinem Stadtdirektor Peter Greulich übertroffen, der lieber fünf Stunden lang simste als zu zuhören.

Was nun folgte, war kommunalpolitische Juristerrei vom Feinsten. Sollte man die Initiatoren des Einwohnerbegehrens zur Abwahl des OBs sprechen lassen?

Juristin Astrid Jochum vom Referat für Bürgerangelegenheiten gab ihre rechtliche Bewertung ab und danach könne eine Sprechzeit über ein nicht rechtlich richtiges Einwohnerbegehren, nicht sondergleich richtig sein. Kompliziert. Jürgen C. Brandt von der SPD und auch Hermann Dierkes von den LINKEN wollten diese Abwertung von 10.000 Bürgern nicht dulden und verlangten eine Sitzungsunterbrechung, damit Werner Hüsken als Initiator des Einwohnerbegehrens, außerhalb des Protokolls Rederecht bekäme und somit auch die Duisburger Bürger. Dies wurde nach längere Aussprache per Abstimmung genehmigt.

Die Rede von Werner Hüsken haben wir hier veröffentlicht.

Gutachten sind der untaugliche Versuch eine selbstheilende Reinwaschung

Zur eingebrachten Resolution der SDP „Duisburg trauert“ gaben nun nach- einander alle Fraktionsführer ein Statement ab. Als erster ging Jürgen C. Brand an Rednerpult. Die SPD könne es nicht verstehen, dass für die heutige Sondersitzung des Rates Unmengen an Papier für Gutachten gedruckt worden seien, die Stadtspitze „jedoch keinerlei Text für Trauer, Gedenken und Dank gefunden“ habe. Alles was man von der Stadtspitze in den letzten Wochen gehört hätte, wären Rechtfertigungen und Ausflüchte gewesen.

Brandt betonte, dass bisher niemanden eine Schuld für die Tragödie nachgewiesen worden sein und er und seine Fraktion die Bedrohung von in Verdacht geratenen Personen und deren Familien als völlig inakzeptabel betrachte.

Strafrechtliche Schuld aufzuklären und festzustellen, so Brandt, sind in unserem Rechtsstaat ein Privileg der Verfolgungsbehörden und Gerichte.

Deshalb seien irgendwelche Gutachten aus Kanzleien auch der untaugliche Versuch eine selbstheilende Reinwaschung zu erwirken, vor allem, wenn diese Gutachten von einer Kanzlei erstellt würde, die von der Stadt abhängig sei.

Brandt rief noch einmal in Erinnerung, dass es dilettantisch und verachtend war, den Opfern eigenes Verschulden vorzuwerfen und sich nach der Katastrophe hinzustellen und zu behaupten, dass das Sicherheitskonzept funktioniert habe, während Deutschland die Toten betrauerten und in den Krankenhäusern noch junge Menschen um ihr Leben kämpften. Genauso unerträglich sei es auch, dass versucht wurde die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung im Stich zu lassen und zu erklären, man selbst habe nicht unterschrieben. Unverschämt sei es, vor laufenden Kameras zu lügen, es lägen keine Adressen der Verstorbenen vor. Unverzeihlich sei es aber auch, dass der Rat der Stadt wissentlich über die zu erwartenden Besucherzahlen belogen worden ist. Basierend auf diesen Zahlen sei dem Rat und auch der Öffentlichkeit die Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Loveparade verkauft worden. „Die Wahrhaftigkeit in diesem Ratssaal ist verloren gegangen“ so Brandt.

Das Statement endet mit der Aufforderung den Weg frei zu machen, damit die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt selber darüber entscheiden können, ob Sauerland im Amt bleiben solle oder eben nicht.

Dierkes: Sie können das nicht aussitzen

Hermann Dierkes von der Linksfraktion hielt eine sehr sachliche, aber nicht minder bewegende Rede. Man müsse den Angehörigen helfen, jetzt und unbürokratisch. In Bezug auf die Stadtspitze spricht er von gravierenden Fehler, Fahrlässigkeiten und Unterlassungen. Dierkes betonte aber auch die Verantwortung der Dezernenten Rabe und Dressler sowie Uwe Gerste als Chef der Duisburg Marketing. Auch der Duisburger CDU-Chef Mahlberg und dessen Brandbrief an den ehemaligen Innenminister Ingo Wolf, den Loveparade-Kritiker und damaligen Duisburger Polizei-Präsidenten Rolf Cebin abzusetzen, wurde von Dierkes sacharf kritisiert. Dem Chef von ruhr.2010 Fritz Pleitgen gab er mit auf den Weg, dass er sich mit öffentlichen Ratschlägen zum Umgang der Kommune mit der Tragödie zurück halten solle.

Wie auch Brandt kritisierte Dierkes die Einschaltung von Anwälten und Gutachter. Es wäre besser gewesen, Fachkräfte aus der Essener und Dortmunder Verwaltungen hinzu zu ziehen, die sich mit den Genehmigungsprozessen der Loveparade auskennen würden, als abhängige Anwälte zu bezahlen.

Mit der Mahnung an Sauerland, dass er das nicht aussitzen könne, schloss Dierkes das Statement der Linksfraktion.

Petra Vogt von der CDU begrüßte die Aufklärungsarbeit von Adolf Sauerland und unterstützte sein Verlangen nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nach dem vorliegenden Gutachten gäbe es für die CDU aber keine Zweifel für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Loveparade.

Was an der Rampe passiert sei, könne heute niemand mit Sicherheit sagen.

Dieser Ausspruch Vogts wurde mit der Feststellung „Doch: dort sind 21 junge Menschen gestorben“ des Opfervertreters der sich auf der Empore befand lautstark quittiert. Vogt lies sich dadurch nicht beirren und legte nach: „… denn nichts verunglimpfe die Opfer mehr als ein unvollständiges Untersuchungsergebnis“.

CDU, Doris Janicki und Dieter Kantel gegen Rücktritt von Sauerland

Dieter Kantel sprach von der großen Transparenz in der Aufklärungsarbeit der Stadtverwaltung, die er in seiner 16Jährigen Ratsmitgliedschaft so noch nicht erlebt hätte. Er mahnte die Mitglieder des Rates, dass eben auch diese der Loveparade zugestimmt hätten und somit eine Mitschuld tragen würden.

(In einer Unterbrechung äußerten sich mehrere SPD-Ratsmitglieder gegenüber xtranews, dass sie absolut keine Probleme damit hätten, wenn der gesamte Rat zurücktreten würde und es zu Neuwahlen käme).

Für viele Ratshausbeobachter überraschend war auch die Rede des FDP Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Blies, der sehr eindringlich Sauerland zum Rücktritt aufforderte. Er schilderte wie ein Angehöriger der sein totes Kind nach Hause überführen wollte und keine befriedigende Antwort bekam. Die eine Abteilung sei nicht zuständig, die andere wüsste nicht was zu tun sei, ein dritter erklärte, dass die Stadt, da unter Nothaushalt, die Kosten für die Überführung nicht zahlen können. Entmutigt und mit seiner Trauer von der Stadt Duisburg alleine gelassen, wandte sich der Vater an die Landesregierung, wo er sofort die richtigen Auskünfte bekam und ihm ein Seelsorger an die Seite gestellt wurde. Die Stadtspitze habe vollends versagt.

In der folgenden Abstimmung trugen jedoch CDU, Doris Janicki und Dieter Kantel gegen die Stimmen der Mehrheit die Forderung nach einem Rücktritt nicht mit.

Ute Jasper: „Auch eine Diskothek wird nicht jeden Tag vom Ordnungsamt überprüft“

Adolf Sauerland bat dann die Gutachterachterin Frau Dr. Ute Jasper noch einmal ihr Ergebnis zusammen zu fassen. Einige Ratsmitglieder zogen es vor die Gelegenheit zu nutzen, um kurz „auszutreten“, was von Jasper mit den Worten „störe ich sie“ bedacht wurde. Doch diese Peinlichkeit blieb nicht die einzige. Ute Jasper forderte Respekt für ihre Arbeit ein. Sie lasse sich nicht verunglimpfen und Beleidigungen würde sie zurückweisen. Sie erwarte von allen die das Gutachten lesen den Respekt, dass sie die beste Arbeit gemacht hätte, was naturgemäß zum Szeneapplaus der CDU Stadträten führte.Für den Rest der Anwesenden fasste der linke Bürgermeister Erkan Kocalan das Auftreten Japers mit den Worten „Warum werden wir von ihnen wie Kinder behandelt Frau Jasper? Das Gutachten schuf weder Klarheit noch Wahrheit“

Nichts desto trotz gab Ute Jasper dennoch eine Zusammenfassung der Lesart, dass sich die Stadt zu keiner Zeit etwas zu Schulden hat kommen lassen.

Die Bauaufsicht sei auch gar nicht in der Pflicht gewesen, das vorgelegte Konzept, was zwischen Veranstalter und Sicherheitskräften verfasst wurde und damit den Charakter eines Gutachtens hätte, zu prüfen. So sei das nun mal in Deutschland.

In der darauf folgenden Fragestunde, war es besonders der FDP Ratsherr Albrecht, der Ute Jasper, Rabe und Hans-Peter Bölling (Leiter des Ordnungsamtes) in Erklärungsnöte brachte. So wurde von Albrecht gefragt, ob denn das Ordnungsamt bei der letzten Begehung am Tage der Loveparade, auf die Entfernung der Bauzäune auf der Entfluchtungsrampe geachtet hätte.

Bölling antworte, dass er nur auf die Entfernung von Baufahrzeugen geachtet hätte, aber nicht auf weitere Marginalien. Die Frage, ob es abgesprochen gewesen sei, dass Polizeifahrzeuge auf der Entfluchtungsrampe stehen durften, antworte Rabe, dass dies dem so sei und die Fahrzeuge auch nicht auf dem Fluchtweg standen, sondern auf einen erweiterten Grünstreifen, der nicht dazugehörte. Warum die Fahrzeuge mit Bauzäunen umstellt waren, mußte Gutachterin Jaspers zugeben, dass man diese Frage nicht geprüft hätte.

Albrecht bohrte weiter und wollte wissen, warum das Ordnungsamt nicht genauer geprüft hätte, da man doch sonst jedes Bierfest auseinander nehme.

Ute Jasper war sich an diesem Punkt nicht zu schade mit „auch eine Diskothek wird nicht jeden Tag vom Ordnungsamt überprüft“ zu antworten. Erst als Albrecht ungläubig den Vergleich der Tragödie der Loveparade mit einer x-belibigen Diskothek anmahnte, begriff auch Jasper die Tragweite ihrer Äußerung und entschuldigte sich.

Albrecht, der sich jetzt festgebissen hatte, stellte die Frage, welche Qualifikation denn Gutachter Schreckenberger hatte, um überhaupt ein solches für die Stadt erstellen zu dürfen und wer das überprüft hätte. Darauf antwortete Rabe, dass der Bölling den Schreckenberger gut fand und Schreckenberger hat ja auch mal was zu WM-Stadien gemacht und er war ja auch in der Zeitung.

Dies war dann wohl auch Albrecht genug und stellte weitere Fragen hinten an.

Nach einer weiteren Sitzungsunterbrechung, wurde dann in einem nicht öffentlichen Sitzungsteil über die Vertragsregelungen der Stadt Duisburg mit der Gutachterin Ute Jasper gesprochen. Obwohl nicht öffentlich bekam xtranews noch während der Sitzung details übermittelt.

Frau Dr. Ute Jasper bekommt einen Rahmenstundensatz zwischen 340 und 450 Euro und ihr Kollege einen Rahmensatz von 250 bis 330 Euro je Stunde.

Ein Anwalt, der selbst Gutachten verfasst, bestätigte uns auf telefonische Anfrage, dass wir hier getrost einen Mittelwert nehmen können und einen Stundenzahl von ca. 120 zugrunde legen könnten, so dass wie hier auf Kosten von ca. 40.000 Euro zuzüglich anfallender Spesen und 19% Mehrwertsteuer kommen.

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