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Am Tag der Loveparade: die Liveticker und der Livescreen

Duisburg, Karl-Lehr-Straße, 24. Juli 2010. Es war „gegen 17.30 Uhr“, als die Menschenfalle zuschnappte, schrieb Spiegel Online. Es kann auch schon um 17:15 passiert sein. Um 17.31 Uhr jedenfalls ist das Foto unten entstanden. Es zeigt Adolf Sauerland, wie er im Beisein von Dieter Gorny und Oliver Pocher auf seinem Blackberry eine soeben hereingekommene SMS liest. Gorny und Pocher lesen mit. Die drei Gesichter sprechen für sich.

Es ist in den letzten Wochen immer wieder darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem Loveparade-Desaster um eine Katastrophe mit Ansage handelte. Gemeint sind damit die Wochen und Monate vor dem 24. Juli mit all ihren ausführlich, wenn auch noch nicht hinlänglich erörterten „Ungereimtheiten“, um es einmal ganz neutral zu formulieren.

Dabei geraten mitunter die Stunden vor der Katastrophe etwas aus dem Blickfeld. Mir scheint es daher angebracht zu sein, daran zu erinnern, dass Journalisten vor Ort für die Liveticker von „RP Online“ und „der Westen“ berichtet hatten – „live“, wie der Name schon sagt. Ich hatte um 14 Uhr wie um 15 Uhr das mir wesentlich Erscheinende „mitgeschrieben“, also kopiert und eingefügt.
Es ist heute – fünf Wochen nach den Ereignissen – immer noch schockierend zu lesen, in welchem Zeitlupentempo sich die Dinge auf das Grauen hinbewegt haben. Hier eine Zusammenfassung der damaligen Zusammenfassungen:

Sechseinhalb Stunden vor dem Desaster

RP Online 10.58 Uhr (RP Online): An jeder Ecke stehen Polizisten. 2600 Beamte sind im Einsatz, sperren Straßen und führen Kontrollen durch. Selbst Anwohner werden nicht durchgelassen, wenn Sie sich nicht ausweisen können …

Viereinhalb Stunden vor dem Desaster

Von RP Online ist jetzt allerdings fast schon eine Stunde lang nichts mehr zu erfahren. Die letzte Meldung kam um 12.55 Uhr: “Die Karl-Leer-Straße, die Zugangsstraße zu dem Loveparade-Gelände, ist rammelvoll.“

Vier Stunden vor dem Desaster

13.28 Uhr („der Westen“): „Am Eingang aufs Gelände aus der Richtung Duisburg-Hochfeld haben sich inzwischen etwa 200 Meter Rückstau gebildet. Die Polizei informiert mit Durchsagen und bittet um Geduld, erntet aber nur Pfiffe. Die bisher eher entspannte Stimmung wird gelegentlich aggressiv, beruhigt sich aber immer wieder.“

Knapp drei Stunden vor dem Desaster

14.37 Uhr („der Westen“): “Der Pressestab im Hoist-Hochhaus meldet eine Wartezeit von 45 Minuten vor dem Eingang des Festivalgeländes.“

Immer noch fast drei Stunden Zeit, um die Reißleine zu ziehen. Es macht aber keiner, auch nicht die illustre Runde im Hoist-Hochhaus, die um diese Uhrzeit noch Pressestab heißt und noch nicht Krisenstab. Um fünf nach halb drei meldet er brav die Wartezeiten vor dem Eingang.

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nimmt in Gegenwart von Kreativitätschef Gorny und Spaßmaxe Pocher eine Prioritäts-SMS entgegen. Bild Meiser

Vor dem Eingang, wo zwischen viertel nach fünf und halb sechs 21 Menschen tödliche Verletzungen davon tragen sollten. Bevor kurz nach halb sechs eine SMS auf Adolf Sauerlands Blackberry ankommt. Die sich auch Oliver Pocher durchliest. Fünf Minuten später, also um 17 Uhr 36 legen die beiden dann, also Pocher und Sauerland, ein total lustiges, hammergeiles Interview hin – für den TV-Livescreen.

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