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Stadtverwaltung Duisburg: das Schweigen der Lämmer

stromberg

Ich muss noch einmal auf Stromberg zurückkommen. Auf Bernd Stromberg. Sie erinnern sich: Bernd Stromberg ist eine Führungskraft. Ja, Ressortleiter der Abteilung Schadensregulierung M bis Z bei der Capitol Versicherung. Nicht etwa „ehemaliger“, sondern der Abteilungsleiter. Ja klar, er hatte mal eine Durststrecke – keine Frage. Rückschläge. Aber da muss man durch. Und schlussendlich hat er seinen Posten behalten können. Seinen Posten als Chef, versteht sich.

„Wenn Du Chef bist“ – mit diesem Konditionalsatz pflegt Stromberg häufig seine Mitteilungen einzuleiten, die aus uns Fernsehzuschauern, wenn schon nicht potenzielle Führungskräfte machte, so doch ein tieferes Verständnis für deren Spagat zwischen Gestaltungsspielräumen und Zwängen ermöglichte. Wenn Du Chef bist, so viel steht auf jeden Fall fest, hast Du es auch nicht leicht. Denn als Mitarbeiter musst Du ja schon für Deinen Laden gerade stehen. Aber als Führungskraft … – ich will mal sagen: kerzengerade. Mindestens.

Das ist, wenn Sie so wollen, Gesetz. Das gilt immer und überall. Also nicht nur bei der Capitol Versicherung. Das gilt auch in der Stadtverwaltung. In jeder Stadtverwaltung, also auch in der Duisburger Stadtverwaltung. Und Sie wissen ja, oder können es sich zumindest vorstellen: das ist da momentan gar nicht so leicht. Das Kerzengeradestehen. Die NRZ hat inside information:

Viele Führungskräfte in der Duisburger Stadtverwaltung „schämen sich für das Verhalten ihres Oberbürgermeisters“. So hat ein prominentes Mitglied der Führungsriege der Stadt die aktuelle Stimmung vier Wochen nach dem Loveparade-Unglück beschrieben.

Verstehen Sie? Führungskräfte gehören nicht unbedingt zur Führungsriege. Während die ersten so ganz normale Chefs von der Stange sind, also oft so ziemlich das Letzte, sind die zweiten so ziemlich die Ersten. Deshalb ist so ein Mitglied der Führungsriege auch „prominent“.

Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass, wenn es „ein prominentes Mitglied der Führungsriege“ gibt, es zwingend auch nicht-prominente Riegenangehörige geben müsse! So Tricks benutzt die NRZ doch extra! (Super Satz!) – Denn die Anonymität des Nestbeschmutzers muss doch gewahrt bleiben. Stellen Sie sich nur mal vor, was passieren könnte, wenn der Sauerland das rauskriegt!

Besonders übel nehmen viele Rathaus-Beschäftigte ihrem Chef, dass er in den Tagen nach der tödlichen Massenpanik vor die Medien getreten sei und dort seine persönliche Rolle im Zuge der Love-Parade-Vorbereitungen kleingeredet habe. Das sei ein schwerer „Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter“ gewesen. Diesen Schlag aber habe der OB als Dienstherr von 6000 Beschäftigten in der Stadtverwaltung „bis heute gar nicht realisiert.“

Die Chefs meinen also, dass der Chef allen 6000 in ihr Gesicht geschlagen, dies jedoch nicht realisiert habe. Okay, das habe ich auch nicht so ganz verstanden. Deshalb lese ich diesen Absatz immer wieder. Ich komme noch dahinter. Es muss aber ziemlich traurig sein …

„Viele Beschäftigte in den Ämtern, die jetzt Sachverhalte genehmigen oder ablehnen müssen, haben große Hemmungen und auch Angst, wenn sie da jetzt im Namen des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg Briefe oder Bescheide unterschreiben sollen.“

Tja, das sind eben überhaupt keine Chefs. Einfach nur einfache Beschäftigte. Klar, da hätte ich auch große Hemmungen. Und auch Angst. Und ich, ich wüsste nicht einmal wovor. Die aber schon. Klar, die sind ja auch bei der Stadt.

Ihre Sorge: Was wird daraus, wenn es heikel wird? Bleibt es am Ende an mir persönlich kleben?

Ach so, ja natürlich! Na, das kann natürlich nicht sein. Erst soll man unbedingt arbeiten, und dann auch noch dafür, was man getan hat, gerade stehen. Wahrscheinlich auch noch kerzengerade. Ich glaube es wohl!
So etwas macht der Chef aller Chefs nicht, die Führungsriege nicht, mein Chef nicht – aber ich soll es machen. Gerade stehen, damit es an mir kleben bleibt. Hammer …

Und der Applaus? Wieso gab es Applaus von den Mitarbeitern und wofür? „Du lieber Himmel“, so ein Teilnehmer, zwischen höflichem Klatschen und frenetischem Applaus lägen doch Welten und hier sei stets nur höflich geklatscht worden

So sieht es aus! Jetzt macht einen die NRZ schon an, nur weil man klatscht. Nur ein bisschen geklatscht, wohlbemerkt. Wenn man nicht klatschte, gäbe es bestimmt Ärger auf der Arbeit. Wie man es macht, macht man es verkehrt. Dabei: das ist doch wohl normal, dass man klatscht …

– denn da trete immerhin der Chef vor die Mitarbeiter und dann sei es gar nicht so leicht, einfach im stummen Protest vor ihm zu stehen oder zu sitzen. Also werde brav geklatscht.

Außerdem gehört sich das so. Schließlich ist Chef Chef. Normal. Und es stimmt ja auch: wenn Herr Sauerland reinkäme, wäre es auch für mich gar „nicht so leicht, einfach im stummen Protest vor ihm zu stehen oder zu sitzen“. Und ich bin nicht einmal bei der Stadt. Und außerdem gebe es immer noch den Unterschied zwischen der „privaten“ und der „dienstlichen“ Meinung.

Verstehe: dienstlich wird geklatscht. Privat werden Galgen gezeichnet. Oder anonym auf „der Westen“ abgerockt. Den Lauten machen im Stillen.

Lautstarker Protest formiere sich nicht: „Die Leute wollen hier ja noch weiter arbeiten.“

Und das, obwohl das alles so unheimlich grausam ist. Mit einem Schlag ins Gesicht und allem Drum und Dran. Nun ja, immerhin nicht ganz so langweilig wie zuhause.

Werner Jurga, 26.08.2010

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