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Die Sauerland-Affäre: echte Freunde und falsche Freunde

 

Hildegard Chudobba

 

Wenn Sie mit dem Rücken zur Wand stehen, muss das eigentlich nichts Schlechtes sein. Kein Feind kommt von hinten, und Sie haben vorn das ganze Geschehen im Blick. Redensartlich sieht die Sache bekanntlich schon ganz anders aus. „In großer Bedrängnis sein; sich in einer Notlage befinden; unter Druck stehen“ bedeutet das dann. Nicht schön, aber es geht.
Wenn Sie jedoch mit dem Rücken auf dem Boden liegen, kann dies wesentlich unangenehmer sein. Jedenfalls dann, wenn jeder Jeti und Pleti, der gerade vorbeikommt, es sich nicht verkneifen kann, auf Sie draufzutreten. Das tut weh; und je länger das dauert, und je mehr Leute drauftreten, sogar ziemlich weh.
Diese schmerzhafte Situation – das dürften Sie wohl noch mitbekommen – ist gekennzeichnet durch alle Merkmale einer Krise. Und so eine Krise wiederum ist gekennzeichnet – das dürften Sie vermutlich nicht mehr mitbekommen – durch, sagen wir mal: Risiko und Chance.
Es besteht zwar durchaus die Möglichkeit, dass Sie mit dem Rücken auf dem Boden auf die Dauer totgetrampelt werden. Andererseits besteht aber auch durchaus die Chance, dass Sie in dieser krisenhaften Situation zu ganz neuen Erkenntnissen gelangen.

Als gesicherte Erkenntnis gilt beispielsweise, dass der Mensch gerade in solchen Situationen schnell lernen kann, wer die wirklichen Freunde sind und wen man – genau genommen – in die Tonne kloppen kann. Wenn zum Beispiel jemand, dem Sie den Zugang zum inner Circle Ihres Blackberrys gewährt hatten, und sie fragt, was von einer bestimmten Information zu halten sei, und Sie ihm antworten, diese könne er in die Tonne kloppen, dann können Sie natürlich, wenn dies dann sofort in der Zeitung steht, auch diesen Typen gleich mit in die Tonne kloppen.
Dagegen: wenn Sie, obwohl Sie mit dem Rücken zur Wand, ach was: auf dem Boden liegen, immer noch die absurdesten und provozierendsten Dinge von sich geben, und es findet sich jemand, der sich für Sie in die Matsche schmeißt und Ihren Stuss als Philosophie umzudeuten versucht, dann wissen Sie: das ist ein echter Freund!
Beziehen wir diese allgemeinen Einsichten einmal ganz konkret auf den Fall Adolf Sauerland, können wir auch hier sehen, wie so etwas halt so läuft: „Mit jedem Tag mehr muss er die Erfahrung machen, dass nicht alle in seinem beruflichen Umfeld so loyal sind …“

So ist das eben, da machen Sie nix dran, die Menschen sind so. Diesen bitteren Tatsachenbericht entnehmen wir dem Werk „Gelobt, gefeiert, beschimpft“, das Hildegard Chudobba, ihres Zeichens Chefredakteurin der Rheinischen Post in Duisburg, für eben dieses Blatt verfasst hat.
Sauerland macht in diesen Tagen nicht nur die Erfahrung, dass nicht alle Hofschranzen so loyal sind, „wie er es bis dahin vermutet hatte“, sondern auch – direkt weiter im Text -, „dass sie dem Druck nicht mehr standhalten und weinend zusammenbrechen“, was zwar kausal ein etwas anders gelagerter Fall ist, im Ergebnis jedoch letzten Endes auf dasgleiche hinausläuft.
Nun lässt sich freilich fragen, warum Sauerland auf Teufel komm raus nicht zurücktreten will. Auch darauf hat Hildegard Chudobba, die echte Freundin, eine – zwar nicht ganz echte, aber immerhin eine – Antwort. Wieder direkt weiter im Text:
“Wenn Adolf Sauerland gestern ankündigte, sich dem (noch nicht terminierten) Abwahlverfahren durch den Rat der Stadt zu stellen, dann vor allem, weil er darauf hofft, in den vergangenen Tagen genug Belege dafür gefunden zu haben, dass die Schuld für die Katastrophe nicht bei der Stadt Duisburg liegt.“

Das haben Sie nicht verstanden, nicht wahr? Kein Problem, ich erkläre es Ihnen; ganz einfach: „Herr Sauerland hofft, Belege dafür gefunden zu haben.“ Das ist eine Spezialkonstruktion – nennen wir sie den „Präsens-Perfekt-Futur-Dreischritt“. Futur, deshalb, weil sich in Zukunft erst noch herausstellen soll, dass keinerlei Schuld bei der Stadt Duisburg liegt.
Diese Konstruktion ist etwas ungewöhnlich, aber durchaus zulässig. Beispiel: „ich hoffe, dass wir an alles gedacht haben, damit alles gut geht“. „Gut gehen wird“ müsste es heißen; doch im Gegensatz zum Englischen, in dem die Zukunft zwingend im Futur ausgedrückt werden muss, ist im Deutschen das Präsens durchaus üblich.
Nochmal: Sauerland hofft, Belege gefunden zu haben, die seine Unschuld belegen (werden). Der „Präsens-Perfekt-Futur-Dreischritt“. Na logisch: der Mann kann ja noch nicht alle Unterlagen dazu gelesen haben. Vielleicht findet er ja ein – oder sogar zwei oder drei – Papiere, die ihn aus der Schusslinie bringen. Mal abwarten.
Zugegeben: ein Satz wie „Die Staatsanwaltschaft sucht ein Papier, das die Schuld Adolf Sauerlands belegt, damit sie ihn anklagen kann“ ist im Vergleich dazu einfach strukturiert, unmittelbar verständlich und scheinbar sinnhaft. Doch das täuscht: denn ein solches Papier ist bereits letzte Woche in etlichen Medien veröffentlicht worden, eine etwaige Suche danach wäre also blödsinnig.

Ein echter Freund gibt niemals auf. Sehr schön auch dieser Freundschaftsbeweis, ebenfalls von heute, ebenfalls aus der Rheinischen Post Duisburg: „Offenbar mehren sich in der Verwaltung die Hinweise, dass die Stadt Duisburg bei den Planungen zur Loveparade keine folgenschweren Fehler gemacht hat und die Schuld für die Katastrophe bei anderen zu suchen ist, wie unsere Redaktion erfuhr.“
Freundschaft – klar: das bedeutet auch: wie Du mir, so ich Dir. Weil Chudobba zu Sauerland hält, hält er im Gegenzug zu ihr. Leistung und Gegenleistung, echte Freundschaft. Deshalb hat die Rheinische Post in Duisburg diese Information sozusagen exklusiv bekommen. Die Stadtverwaltung Duisburg untersucht und – jedenfalls mehren sich entsprechende Hinweise – glaubt, dass „die Katastrophe bei anderen zu suchen ist“.
Wobei ich jedoch schon anregen würde, zumindest ein ganz kleines bisschen Schuld bei sich selbst … Halt! Vielleicht ist gerade dies der taktische Fehler. Als im Frühjahr 1989 in der DDR die letzten Kommunalwahlen stattfanden, und es Beschwerden über Wahlmanipulationen gab (das verstehe, wer will!), wurde eine Untersuchungskommission eingerichtet, die tatsächlich hier und da Unregelmäßigkeiten entdeckt hatte. Man hat ja gesehen, was aus der DDR geworden ist.
Nein, nein, so bringt das nichts. Wenn man dem Feind den kleinen Finger gibt, nimmt er sich die ganze Hand. Man muss das knallhart durchziehen. Schuld sind die Anderen, und zwar nur die Anderen.

Die Konterrevolutionäre. Die von der WAZ zum Beispiel. Hier, dieser Kommentar, von dem Kiesendahl, der schreibt doch tatsächlich: Gewisse Zweifel weckt auch die Tatsache, dass die Abläufe im Rathaus von einer verwaltungsinternen Untersuchungsgruppe überprüft werden sollen. Es besteht die Gefahr von Abhängigkeiten.“ Stadtfeindliche Hetze!
Schon allein der Titel! „Sauerland gibt nicht auf“. Was erlaubt der sich bloß. Nun ja, das machen ja alle Anderen auch. Fast alle. Der Artikel von Chudobba, aus dem eben zitiert wurde, trägt die schöne Überschrift: „Erklärung von OB Sauerland: ,Unglück wird mich nie mehr los lassen´." Und das ist in keiner Weise ironisch gemeint. Das ist echte Anteilnahme. Wie es sich unter echten Freunden gehört.
Ja, die Hildegard Chudobba! Damals ist sie schon mit Sauerland zusammen in den Straßenbahnwahlkampf gezogen. Und als es im Februar etwas kompliziert wurde, titelte his Rheinisch Masters Voice: “Die Love-Parade muss kommen“. Im Text ließ sie „viele Duisburger, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene“ „sich fragen“: „Will die SPD uns die Love-Parade wegnehmen?“

Ja, die Hildegard Chudobba! Uninteressant? Wahrscheinlich. Dennoch wollte ich auch einmal die rein menschliche Seite beleuchten. Echte Freunde und falsche Freunde. Na sicher, Hildegard Chudobba ist keine echte Freundin. Echte Freunde erkennt man doch daran, dass sie einem sagen, wenn es jetzt wirklich einmal genug ist.
Nennen Sie mich frauenfeindlich! Egal, ich meine ja, dass solange eine Frau da ist, die alles mitmacht, hört so ein Mann nicht auf. Ich meine ja nur. Nein, die Frau Chudobba doch nicht. Ich bitte Sie!

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