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Loveparade: Post für Franz Josef Wagner

Herr Wagner,

Sie schreiben ja immer so diese Kolumne bei der Zeitung mit den vier Buchstaben. Klar, die Loveparade ist natürlich ein Thema für einen Journalist Ihres Formates. Allerdings. Nun. Was ich von Ihrem Brief an meine Stadt halten soll… Gute Frage. Sie beginnen ja wie folgt:

hinter der Katastrophe der Loveparade wird Dein Sterben sichtbar.

Verzeihen Sie bitte, aber diese Logik kriege ich nicht ganz mit. Da sind auf der einen Seite knapp 20 Tote, die gestorben sind. Tote. Menschen also. Ob diese gern oder ungern in Duisburg gelebt haben weiß ich nicht. Wie Sie aber auf die Idee kommen diese Menschenleben als Zeichen für ein Sterben der Stadt zu werten ist mir schleierhaft. Das Eine hat mit dem Anderen nun gar nichts zu tun. Beim dem Einen sind Menschen aus dem Leben gezerrt worden, auf der anderen Seite ist die Lage Duisburgs sicherlich nicht rosig. Aber das Eine als Metapher für das Andere zu deuten ist unfein. Sehr unfein und gegenüber den Hinterbliebenen einfach nur – tut mir Leid, aber mir fehlt momentan ein Wort dafür…

Kein Mensch will mehr in Duisburg leben.

Wo haben Sie denn diese Weisheit her? Im Teeblatt gelesen? Schon allein die Tatsache, dasss ich gerne hier lebe und überhaupt nicht wegziehen möchte straft diese Aussage Lügen. Anderen Menschen geht es genauso: Sie mögen Duisburg. Wenn kein Mensch mehr in Duisburg leben wollen würde müsste die Stadt ja komplett leer sein. Sicherlich hat Duisburg seine schlechten Seiten, aber mit Verlaub – welche Stadt hat die nicht? Ich weiß ja nicht wo Sie wohnen, aber wenn es Berlin sein sollte – tja…

Es hört immerzu irgend etwas in Duisburg auf, jeden Tag stirbt die Stadt mehr.

Wo? Wo genau sehen Sie das in dieser Stadt? Kann ich morgen aufstehen und Sie sagen mir exakt, was heute Nacht auf einmal nicht mehr da ist? Sie reden in Ihrem Text von Allgemeinplätzen. Konkret fällt Ihnen da kein Beispiel ein. Vor allem listen Sie Dinge auf, die nicht nur in Duisburg auf der Kippe stehen sondern allgemein in so einigen Städten im Pott. Stichwort: Haushaltssicherungskonzept. Bochum. In Essen wird momentan mit den Bürgern diskutiert wie die verlangten Einsparungen zu gewährleisten wären. Wuppertal – gut, liegt nicht im Pott, aber drastisches Beispiel. Sie wissen ja als Kulturbürger bestimmt Bescheid. Für jedes dieser Städte könnte der Abschnitt aus Ihrem Schreiben gelten:

Kleingartenanlagen verkommen, Asphaltlöcher in den Straßen bleiben, Zuschüsse für 120 Sportvereine sind gestrichen. Personalabbau bei Feuerwehr, Polizei, Lehrern ist geplant.

Gut, beim Sport weiß ich das nicht so genau, aber überall im Pott wo das Geld in den Städten momentan knapp ist werden Kleingartenanlagen verkommen, gibts Asphaltlöcher in den Straßen, werden Zuschüsse gestrichen und Personalabbau ist überall ein Thema. Duisburgspezifisch ist keines Ihrer Argumente.

Die Stadt muss sich ihren Haushalt von der Landesregierung genehmigen lassen. Die Stadt ist handlungsunfähig.

Genauso wie andere Städte im Ruhrgebiet. Aber das hatte ich schon gerade ebend.

Diese einst so reiche Stahl- und Kohlestadt (Thyssen-Krupp) ist nur noch Haut und Knochen. Die Krise von Stahl und Kohle hat Duisburg zur Geisterstadt gemacht.

Meine Güte, wo haben Sie das denn her? Erstens: Jede Stadt im Pott ist irgendwie auch Stahl- und Kohlestadt. Dass Duisburg irgendwann mal reich gewesen ist werde ich sicherlich nicht bezweifeln, aber das ist bestimmt schon etliche Jahre her. Der industrielle Wandel betrifft nicht nur Duisburg, das ist ruhrgebietsweit so. Zweitens: Wenn Duisburg eine Geisterstadt wäre, sind dann diese Zahlen der GFW erfunden?

Nach dem Spitzenwert im Jahr 2007 mit rund 91.000 m² Vermietungsleistung und von 72.000 m² im Jahr 2008 liegt der Umschlag von Büroflächen in Duisburg auch in dem von der Wirtschafskrise geprägten Jahr 2009 nach wie vor über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre wurden Büroflächen in Duisburg vermietet. Das passt nicht zu dem Bild, dass Sie da zeichnen. Eine Geisterstadt sieht anders aus. Gut, es gibt natürlich auch in Duisburg Bezirke, die – ach stimmt, hatte ich schon erwähnt. Jede Stadt hat halt ihre Schattenseiten. Ihr Wohnort bestimmt auch. Eine Perle aber: Der Innenhafen Duisburgs mit seinem Angebot an Gastronomie und Freizeitaktivitäten. Hier entstanden neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. Duisburg hat sicherlich wie alle Städte gelitten, aber es hat auch einige Stärken wiederentdeckt oder neue Möglichkeiten entstehen lassen. Streiten Sie etwa ab, dass der Landschaftspark Duisburg eine geschickte Umwandlung von Industrieanlagen ist? Sicherlich hat Duisburg nicht alles richtig gemacht beim schmerzhaften Prozeß des Wandels, ja, da gibts einige Dinge, die nicht so toll geworden sind. Na ja, Ihr Wohnort hat sicherlich immer alles städteplanerisch super hinbekommen.

Duisburg hat 2,75 Milliarden Euro Schulden. Duisburg hat 493 000 Einwohner, nur 157 000 haben einen sozialversicherten Job (Spiegel.de-Recherche).

Da Sie ja leider nicht genau angeben welche Spiegel-Recherche Sie da jetzt genau meinen habe ich mal bei der ARGE vorbeigeschaut und mir mal die Zahlen für Duisburg angesehen. Einwohner: 494.048 – 2008. Hmm, gibts da nicht genauere Zahlen zu den Einwohnern… Doch, klar: 491 931 laut dem IT.NRW, das war 2009. Bißchen weniger als im Jahr davor, aber die Gründe dafür müsste man nochmal genauer unter die Lupe nehmen: Ob das alles Wegzüge sind oder ob Menschen einfach alt und satt ihr Leben beendet haben – aber das schaue ich jetzt nicht nach.

Bleiben wir mal beim IT.NRW, die haben Zahlenmaterial bis zum 30.06.2009 vorliegen: 157 016 Beschäftigte mit Sozialversicherung weisen die aus. Na immerhin etwas, was richtig ist bei Ihnen. Bei der Höhe der Schulden bin ich mir allerdings mal wieder nicht so sicher – laut FAZ-Bericht waren diese 2,5 Milliarden schon im Jahr 2009 erreicht. (Hier übrigens auch in einem Nebensatz vermerkt: Seit 20 Jahren arbeitet Duisburg mit Haushaltssicherungskonzepten. Soweit zu Duisburgs ehemaligem Reichtum. Lange her.) Die WAZ hat schließlich dann konkrete Zahlen der aktuellen Schulden:

Insgesamt sind es 3,042 Milliarden Euro. Rein statistisch gesehen, ist allein für die Verbindlichkeiten der Stadtverwaltung jeder Duisburger mit 6146,77 Euro in den Miesen. Und täglich kommt rund ein Euro hinzu.

Das mag jetzt alles kleinlich erscheinen, aber wissen Sie Herr Wagner – Sie wollen mir was über meine Stadt erzählen und kriegen nicht mal annähernd korrekte Zahlen in Ihrem Artikel hin – von einem Mal abgesehen? Wie glaubwürdig ist denn da der Rest von dem, was Sie schreiben?

Allerdings – der letzte Satz – also – der ist Ihnen ja sowas von gelungen:

Hoffentlich wird an diesem Tag [Samstag. D. A.] nicht gleich die ganze Stadt beerdigt.

Nachdem Sie, Herr Wagner als Vergil Ihren Leser in die Abgründe der Finsternis geleitet haben, steigen wir doch noch wenn nicht in den Himmel so mindestens in Purgatorium auf. Leider habe ich die Befürchtung, dass Ihre Leser das irgendwie überlesen werden. Aber mag auch sein, dass diese klug genug sind zu erkennen, dass Sie natürlich nur konstruktive Kritik an Duisburg geübt haben. Bestimmt. Weil: Ihnen liegt die Stadt ja am Herzen, sonst hätten Sie den Brief sicherlich nicht geschrieben. Vermute ich stark. Aber eines bin ich trotz allem nicht nach der Lektüre Ihres Schreibens:

Überhaupt nicht amüsiert.
Christian Heiko Spließ

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