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Paech: Kazam-Raketen selbstverständlich völkerrechtswidrig – Israel habe Gaza-Konflikt provoziert

Mit einem Zitat von Carlo Schmidt, „einer der unvergessenen Berater für das deutsche Grundgesetz“ beginnt Norman Paech den Vortrag den UDE, der im wesentlichen nicht den politischen Aspekt des Themas Gaza oder Palästina zum Thema hat sondern das Ganze aus der juristischen Warte des Völkerkundlers betrachtet. Paech redet dabei aus dem Stegreif, auf dem Rednerpult finden sich nur einige Blätter mit Zitaten, die er für den Vortrag vorbereitet hat.

Die Zielgruppe, die an diesem Tag im kleinen Raum LK 062 versammelt ist, besteht – so wird es hinterher eine Diskussionsteilnehmerin ausdrücken – „aus denen, die größtenteils sowieso schon der Meinung des Professors sind“. Um dann gleich an Herrn Zielke adressiert die Bitte nachzuschieben, man möge doch so etwas in einem größeren Rahmen veranstalten um einen Dialog zu fördern. Zielke schien das Ansinnen allerdings nicht gerade mit wohlwollender Miene zur Kenntnis zu nehmen.

„Die einzige Waffe des ganz Machtlosen ist das Recht, das Völkerrecht“ beginnt also der Vortrag, der mehrere Teile beinhalten wird. Paech setzt mehrere Schwerpunkte – zum Einen die Gründung des Staates Israel, wobei er zu Beginn noch die historischen Aspekte erläutern wird, dann den Sechs-Tage-Krieg und die Intifida 1985. Zuerst allerdings erklärt Paech, was eigentlich das Völkerrecht sei, vielfach sei das unklar. Es gäbe hier schließlich keinen Gesetzgeber wie in einem Staat – die Uno ist kein Gesetzgeber und macht kein Recht – insofern ist das Völkerrecht im Grund an zwei Bedingungen gebunden: Recht ist das, was die Staaten unter sich vereinbart haben. Beispiel dafür: Die UNO-Charta. Zweites Standbein: Das, was man gemeinhin als Gewohnheitsrecht bezeichnet – ein, wie Paech zugibt, vager Begriff, er sei „etwas an das die Staaten sich durch ihre Übung gebunden fühlen“. Hier führt er die Menschenrechte ins Feld. Diese sind nicht ratifiziert sondern gewohnheitsrechtmäßig von den Staaten anerkannt worden. Zwei Aspekte, die man bedenken müsse wenn es um das Thema Völkerrecht ginge.

Paech setzt die Quelle der Probleme zwischen Juden und Palästinensern nicht in der jüngeren Geschichte fest – Sechs-Tage-Krieg, Staatsgründung Israels etwa – sondern verortet den Komplex weit im 19. Jahrhundert mit dem ersten Aufkauf von Land. Dies lässt er so stehen und springt  dann in die Geschichte der Staatsgründung. Dass Palästina unter dem Mandat der Engländer stand seit dem Völkerbund. Erwähnt den Aufstand der Palästinenser 1936 bis 1939, das Pogrom 1929 an den Juden in Hebron, das Zusammenleben gestaltete sich immer komplizierter. Bevor, laut Paech, allerdings die Engländer noch Recht bedenken konnten was mit Israel zu tun sei wandten sich die Juden – nachdem diese mit Englands Hilfe sich gegen die Palästinenser gewandt hatten – gegen ihre Herren. Folge: 1947 gaben die Engländer das Problem an die UNO, nachdem sie nicht weiterkamen.

Deren Fazit, 1947: Zwei-Staaten-Lösung. Minderheitsplan: Versuch einer Föderation. Man einigte sich schließlich auf die Zwei-Staaten-Lösung, jedoch seien damals fast alle Staaten gegen diesen Plan gewesen. Nur durch den Einsatz der USA, „dort gab es eine sehr starke jüdische Lobby auch“ sagte Paech wörtlich, habe man in der Nacht zuvor noch einige Staaten für das Modell gewinnen können. Das sehr deutliche Ergebnis: Die Zwei-Staaten-Lösung – aber, so Paech: Könne die UNO einen Staat gründen? „Nein, das kann sie nicht“, beantwortet er seine rhetorische Frage. Er holt aus: Die UNO ist kein Parlament und nicht in der Lage einen zu gründen. Ein Staat muss von der Bevölkerung selbst gegründet werden. Dazu gäbe es Gutachten en masse, die UNO setzte sich aber darüber hinweg und empfahl die Zwei-Staaten-Lösung laut Paech. Das Ergebnis sei klargewesen, obwohl die UNO nur eine Empfehlung ausgesprochen hätte gründete sich der Staat Israel im Jahr 1948.

Die Staatsgründung Israels sei für die Palästinenser eine Katastrophe gewesen. Warum in der deutschen Geschichtsschreibung lange Zeit dies nicht so deutlich geworden sei – Paech führt eine Reihe von jüdischen Forschern ins Feld und erwähnt, er habe vor kurzem einen zweistündigen Dokumentarfilm einer Palästinenserin gesehen, die die Problematik des Ganzen aufbereitet habe. Der Grund also: 800.000 Palästinenser seien bei der Staatsgründung gedrängt worden ihre Heimat zu verlassen. „Ein solcher Vorfall bleibt im kollektiven Gedächtnis eines Volkes haften“, so Paech.

Der zweite Punkt des Vortrages widmet sich dem 6-Tage-Krieg 1967. Das Recht auf Verteidigung spricht er Israel nicht ab – später wird er die Kazams der Palästinenser ebenfalls als völkerrechtswidrig verurteilen – doch das Verhalten Israels, das vorsorglich einen Krieg führt und damit als Agressor auftritt, das verurteilt Paech. Er führt aus, dass die Tatsache, dass innerhalb von sechs Tagen die ägyptische Armee vollends geschlagen worden sei zeige, dass Ägypten unvorbereitet gewesen wäre und einen Angriff auf Israel gar nicht vorgehabt hätte.

Der UNO-Sicherheitsrat habe Israels Verhalten klar verurteilt. Paech zitiert aus der UNO-Resulotion 242 von 1967. Sie sage das aus, was eigentlich logisch sei: Die Annektierung fremden Gebiets ist immer unrechtsmäßig, etwas, dem man wohl auch gut zustimmen könne. Gaza, Westbank und Golanhöhen seine damals besetzt worden was das Problem noch komplexer gemacht habe. Rechtsgrundlagen für die Beurteilung dieser Fälle hätten allerdings schon die Haager Konvention sowie die Genfer Konvention mit Zusatzartikeln in den 70-ger Jahren geregelt. Hier habe sich Israel völkerrechtswidrig verhalten – auch die Tatsache, dass Israel aus dem englischem Text der 242-Resolution schließe, dass man diese erfüllt habe wenn man sich aus Teilen der Gebiete zurückziehe – dies sei laut Paech juristisch nicht zu rechtfertigen.

Paech widmet sich dann der Intifada 1984 – die zweite Intifada 2000 erwähnt er ebenfalls. Wie reagierte die UNO auf den Aufstand 1984? Sie urteilte aufgrund der Charta und dem Recht, das gilt. Paech beklagt, dass es keine verbindliche internationale Moral mehr gäbe. Die christliche sei gescheitert – „das sieht man selbst wenn man sich in Deutschland hier umschaut“ – eine international akzeptierte Werteordnung sei nicht mehr gegeben. Manche Erklärung erspare ihm dies, sagt er und zitiert die Verurteilung der UNO aus dem Jahr 1985. Weitere Erklärungen in dieser Hinsicht gibt er dann tatsächlich nicht mehr ab. Wie aber soll ein pälastinensischer Staat aussehen, wenn Israel das Jordantal für sich behalten wolle? Die rhetorische Frage beantwortet Paech nicht, stattdessen geht er auf den Mauer- und Zaunbau ein, der eindeutig ebenfalls gegen geltendes Recht verstoße und Palästinenser in eine Art Niemansland stecke. Wehren können sich die Palästinenser nicht – sie seien ja kein Staat.

„Dieses war eine Eskalation, die voraussehbar war,“ sagt Paech zur Situation 2007/2008. Eine politische Lösung sei hier nicht denkbar. Die UNO sei machtlos gewesen, weil die USA nicht an dem Problemherd Israel rühren wolle.  Der damalige Konflikt sei gezielt von Israel provoziert worden, ja, sei ein lange vorbereiter Akt Israels gewesen. Paech zitiert hier zwei Quellen: Einmal Barak, der Anfang 2009 gesagt haben soll, das Ganze sei schon seit einem halben Jahr vorbereitet gewesen. Selbstverteidigung Israels gegen die Angriffe der Palästinenser aber, so Paech scheide aus, weil am 4. November 2007 etwas passiert sei, was hier nur selten wahrgenommen werden würde. So zitiert er eine hebräische Zeitung namens Haaretz, nach der israelische Soldaten den bis dahin einigermaßen laufenden Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel gebrochen habe. Der Artikel sei aus dem Hebräischen übersetzt und im Dezember 2007 in Haaretz zu finden gewesen.

Paech beschließt seinen Vortrag damit, dass Israel völkerrechtliche Verbindlichkeiten im Gaza-Krieg gebrochen habe und dass die angeblichen menschlichen Schutzschilder, mit denen Israel argumentierte, eine reine Erfindung Israels gewesen seien – im Gegenteil habe Israel Palästinenser für diesen Zweck missbraucht. Darüber gebe es eine internationale Untersuchung, aber noch kein Verfahren. Sein Fazit: Dieser Konflikt sei in Deutschland emotional aufgeladen – als Jurist befinde Paech sich allerdings auf der besseren Seite. Denn die Raster, auf die man die Fälle lege – Gesetze und verbindliche Vorschriften – seien eindeutig. In der Beurteilung des ganzen seien sich alle Völkerrechtler – egal ob linke, konservative – absolut einig, dies sei kein Problem. Eine gewisse „Nüchterheit“ sei angebracht. Sein Standpunkt: Die Verantwortung, die man aus der Geschichte habe sei etwas was Linke, Rechte und alle eigentlich eine, es komme nur darauf an wie man sie interpretiere. Die Gefahr komme nicht von außen, sondern sie komme aus Israel selbst – und irgendwann würde es den Staat auseinanderreißen.

Die anschließende Diskussion versetzt den Zuhörer dann in Schrecken. Nicht dadurch, dass – wie schon vorher erwähnt – die üblichen Verdächtigen anwesend sind. Denn wenn man bisher wenn auch mit gebotener Skepsis durchaus das Gefühl hatte noch auf relativ festem Boden der Wirklichkeit zu stehen kommt man sich als Zuhörer der Diskussion allmählich wie Dana Scully vor, die einer Anzahl von Fox-Mulder-Klonen gegenübersteht. „I want to believe…“ steht so deutlich im Raum, dass man unweigerlich Kant zitieren möchte: „Benutze deinen eigenen Verstand.“ Denn natürlich sind die Medien in diesem Fall nicht objektiv, natürlich haben die Medien den Vorfall bei der Blockadebrechung falsch dargestellt und Paech formuliert dies folgendermaßen, angesprochen auf das Trauma der Ereignisse: „Das Trauma bekomme ich wenn ich in die deutschen Medien blicke.“ Natürlich gibt es auch Gegenstimmen, der zuvor geforderte große Dialog könnte also im kleinen stattfinden – wenn man denn voraussetzt, dass die übermäßige Anzahl der Anwesenden zumindest dialogbereit wären. Sind sie das? Der interessierte Zuhörer, der nach der Diskussion den Saal verlässt wird da seine Zweifel haben.

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