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!SING – Day of Song

„Entschuldigen Sie, was haben Sie am 5. Juni gemacht?“

Stellen wir uns mal vor, wir bekommen diese Frage in ein oder zwei Jahren gestellt. Erinnern wir uns dann wirklich daran, dass 1.) in den Innenstädten Tausende von Menschen gesungen haben? 2.) Wir eventuell selber aus vollster Kehle mitgeschmettert haben? 3.) Wir gerade shoppen waren und uns nur wunderten, warum da so viele Menschen im Weg stehen und singen?
Lena-Fieber, Day of the Song, Pre-Fußball-WM- Syndrom– 3 Ereignisse in kurzer Zeit und auch irgendwo drei musikalische Ereignisse, denn keine WM ohne Fußballgesänge oder Nationalhymne.
Über 55.000 Menschen werden sich aber daran erinnern, wie sie in der Veltins-Arena dem Vokal- und Improvisationskünstler Bobby McFerrin lauschten, die Opernsängerin Vesselina Kassarova beim  „Zigeunerchor“ aus Verdis „Der Troubador“ begleiteten und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben deutsches Volksliedgut bewusst mitsangen: „Hejo, spann den Wagen an“.

Der !Sing – Day of Song. Eine verrückte Idee. Chöre, Musiker, Sänger und die Besucher auf den Stadionrängen singen gemeinsam! Künstler und Zuschauer? Irgendwie nicht einfach, diese beiden Kategorien bei diesem Konzert anzuwenden.

Texte zu fast allen Stücken gab es im Abendprogramm. Und das war recht abwechslungsreich:

Direkt los ging es mit dem Steigerlied, dann folgten Improvisationen von Bobby McFerrin.  Im Anschluss wurde es klassisch mit Verdis Zigeunerchor und danach zeitgenössisch mit dem belgischen Mädchenchor Scala & Kolacny Brothers.

Ihre fast schon andächtige Adaption von Mia’s „Hungriges Herz“ zeigte, wie viel manchmal in Pop-Songs drinsteckt.

Oder auch Spaß mit den Wise Guys, die sich genau wie Bobby McFerrin auf das einfachste Instrument besinnen: ihre Stimmen.

Vor allem aber Bobby McFerrins Auftritte verblüfften und zeigten, wie einfach Musik einen großen Effekt erzielen kann, nämlich die Musik, die nur von der Stimme lebt.  (OK, Bobby McFerrins Stimmtechniken brauchen Übung, aber eben keine großartige Show)

Alle Stücke an diesem Abend lebten davon, dass eben die Besucher auf den Rängen mitsangen. „Es war EINE Stimme“, bemerkte der Dirigent Steven Sloane im Anschluss an das Konzert. Damit meinte er das Ave Maria, bei dem Bobby McFerrin das Präludium alleine mit seiner Stimme interpretierte während alle anderen sangen. Doch die EINE Stimme von den über 55.000 Menchen war fast bei allen Stücken zu hören. Was sicherlich auch an der Leitung von Steven Sloane lag.

Vor zweieinhalb Jahren brachte er Fritz Pleitgen, wie dieser verriet, auf die Idee: „Lass mal was mit der Stimme machen!“  Für Steven Sloane ist die menschliche Stimme das natürlichste Instrument und die elementarste Form des Musizierens. Deshalb gilt für ihn ‚Singen kann jeder`.

Darum sei es auch wichtig, besonders Kindern so früh wie möglich einen Zugang dazu zu vermitteln und sie dafür zu begeistern, meinte Fritz Pleitgen und verwies an dieser Stelle noch mal auf JEKI – Jedem Kind ein Instrument.

Damit sprach er aber auch Aspekte an, die in diesen Tagen sicherlich noch öfters diskutiert werden: Was hat RUHR 2010 bislang geleistet und erreicht? Wie nachhaltig wird sich die Kulturhauptstadt auswirken?

Fritz Pleitgen zeigte sich zuversichtlich und tief beeindruckt: Am Day of the Song! tourte er durch das Ruhrgebiet, die ihn auch nach Duisburg auf den König-Heinrich Platz. Dabei stellte er fest: „Die Bevölkerung hat Spaß an der Kulturhauptstadt!“

Sicherlich ist der Day of the Song! einer der emotionalsten RUHR 2010 – Programmpunkte. Da war das sonstige Abstraktum Kultur mal greifbar, miterlebbar und in diesem Fall hörbar. Für RURH2010- Geschäftsführer Oliver Scheytt passt der !Sing – Day of Song, also das Abendkonzert in Gelsenkirchen,  deshalb auch so gut ins Gesamtkonzept der Kulturhauptstadt: „Wir wollen zeigen was wir zu leisten im Stande sind, nicht was wir uns leisten können. Opernsänger kann jeder einkaufen. Wir zeigen HIER wird gesungen. Hier im Ruhrgebiet gibts 760 Chöre.“

760 Chöre im Ruhrgebiet, 26000 Sänger auf dem Spielfeld in der Veltins-Arena und insgesamt 55000 Sänger in der gesamten Arena. 15000 Liter Wasser, die gerade so eben für den Probentag am 4. Juni reichten, weswegen noch mal 10000 Liter nachgeordert wurden, wie die Projektleiterin Benedikte Baumann erzählte. Viele beeindruckende Zahlen.

Vor dem Konzert erklärte Fritz Pleitgen: „Mir gehen so langsam die Superlative aus. Vielleicht fällt mir nach dem Konzert noch einer ein.“ Tat es aber nicht, denn Fritz Pleitgen wirkte nach den fast zweieinhalb Stunden zwar stolz, aber auch sehr berührt, wie es Worte vielleicht nicht angemessen ausdrücken können. Sein Kommentar: „Ich möchte jetzt mehr die Künstler zu Wort lassen, die diesen Abend getragen haben.“

Wie zum Beispiel Bobby McFerrin, der ehrlich meinte, dass er vor einem Jahr noch Zweifel an der Idee hatte. Was nun aber daraus geworden ist, zählt er zu seinen persönlichen unvergleichlichen Musikerlebnissen: „Wildfremde Menschen sind zusammengekommen und haben durch die Musik eine Gemeinschaft gebildet. Und das ist doch schließlich auch einer der wesentlichen Gründe, warum wir Musik überhaupt haben.“
Abseits von Zahlen und Erfolgen beschreibt diese Ansicht doch auch das, was wir uns an „Nachhaltigkeit von RUHR 2010“ wünschen? Fritz Pleitgen wünscht sich nach diesem Abend noch was ganz anderes: den Eurovision Contest 2011 in Gelsenkirchen: „Dieser Abend ist unsere Bewerbung!“ Nun gut, das hat ja auch was von Nachhaltigkeit. Und es geht wieder ums Singen. Die einfachste kulturelle Form des Miteinanders. Denn singen kann wirklich jeder!

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Text: Astrid Menz

Foto: Stefan Meiners

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