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Antifa sei der Mensch, hilfreich und gut

Nein, Angst um meine Schneidezähne hatte ich nicht. Dabei hätte ich wirklich allen Grund dazu gehabt. Denn das, was ich gestern Abend im Oberkiefer mit mir rumtrug, war gerade frisch eingebaut. Es sind zwar schon noch meine eigenen Schneidezähne; aber erstens einer weniger als vorher, und zweitens sieht man sie nicht. Das ist auch besser so.

Fünf Stunden hatte ich gestern bei meinem Zahnarzt gesessen. Zunächst eine Stunde im Wartezimmer, dann vier Stunden im Zahnarztstuhl. Die oberen Schneidezähne wurden alle abgefeilt, zwischendurch mal einer gezogen, und immer wieder Betäubungsspritzen. Ich habe allen Grund zur Annahme, dass auch das besser so ist.

Zwischendurch hatte ich mal einen Blick in den Handspiegel riskiert. Das wurde gerügt; denn er war nicht erwünscht. Doch er zeigte eindrucksvoll, wie weit der Verfall des eigenen Körpers bereits vorangeschritten ist. Und dann auch noch diese vierstündige Tortur. Ich war fix und fertig.

Zudem macht mir gegenwärtig eine Grippe zu schaffen, genauer: ein grippaler Infekt. Oder „Erkältungsgrippe“. Sie wissen schon. Damit praktisch den ganzen Tag beim Zahnarzt. Und abends war es dann endlich so weit: zum krönenden Abschluss dieses krönenden Tages auf nach Duisburg-Stadtmitte ins Internationale Zentrum, wohin Hermann Dierkes zur Lesung aus seinem Buch „Bedingungslos für Israel“ geladen hatte. Sie wissen schon.

Wie gesagt, Angst um meine Schneidezähne hatte ich nicht. Aber auch unter dem Einfluss von Schmerzmitteln und daraus resultierender gedämpfter Sensibilität konnte es mir nicht völlig verborgen bleiben, dass ich nun nicht gerade zu Gast bei Freunden war. Wie auch?

Von den rund siebzig Leuten, die die Veranstaltung besuchten, waren bestimmt fünfzig eingefleischte Fans des referierenden Linkspolitikers – oder zumindest seiner hinlänglich bekannten Ansichten über Israel. Spüren Sie so etwas auch, wenn Sie von vielen Leuten angeguckt werden, die Ihnen im Grunde gar nicht wohlgesonnen sind?

In diesem Fall sollten Sie freilich immer auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Sie einfach nur ein wenig paranoid sind. Oder, um es nicht so herb zu formulieren: wenn Sie einen Raum betreten, siebzig Leute, von denen sich viele untereinander kennen, Sie jedoch kennen gerade einmal sieben oder so – ja Gott, da fremdeln Sie zunächst einmal ein wenig. Das ist völlig normal, zumindest, wenn Sie Zahnschmerzen haben.

Der Pressesprecher der Duisburger Linkspartei eröffnete die Veranstaltung, indem er an die etwa einjährige Geschichte der „Rufmordkampagne“ gegen Hermann Dierkes erinnerte. „Lieber Gott“, sprach ich ein stilles nach innen gerichtetes Gebet, „solltest Du demnächst eine Denksport-Olympiade ausrichten, lass mich bitte in der ersten Runde gegen Horst-Werner antreten! Jetzt, wo es mir so beschissen geht, finde ich, habe ich anstrengungslosen Wohlstand verdient.“

Gott schien mein Gebet erhört zu haben. Zwar hatte er keine Denksport-Olympiade angesetzt, da Genosse Rook mit der chronologischen Darlegung der üblen Machenschaften gegen seinen Freund Dierkes dabei war, die Grenzen seiner Hirnleistungsfähigkeit zu testen. Aber er ließ sein ungläubiges Geschöpf Horst-Werner meinen Namen vergessen. Glaubte ich. Gott ist groß, das wird ein ruhiger Abend, mal hören, was Dierkes heute so bringt.

Ja, was wohl? – Denselben Brei wie immer, heute jedoch in einer für seine Verhältnisse ein wenig weichgespülten Version. Boykottiert werden sollen Waren aus den besetzten Gebieten, damit nicht aus der Besatzung profitiert werde. Ob Waren aus dem israelischen Kerngebiet guten Gewissens gekauft werden können, blieb offen – glaube ich jedenfalls. Vielleicht habe ich es aber auch nicht genau mitbekommen; denn ich war ja etwas mitgenommen. Wegen der Grippe und wegen der Zähne und wegen der Leute.

Weiter stellte Dierkes klar, er halte nicht das Existenzrecht Israels für läppisch, sondern die Frage nach demselbigen. Wenn ich es richtig verstanden habe: Dierkes befürwortet zwar das Existenzrecht Israels; sollten Sie ihn aber danach fragen, ob dem so ist, behält er sich das Recht vor, Ihre Frage als läppisch zu bezeichnen, worauf Sie ihn gefälligst nicht als Antisemiten bezeichnen mögen. Klar soweit?

Wie auch immer, Thomas Meiser von den Ruhrbaronen berichtet wahrheitsgetreu: „Hermann Dierkes erklärte, dass er von seinen Thesen, wie sie im YouTube-Video dokumentiert werden, “niemals abrücken” werde.“ Wobei, um noch einmal auf die freundliche Begrüßung durch Linkensprecher Rook zurückzukommen: dieser Meiser ist ein ganz Böser. Ja, so gesprochen vor versammelter Mannschaft zur Begrüßung. Und auch alle Anderen, die zu diesem „Ruhrbarone-Netzwerk“ gehören, seien „nicht willkommen“.

Nun gibt es zwar kein „Ruhrbarone-Netzwerk“, und die Ruhrbarone sind wahrscheinlich auch nicht darauf zu verkürzen, die Linkspartei zu bekämpfen und die israelische Regierung zu loben – aber sei´s drum. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass auch ich zu denen gezählt wurde, von denen man freilich nicht sagen könne, dass sie vom israelischen Geheimdienst bezahlt werden.

Dann Dierkes eine dreiviertel Stunde zum Nahost-Konflikt: viel Verteidigung in eigener Sache, sein üblicher Kram in etwas magenfreundlicherer Version, sieht man einmal von der wiederholten mündlichen Schilderung von Massakern ab. Wer wen massakriert hat? Wenn Dierkes seine Wahrheiten verbreitet? – Ich bitte Sie: wer hat denn gesagt, es gäbe keine dummen Fragen?! Hören Sie: es gibt dumme Fragen! Und, wie wir heute von Hermann Dierkes erfahren: es gibt noch etwas. Nämlich „dümmlich-provozierende Fragen“.

Und eine solche hatte ich mir gestern Abend erlaubt zu stellen. O-Ton Dierkes: „Ein kleines verlegenes Häufchen von Anti-Ds und Vertretern des rechten Flügels der hiesigen Deutsch-israelischen Gesellschaft war da und hat nur eine dümmlich-provozierende Frage gestellt, wie ich es denn mit dem bewaffneten Widerstand der Palästinenser halte.“

Also, zur Erläuterung: die Frage hatte ich gestellt. Häufchen pflegen ja nicht zu fragen. Und ganz recht: ich wollte von Herrn Dierkes wissen, wie er es denn mit dem bewaffneten Widerstand der Palästinenser halte. Ich hätte es wirklich gern gewusst, und die Leute im Saal wollte ich ganz gewiss nicht provozieren. Erinnern Sie sich nur an mein Problem mit den Schneidezähnen.

Eine Antwort wollte ich provozieren, was gemeinhin als Aufgabe eines Fragestellers gilt. Welche Waffen dürfen die Palästinenser wie, wann unter welchen Bedingungen benutzen. Dass sie es nach Dierkes´ Ansicht dürfen, steht außer Zweifel. Und da dachte ich: komm, jetzt, wo Du mal die Gelegenheit hast, … – „dümmlich“, eine „dümmlich-provozierende Frage“. Blöde Grippe, blöde Zähne – dann kommt so etwas Dümmliches dabei raus. Kein Wunder, dass Dierkes unter diesen Umständen die Antwort schuldig blieb – dem rechten Flügel der hiesigen Deutsch-israelischen Gesellschaft. Der linke Flügel dürfte aus Gründen der kleinen Verlegenheit des Häufchens gar nicht erst gekommen sein.

Nur der Vollständigkeit halber: ich hatte dem lieben Gott zu früh gedankt. Schon während des Referats ließ Herr Rook von der Linkspartei einen Handzettel verteilen, auf dem er – knallhart recherchiert – enthüllte, dass ich der böse Mensch sei, der gegen den armen Hermann so Stimmung macht. Und zwar, weil ich Beisitzer in einem SPD-Ortsverein sei. Vor einem Jahr war nämlich Wahlkampf, verstehen Sie? Und jetzt ist auch wieder Wahlkampf, Zufall?

Damit nicht genug. Nach meiner dümmlich-provozierenden Frage schritt Horst-Werner Rook nach vorn, stellte sich vor dem Saal, in diesem Fall: vor mir auf und trug mündlich vor, dass ich der Drahtzieher sei. Und dass ich jetzt hier auftauche – wörtlich: „Ich finde das ekelhaft.“

Das hatte ich mir schon irgendwie gedacht. Aber dass es so schlimm ist. Na sicher, diese Erkältungsgrippe – hoffentlich habe ich niemanden angesteckt. Aber vor allem: die Sache mit den Zähnen. Irgendwie hatte er ja Recht, der Horst-Werner. Ekelhaft. Ich mochte mich selbst nicht leiden.

Gibt es noch etwas zu erzählen? Ach ja. Hermann Dierkes sagt so:

„Kleiner Konflikt: Ein dubioser Mensch wollte alles heimlich mit dem Handy filmen und aufzeichnen, als das herauskam, wurde er aufgefordert, das zu unterlassen. Gute und hilfreiche Genossen haben ihm vor dem Saal dabei geholfen, es zu löschen.“

Thomas Meiser sagt so:

„Das Ablichten Dierkes’ nahm … Horst Werner Rook zum Anlass, den Blogger zum Verlassen des Saales aufzufordern. Dieser kam dem nach und wurde vor dem Veranstaltungssaal von Zuhörern bedrängt, die Spließ aka Prospero verfolgt hatten.“

Christian Spließ sagt so:

“Sie nahmen mich in den Polizeigriff und nötigten mich zur Herausgabe meiner Kamera. Sodann löschten sie die Dateien mit den Aufnahmen der Veranstaltung.”

Ich stelle fest: Fall geklärt. Übereinstimmende Angaben eines Betroffenen und zweier Zeugen vom Hörensagen. Dierkes kann das Geschehen genauso wenig gesehen haben wie Meiser; denn die beiden waren ja genauso wie ich im Saal. Aber Dierkes berichtet wahrheitsgemäß, was ihm die Jungs vom Antifakomitee berichtet hatten – allerdings ohne jegliche Belastungstendenz, mit ein klein wenig zynischer Freude: „Gute und hilfreiche Genossen haben ihm vor dem Saal dabei geholfen, es zu löschen.“

Ganz unabhängig von der Frage einer Drehgenehmigung, ganz unabhängig von der Tatsache, dass Friedensfreund Dierkes nachhaltig daran interessiert ist, dass seine Einlassungen nicht gefilmt werden, ob es sich nun um eine „Ausschreitung“, wie es bei den Ruhrbaronen heißt, handelt oder nicht. Es bleibt festzustellen: auf einer öffentlichen Veranstaltung der VHS in einem städtischen Gebäude wird physische Gewalt angewendet. Nicht von der Polizei, die als einzige unter definierten Voraussetzungen dazu berechtigt wäre. Nicht vom „Hausherrn“, wobei die etwas müßige Frage, ob der Leiter der IZ das Hausrecht hatte oder nicht (die einen sagen so, er selbst sagt so) insofern unerheblich ist, als dass feststeht: er hat zugesehen. Was Dr. Jahn, der Leiter der VHS Duisburg, von diesem Vorgang mitbekommen hat, vermag ich nicht zu sagen; ich weiß nur: er hat an der Veranstaltung als Besucher teilgenommen.

Unabhängig von all diesen Dingen bleibt festzustellen: für Law and Order sorgen bei öffentlichen Veranstaltungen der VHS Duisburg die guten und hilfreichen Genossen vom Antifakomitee. Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger, gerade auch in Duisburg: hier lernt man echt nie aus. Verdammt, jetzt tun meine Schneidezähne wieder so weh …

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