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Israels Siedlungspolitik – dumm, gemeingefährlich und lebensmüde

Temple Mount and Western Wall during Shabbat

Image via Wikipedia

Genau an dem Tag, an dem US-Vizepräsident Joe Biden vor Ort versuchte, die ersten indirekten Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern seit Jahren wieder in Gang zu bringen, hatte die israelische Regierung bekannt gegeben, im besetzten arabischen Ostteil von Jerusalem 1600 neue Wohnungen zu bauen. In Anbetracht der Empörung in den USA und der internationalen Kritik wird in Israel jetzt über die Wahl des Zeitpunktes diskutiert. „Doch damit ist das Thema verfehlt“, schrieb gestern der Berliner „Tagesspiegel“.

Es geht nämlich nicht um Zeitliches, sondern um Grundsätzliches. Es geht um die grundsätzliche Frage, wie es um die Möglichkeit eines Staates Palästina, also der Zweistaatenlösung, bestellt ist. Hier stellt sich tatsächlich die Frage der Zeit, des (ebenso knappen) Raums und des Status von Jerusalem, das beide Seiten als ihre Hauptstadt beanspruchen.

Die rhetorische Frage, warum Juden zwar in New York, Amsterdam und Berlin Wohnungen erwerben dürfen, nicht aber und ausgerechnet nicht in Jerusalem, geht dabei völlig an der Sache vorbei. Und übersieht, dass Ost-Jerusalem -völkerrechtswidrig von Israel annektiert – als Hauptstadt eines palästinensischen Staates vorgesehen ist.

Dem steht der jüdische Anspruch auf ein ungeteiltes Jerusalem als Hauptstadt Israels entgegen. Hier handelt es sich um einen der, möglicherweise sogar den schwierigsten Punkt in den Verhandlungen um einen Frieden im Nahen Osten. In und um Ost-Jerusalem hat die israelische Seite mit einer Fülle von jüdischen Siedlungen ohnehin schon viele Fakten geschaffen. Das jetzt bekannt gegebene Bauprogramm nährt daher grundsätzliche Zweifel am Interesse der israelischen Regierung an der Wiederaufnahme des Friededensprozesses.

Im Programm des regierenden Likud, also Netanjahus Partei, heißt es, dass es keinen palästinensisch-arabischen Staat westlich des Jordans geben, dass der Jordan vielmehr dauerhaft die Ostgrenze Israels darstellen solle. Bekanntlich regiert Netanjahu in einer Vielparteien-Koalition, der neben der säkular-rechtsradikalen Partei Liebermanns auch die ultra-religiöse Schass-Partei angehört. Wie auch immer:

„Netanjahu wird sich dafür verantworten müssen, eigenhändig den erfolgversprechenden Besuch Bidens zerstört zu haben“, schreibt – ganz zutreffend – n-tv Korrespondent Ulrich Sahm auf haGalil. Es handele sich, so die Überschrift, um eine „gemeingefährliche Dummheit, eine unsägliche Provokation Israels“, die – so der Schlusssatz, „den Bestand Israels akut gefährden (kann)“.

Schon jetzt hat die israelische Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland für einen Flickenteppich gesorgt, der schwer vorstellbar macht, wie auf diesem Gebiet ein souveräner, unabhängiger Palästinenserstaat entstehen könnte. Für ein sicheres Israel in sicheren Grenzen gibt es aber zu einer Zweistaatenlösung keine Alternative. Vor zwei Jahren hatte es der ehemalige deutsche Botschafter in Israel, der vielen als SPD-Sozialpolitiker bekannte Rudolf Dressler, im Duisburger Rathaus so formuliert: „Der Staat Palästina ist Garant für die Existenz des jüdischen Staates Israel.“

Es gibt, diese Binsenweisheit sei gestattet, immer Alternativen. So wäre die Alternative zur Zweistaatenlösung die Einstaatenlösung. Eine Rückkehr zum status quo ante 1967 scheidet aus, da weder Ägypten noch Jordanien bereit sind, die Kontrolle über die Palästinensergebiete zu übernehmen. Eine Einstaatenlösung würde jedoch die Existenz Israels als jüdischen Staat unmittelbar bedrohen, da die Palästinenser mit Fug und Recht auf den gleichen Status wie die Juden pochen würden.

Die demographische Entwicklung spielt der palästinensischen Seite in die Hände; sie sind, wie es vielfach heißt, im Besitz der „demographischen Waffe“. Insofern „spielt“ der Faktor Zeit gegen Israel. Darauf zu setzen, dass sich der Zeitfaktor auch gegen die Palästinenser richte wegen der schier unerträglichen Lebensbedingungen, wäre erstens zynisch und zweitens mehr als leichtfertig.

„Von welchem Ende aus man Israels Zukunft auch analysiert, es bleibt als realistische Zukunftsprognose nur die Akzeptanz eines Staates Palästina“, lautet Rudolf Dresslers Fazit.

Die gegenwärtige Rechts-Rechtsaußenregierung Israels scheint allerdings dabei einen Flickenteppich im Auge zu haben, „bei dem die eingepferchten Palästinenser von außerhalb ihrer eingemauerten Enklaven kontrolliert werden.“ Dabei sollte sie doch wissen, wie der „Tagesspiegel“ bemerkt: „Jede Mauer führt dazu, dass Tunnel gegraben werden. Und dass – wie in Gaza – Raketen über die Mauer fliegen. Dann auch in der Westbank.“

Das Fazit lautet: „Daher wirkt der ungebremste Siedlungsbau nicht töricht, sondern lebensmüde.“

Der Staat Israel hat viele Feinde. Das mit Vernichtung drohende, nach der Atomwaffe strebende Mullah-Regime in Teheran. Die arabischen Nachbarstaaten, die Israel schon so oft überfallen hatten. Die Palästinenser auf der Westbank, im Gazastreifen, im Südlibanon, die den Judenstaat mal mit Steinen, mal mit Raketen angreifen. Und nicht zu vergessen die jüdischen Feinde im eigenen Land. Auch sie sind nicht neu. Neu ist das Ausmaß, in dem der Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen können. Die Sicherheit Israels ist in großer Gefahr.

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