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Wohnbilanz der Koalition der Kälte

13134166_1633a16f71„Auch auf dem Wohnungsmarkt muss gelten, dass die Bewohner mit Ihren Bedürfnissen und Wünschen den Maßstab setzen“ – diesen knackig formulierte Satz des neuen und alten Oberbürgermeisters findet man im Vorwort des Wohnungberichts 2009, (PDF-Link) der die Tage für Duisburg auf den Markt gekommen ist. Da ist von Bedürfnissen und Wünschen die Rede, von Dingen, die eigentlich für alle Mieter selbstverständlich sind – für alle Mieter?

Lassen wir erstmal die nackten Zahlen sprechen: Für 2008 stellt der Bericht fest, dass 492.870 Einwohner in Duisburg gab. 262.398 Wohnung gab es für diese Einwohner. 4.816 Haushalte gab es, die nach einer Wohnung gesucht haben. 4,1 Millionen bezogen Wohngeld, 67.438 Hartz-IV-Bezieher wohnten in der Stadt. So weit, so Zahlenmaterial. Dass hinter jedem Hartz-IV-Empfänger ein einzelnes Schicksal steht dürfte klar sein.

Wohnungsvermietung via Mund-zu-Mund-Propaganda

Frau Janicki stellte während der Diskussion im Kleinen Prinzen fest, es gäbe genügend Wohnraum für die soziale Unterschicht – auch gerne Prekariat genannt. Man kann sich fragen ob sie nicht genauer in den Bericht reingeschaut hat, denn dieser sagt definitiv etwas anderes aus – Hervohebungen vom Verfasser: „Während der Gesamtbestand an Wohnungen in Duisburg noch steigt (262.398 Wohnungen), verringert sich der Sozialwohnungsbestand von Jahr zu Jahr erheblich. Im Jahr 2008 nahm der Bestand im Vergleich zum Vorjahr um 3.052 Sozialwohnungen ab, da u.a. in den 90er Jahren viele Wohnungsgesellschaften die öffentlichen Mittel für ihre Wohnungen vorzeitig zurückgezahlt haben und die Nachwirkungsfrist abgelaufen ist. […] Die Prognose zum zukünftige Sozialwohnungsbestand macht deutlich, dass die Anzahl der Sozialwohnungen weiterhin abnehmen wird. Im Jahr 2025 werden nur noch etwa 16.000 Sozialwohnungen im Stadtgebiet verfügbar sein. Für den einkommensschwachen Personenkreis wird es daher immer schwieriger werden, preisgünstige Wohnungen zu finden.“ Gefühlsmäßig könnte man sicherlich erahnen, wer dieser „einkommensschwache Personenkreis“ sein könnte.

Es gibt also genug Wohnung für diejenigen, die mit einem Quadratmeterpreis von 3,94 auskommen müssen? Wenn man dem Wohnbericht Glauben schenken mag dann schon: „Den größten Anteil der angebotenen Mietwohnungen machen die Zwei- und Drei-Raum-Wohnungen aus. Dabei war erfreulicherweise festzustellen, dass beide Wohnungstypen in unterschiedlichen Größen zu finden sind. Durch dieses weite Angebotsspektrum können individuelle Wohnungsbedarfe erfüllt werden.“ Die Frage ab wieviel Quadratmeter eine Zwei- oder eine Drei-Raum-Wohnung beginnt bleibt der Bericht schuldig. “ Desweiteren: „Die räumliche Verteilung der angebotenen Mietwohnungen lässt erkennen, dass das Angebot in Innenstadt und Meiderich umfangreicher ist als z.B. in Walsum und in Homberg. Die Tatsache, dass dort weniger Wohnungsangebote in derZeitung veröffentlicht werden, lässt allerdings nicht unbedingt den Schluss zu, hier herrsche ein Wohnungsmangel.“ Diese sehr gewagte Hypothese wird damit begründet, dass diverse Vermietungen auch durch persönlichen Kontakt zustandegekommen sein könnten – wohlgemerkt, könnten. Einen Beweis dafür oder konkrete Zahlen gibt es nicht. Eine kalte Argumentation, die zu der ehemaligen Koalition im Rathaus passt. Oder, so könnte man vermuten, einfach eine bequeme Ausrede.

De facto hieße das nämlich: Wenn man keinen kennt, der einen kennt sondern sich nur auf die Zeitung stützt, dann könnte man eventuell wohl tatsächlich keine Wohnung finden wenn man nicht bereit ist sein Stadtviertel und damit sein soziales Umfeld zu verlassen. Selbst wenn man sich also bemüht umzuziehen kann man sich nicht darauf verlassen eine Wohnung zu bekommen. Was aber für die ARGE keine Rolle spielt. Entweder umziehen, so die Forderung, oder weniger Geld. „Bedürfnisse und Wünsche“ – Fehlanzeige.

Engpässe und einseitige Sozialstrukturen in der Zukunft

Aber Hilfe naht! Denn es gibt ja „das Internetportal „woledu.de“, das u.a. Interessenten die Möglichkeit bietet, Wohnungen zu suchen und dabei detaillierte Wünsche zur Ausstattung und Lage zu äußern.“ Es sollte doch ein Leichtes sein so eine Wohnung bis zu 45 qm zu finden, oder? Selbst nach mehreren Anläufen mit der nicht gerade benutzerfreundlichen Suche ist keine Wohnung für 45 qm zur Miete zu finden… Zugegeben: Es ist nur ein stichpunktartiger Versuch und keine Beobachtung des Wohnungsmarktes über Wochen, wie sie eventuell ein Hartz-IV-Empfänger vornehmen muss – schließlich muss man der ARGE ja nachweisen, dass man sich um eine Wohnung bemüht hat wenn diese auf einmal zu groß ist. In den Augen der ARGE jedenfalls. 2008 waren davon 133 Menschen betroffen. „Niemand verlässt gerne sein soziales Umfeld, in dem er sein Leben lang gewohnt, gelebt und vielleicht sogar gearbeitet hat“, stellt Reinhold Spaniel, Dezernent für Arbeit und Soziales, Sport, Personal und Organisation fest. Das ist in den Mündern der 133 Menschen, die ausziehen mussten, bitterer Honig.

Und die Zukunft, die sieht laut dem aktuellen Wohnbericht nicht gerade hell aus: „Obwohl der Wohnungsmarkt derzeit in vielen Städten, so auch in Duisburg, sehr entspannt ist, sagen Experten bereits Engpässe voraus, weil die Fertigstellungsraten in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind und der vorhandene Bestand den Anforderungen schon jetzt oft nicht gerecht wird. Daneben werden vermehrt Wohnungen vom Markt genommen, sei es durch Umnutzung oder Abriss.“ Unverhüllt redet der Wohnungsbericht zudem von der drohnenden Möglichkeit einer Ghettoisierung des Prekariats: „Der Sozialwohnungsbestand schrumpft und wird im Jahr 2025 nur noch ca. 16.000 Einheiten betragen. Dabei fallen vor allem preiswerte Wohnungen in beliebten Lagen aus der Bindung, während hochverdichtete Bestände mit Vermietungsproblemen weiter

der Sozialbindung unterliegen, was zu einseitigen Sozialstrukturen führen kann.“ Eine Entwicklung, die die ARGE mit ihren Zwangsumzugsmaßnahmen noch verstärkt – denn wer kein Geld hat und keine Sozialwohnung in seinem Umkreis findet ist gezwungen dorthin zu ziehen wo man niedrige Mieten zahlt. Also in Viertel mit „einseitigen Sozialstrukturen“. Wo dann das auf keinen Fall passieren wird: „Neben dem Engagement von Eigentümern und Kommunen sollen sich aber auch die Bewohner der Quartiere mit ihrem Umfeld identifizieren und dafür verantwortlich fühlen, damit das Erreichte auch nachhaltig wirken kann.“ Der Broken-Window-Effekt lässt grüßen…


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